Duisburg. Der Verein “Betroffenen Initiative LoPa 2010“ kritisierte letzte Woche die Notfallseelsorge, weil diese seit 2012 kein Mandat mehr haben soll. Der Leiter der Seelsorge Uwe Rieske wehrt sich in einem Interview gegen die Vorwürfe und erzählt, dass ein solches Mandat nur in Notfällen erteilt wird.
In der vergangenen Woche kritisierte der Verein „Betroffenen Initiative LoPa 2010“ in der WAZ die Notfallseelsorge. In einem Interview nimmt deren Leiter Uwe Rieske (Evangelische Kirche im Rheinland) dazu Stellung.
Der Verein „Betroffenen Initiative LoPa 2010“ hat die Notfallseelsorge kritisiert, da sie bereits seit 2012 kein Mandat mehr haben soll. Sie sagen, das stimme so nicht. Wie verhält es sich denn?
Uwe Rieske: „Ein formelles „Mandat“ hat die Notfallseelsorge lediglich in der Akutphase nach Unglücksfällen, wenn wir von Notärzten oder Rettungskräften in Einsätze gerufen werden. Die Nachsorge-Angebote, mit denen wir Betroffene der Loveparade-Katastrophe über die Stiftung Notfallseelsorge zu begleiteten Treffen einladen, sollen zusätzliche Hilfen zur Bewältigung bieten, so dass eigenständige Netzwerke und Kontakte entstehen. Hierfür braucht es kein „Mandat“ – es sind Angebote und Einladungen, die alle diejenigen annehmen können, die darin eine Hilfe erkennen.“
Der Verein hat der Notfallseelsorge ferner vorgeworfen, die Betroffenen vom gemeinsamen Abendessen mit den Angehörigen der Todesopfer am Gedenktag ferngehalten zu haben. Was sagen Sie dazu?
Rieske: „Einige Eltern haben bei diesem Jahrestag erstmals mit Überlebenden gesprochen, die das Sterben ihrer Kinder miterlebt haben. Diese Begegnungen sind sehr intensiv, werden von uns sorgsam vorbereitet und begleitet, wenn es von beiden Seiten gewünscht wird, um das Geschehene besser zu begreifen. Es braucht für diese Begegnungen besondere Behutsamkeit und Freiwilligkeit – von beiden Seiten. Insofern wird sehr genau überlegt und abgestimmt, wie und wo Überlebende und Angehörige einander begegnen. Wir haben ganz bewusst nie zu einem gemeinsamen Abendessen von Überlebenden und Angehörigen eingeladen, bei denen es unvermutet zu möglicherweise belastenden Konfrontationen kommen könnte.“
Zu dem gemeinsamen Abendessen haben Sie allerdings eine Gruppe von Betroffenen eingeladen, die in der psychosozialen Betreuung der Notfallseelsorge sind. Messen Sie in diesem Fall nicht mit zweierlei Maß?
Rieske: „Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass zu unserem Angebot der psychosozialen Begleitung alle Betroffenen des Unglücks eingeladen sind – egal woher sie kommen und zu welcher Gruppierung sie gehören. Wir haben auch die Vereine und Initiativen gebeten, unsere Einladung zu einem begleiteten Treffen weiter zu geben, damit möglichst alle erreicht werden, die darin eine Hilfe sehen. Diejenigen, die der Einladung olgten, wollten, dass ihre Gruppe konstant bleibt, damit sie sich verlässlich aufeinander einlassen können. Viele Betroffene berichten von intensiven Belastungsstörungen infolge des Loveparade-Unglücks, die sie massiv belasten; sie brauchen Konstanz und verlässliche Rahmenbedingungen, um sich zu öffnen. Dazu sind alle Betroffenen eingeladen, die sich darauf einlassen wollen.“
Gedenkstätte für Loveparade-Opfer
Der Verein „Betroffene Initiative LoPa 2010“ wirft der Notfallseelsorge Intransparenz bei den Spendengeldern vor. Wie viel haben Sie von wem erhalten und wozu haben Sie das Geld verwendet?
Rieske: „Die Stadt Duisburg hat die Kostenübernahme für die Begleitung der aus China, Spanien, Italien, Australien und den Niederlanden anreisenden Angehörigen und die Dolmetscherkosten zugesagt. Rainer Schaller hat mit einer Spende die Kosten für unser Notfallseelsorge-Betreuungsteam übernommen, also Fahrtkosten, Unterbringung und Raummieten für die Treffen; die Landesregierung NRW hat die übrigen Kosten für die Begleitung von Angehörigen und Betroffenen zugesagt, also Reisekosten und Beihilfen, auch für Übersetzungen. An unseren Treffen haben insgesamt 70 Angehörige aus fünf Nationen und etwa 15 Überlebende teilgenommen; zudem gab es viele Einzelbetreuungen, die teilweise noch andauern. “
Dass es Betroffene auch außerhalb der Region um Duisburg gibt, die dringend noch Hilfe benötigen, ist wohl unbestritten. Was kann oder sollte man Ihrer Ansicht nach tun, um diesen Menschen langfristig zu helfen?
Rieske: „Wir bieten Treffen in einer begleiteten Selbsthilfegruppe an, in der Betroffene sich über Hilfen und Angebote austauschen können. Aber vor allem braucht es traumapsychologische Therapieplätze und teilweise auch Einzelhilfen, weil viele Schicksale sehr individuell sind. Insofern ist es gut, dass die Stadt Duisburg einen Ombudsmann benannt hat, der hoffentlich auch weiterführende Hilfen vermitteln kann – dort, wo Betroffene es konkret brauchen.“