Rund 8 % der Personen, die Unglücke wie in Ramstein oder die Loveparade erlebt haben, sollen nach einer Studie unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. 2800 wären dies etwa bei der Loveparade, rechnet der Verein „Betroffenen Initiative LoPa 2010“.
Jörn Teich und Dirk Schales haben das Unglück in Duisburg miterlebt und engagieren sich in dem Verein, in dem jeder Betroffene mitreden darf. Nur wer aktiv werden will im Verein, muss ihm beitreten. Der Verein organisiert u.a. die Nacht der 1000 Kerzen, kümmert sich um die Gedenkstätte, will für Betroffene sprechen und entwickelt Ideen für Hilfe. Jörn Teich und Dirk Schales stellten sich den Fragen der WAZ.
Kurz nach dem Jahrestag sprach ein Betroffener Drohungen im Rathaus aus und war kaum zu beruhigen. Werten Sie sein Verhalten als Kritik daran, dass die verantwortlichen Planer der Loveparade immer noch im Amt sind, oder als Hilferuf eines Einzelnen, der unter den Folgen leidet?
Jörn Teich: „Es ist kein Einzelfall. Allen voran, dass Herr Rabe noch im Amt ist, macht viele Betroffene wütend und ob des Verhaltens der Stadt ohnmächtig. Dass immer noch viele Betroffene ohne nennenswerte Hilfe sind, macht es nicht besser. Allein gelassen und vergessen steigert sich diese Wut der Betroffenen mehr und mehr, die ohne Selbsthilfegruppen nicht mehr kanalisiert werden kann. Hier muss dringend nachgebessert werden, bevor sich solche Fälle häufen.“
Gedenken an die Loveparade-Opfer
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Sie bzw. der Verein kritisieren auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, weil sie sich Ihrer Ansicht nach nicht genügend für die Betroffenen und deren Probleme drei Jahre nach dem Unglück einsetzt. Was sollte sie Ihrer Ansicht nach tun?
Dirk Schales: „Sie sollte ihr Augenmerk nicht nur allein auf die Angehörigen richten, sondern darf auch die Betroffenen nicht vergessen. Eine Unterstützung einer Stiftung wurde seit Ostern „geprüft“, um uns dann am Jahrestag erst auf Nachfrage zu sagen, sie könne nichts tun. Ein Gespräch diesbezüglich hat es aber bisher mit den Betroffenen nicht gegeben, um eventuelle Möglichkeiten aufzuzeigen. Sie verwies zudem auf den Prozess und dass die Leute dann Geld bekommen würden und somit Ruhe wäre. Das haben viele als beleidigend empfunden. Es geht nicht um Geld für die einzelnen, sondern um Hilfe für alle.“
Sie sehen auch den Veranstalter Lopavent bzw. McFit-Chef Schaller in der Pflicht, etwas zu tun. Doch das stößt nicht bei allen auf eine positive Resonanz, weil sie ihn für das Unglück verantwortlich machen. Was sollte Rainer Schaller denn machen, um zu helfen?
Teich: „Herr Schaller hat bisher mit der Notfallseelsorge gearbeitet und für uns keine sichtbare Hilfe geleistet. Die Notfallseelsorge hat aber seit 2012 kein Mandat mehr. Die eine Million, die er über die Axa-Versicherung verteilt hat, sind nur Ersatz für materielle Schäden mit Rechtsmittelverzicht. Er ist sicherlich mitverantwortlich für das Unglück, daher ist er auch zumindest verpflichtet, seinen Teil dazu beizutragen, den Betroffenen zu helfen. Dies ist unabhängig von einer juristischen Schuldfrage und dies wünschen Betroffene wie Angehörige von ihm.“
Während und nach der diesjährigen Gedenkfeier am Jahrestag der Loveparade-Katastrophe wurde von Betroffenen Kritik am Verhalten der Notfallseelsorge geäußert. Was genau wirft man ihr vor?
Teich: „Die Notfallseelsorge hat am Jahrestag Betroffene vom gemeinschaftlichen Abendessen mit den Angehörigen ausgeladen. Auch sonst versucht sie, beide Gruppen voneinander getrennt zu halten, obwohl dies gar nicht gewünscht ist. Von beiden Seiten nicht. Dazu kommt eine hohe Intransparenz, was den Verwendungszweck der bisherigen Spendengelder angeht. Laut Lopavent hat es Gelder gegeben, laut Notfallseelsorge nicht. Was denn nun???? Die Betroffenen fühlen sich wie Opfer 2.Klasse und alleine gelassen, was zum Vertrauensverlust geführt hat.“
Sie haben selbst ein Konzept entwickelt, wie man künftig Betroffenen vor allem in anderen Regionen Deutschlands helfen kann. Wie sieht Ihr Konzept aus und wie kann es finanziert werden?
Gedenkstätte für Loveparade-Opfer
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Schales: „An oberster Stelle steht die Gründung einer Stiftung, die Opfern von Unglücken bei Veranstaltungen helfen soll. So könnte z.B. eine mobile Beratungsstelle eingerichtet werden, die Menschen vor Ort beraten und entsprechend helfen könnte. Es ist auffallend, dass es Betroffenen in der näheren Umgebung wesentlich besser geht als denen, die von weiter her kommen. Da muss Abhilfe geschaffen werden. Viele Betroffene haben aus finanziellen Gründen nicht die Möglichkeit, hierher zu kommen, also muss die Hilfe zu ihnen kommen. Stadt, Land und Veranstalter sollten dafür den Grundstock legen.“
Anwältin beantwortet Fragen auch im Chat
Am heutigen Samstag beantwortet Bärbel Schönhof, Fachanwältin für Sozialrecht allen Betroffenen die Frage: „Welche Ansprüche haben Opfer der Loveparade-Katastrophe 2010?“ Dabei kann geklärt werden, welche Art der Ansprüche drei Jahre nach dem Geschehen unter welchen Bedingungen wirklich noch geltend gemacht werden können.
Hierzu lädt der Verein Betroffenen Initiative LoPa 2010 e.V. ab 18 Uhr in die Räume des Vereins Bürger für Bürger an der Brahmsstraße 5a in Rheinhausen ein. Für die Teilnahme ist eine Vereinsmitgliedschaft nicht nötig. Zu Betroffenen, die unter den Folgen der Loveparade leiden können, zählen Menschen, die das Geschehen vor Ort erlebt haben, ebenso wie Eltern, die lange nicht wussten, ob ihr Kind zu den Opfern zählt.
Für alle, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird die Veranstaltung per Live-Stream im Internet übertragen. Dort können auch per Chat Fragen gestellt werden. http://bambuser.com/channel/lopa2010
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