Duisburg. Aus Angst vor einem Dritten Weltkrieg entstand der Luftschutzbunker unterhalb des Herzzentrums in Meiderich. Einen Krieg erlebte die Anlage nie mit. Anders als der Schutzraum am Landschaftspark Nord aus dem Zweiten Weltkrieg. Hier gibt es Geschichte zum Anfassen, allerdings ist der Zutritt lebensgefährlich und verboten. Das hält zahlreiche “Urban Explorers“ nicht von einer Erkundungstour ab.
Die Hand vor Augen ist kaum sichtbar, nur durch einen kleinen Spalt fällt ein wenig Licht in die dunkle Kammer. Auf den Knien muss der Neugierige in das schwarze Loch hinein kriechen – durch eine winzige Luke. Hier lässt es sich wieder gut stehen, nur die Dunkelheit breitet sich aus. In der Ecke ist ein Schild zu erkennen, auf dem groß „Achtung!“ steht. Ein Warnhinweis aus früheren Zeiten? Der Geruch von Moos steigt tief in die Nase hoch.
Plötzlich blitzt ein Lichtstrahl auf und erstrahlt den dunklen Raum, vertreibt den Geruch und die Stille. „Alles gut da hinten?“, ruft Michael Slotta mit dem Kopf durch die Luke. Er ist Herr über den einstigen Bunker, durch dessen Katakomben wir eben gekrochen sind. Heute findet sich hier das Sanitärlager des Herzzentrums Duisburg-Meiderich, Slotta ist der Betriebsleiter.
Sanitärlager im ehemaligen Bunker aus den 60ern
Zeit zu gehen, heißt es wohl. Und tatsächlich, er streckt eine Hand aus, hilfsbereit, um den Ausstieg aus der kleinen Öffnung zu erleichtern. Die Hose ist noch ein wenig dreckig vom Kriechen, Spinnweben hängen am T-Shirt. Hier nebenan ist alles anders - steril, hell, organisiert. Muss es auch sein, als Sanitärlager des Herzzentrums in Meiderich. Zahlreiche Keramiktoiletten liegen fein säuberlich aufgereiht auf dem Boden, in den unzähligen grünen Schubladen findet sich vom Türscharnier über Toilettenpapier bis hin zu Schrauben alles, was ein Krankenhaus benötigt.
Niemand erwartet hier, dass es sich um einen ehemaligen Bunker aus den 60er Jahren handelt. Gebaut, aus der damals äußerst realistischen Angst eines Dritten Weltkriegs.
Aus dieser Zeit stammt auch der vielleicht gerade einmal fünf qm große, unerforschte Raum des sonst so hellen Bunkers. Vielleicht hat hier einst die Technik für die Luftzufuhr gestanden? So richtig weiß es niemand mehr. Denn der Bunker wurde nie für seinen eigentlichen Zweck genutzt, der Dritte Weltkrieg blieb, wie allgemein bekannt ist, aus.
Angst vor dem dritten Weltkrieg
„Die Kubakrise war im vollen Gange, der Zweite Weltkrieg erst ein paar Jahre her, die Menschen hatten Angst, dass alles wieder von vorne losgeht“, erklärt Manfred Rönfeldt, Technischer Leiter des Evangelischen Klinikums Niederrhein, dem auch das Herzzentrum angehört, den Grund für die Entstehung des Bunkers.
Verborgene Unterwelten
Fertiggestellt wurde die Anlage nie, offiziell sollte der Bunker ein unterirdisches Krankenhaus werden. Rönfeldt vermutet schmunzelnd:„Da die Gänge so eng sind, sollten sich hier bestimmt die VIPs des Krankenhauses einnisten im Falle eines Angriffs.“ In das Lager kommt man übrigens nur mit Hilfe des Technischen Leiters des Herzzentrums - und einem Schlüssel.
Stahltüren versperren den Weg zum unterirdischen Krankenhaus
Nur ein paar Kilometer weiter, auf dem Gelände des Landschaftsparks Nord, versteckt sich ein weiteres unterirdisches Krankenhaus – gebaut Anfang der 40er Jahre, mitten im Zweiten Weltkrieg. Wer hier einen Blick hineinwagen möchte, muss einen Kran dabei haben. Denn die beiden, in den Boden eingelassenen Stahltüren wiegen jeweils mehrere hundert Kilogramm und lassen sich nur mit schwerem Gerät öffnen. Und ausschließlich mit Genehmigung des Managers des Landschaftsparks Nord.
Allein der Gedanke daran, dass sich in den Gängen unter der Erde die Meidericher vor Bomben und Granaten versteckten, lässt den Betrachter der beiden Stahltüren nachdenklich werden. Manchmal sind sie tagelang dort geblieben, schliefen im Sitzen. "Sie mussten einen schlichten Holzbalken und den darunter fließenden Fluss als Toilette nutzen. Wasserspülung nannte man das", erklärt der zweite Vorsitzende des Vereins "Zeitzeugenbörse" Markus Mosch in seiner schriftlichen Dokumentation über den Bunker von 2009.
Nur wenige Meter neben den Schutzsuchenden sollten Verletzte versorgt werden können. Für 196 sei Platz gewesen, über 1500 Plätze als Luftschutzbunker waren angedacht. Niemals wurden alle fertiggestellt, der Bunker blieb größtenteils als Rohbau bestehen, erzählt Mosch in seiner Abhandlung.
Damals erforschte er die Welt unter dem Landschaftspark. Natürlich mit Erlaubnis des Managers, denn ein solcher Besuch ohne Anmeldung ist nicht nur illegal, sondern vor allem gefährlich. Denn wie stabil die Wände und Decken der Anlage wirklich sind, ist ungewiss.
"Urban Explorers" sind auf der Suche nach Geschichten
Auch wenn der Zugang verboten ist, gibt es immer wieder Leute, die einen Eingang suchen, nahezu wie ein Trüffelschwein die Pilze. Sie nennen sich „Urban Explorers“, sind eine Untergrundbewegung. Sie wollen unter sich bleiben, scheuen die Medien, denn das was sie tun, ist verboten und dazu noch lebensgefährlich.
So wie dieses unterirdische Krankenhaus im Landschaftspark Nord. Im Internetforum „allmystery.de“ beschreibt ein User, wie er „50 Meter durch einen kleinen Luftschacht in das Innere des Bunkers rutscht“ und in den Gängen dann „alte Betten auf Rollen“ und „Tropfsteine an der Decke“ entdeckt. Ein Anblick, den er als faszinierend und schaurig zugleich beschreibt.
Sie fühlen sich besonders
Und deshalb fühlen sich die urbanen Entdecker so besonders, laden Fotos ihrer Wanderungen durch das unterirdische Krankenhaus in ihren eigenen Foren hoch. Dabei gilt vor allem eines: Standort und vor allem der Eingang dürfen nicht verraten werden. Nicht aus Sicherheitsgründen, wie es der Manager des Landschaftsparks Nord gern möchte.
Nein, die Entdecker der Unterwelten schätzen die Herausforderung und jede, eigens entdeckte Bunkeranlage ist wie eine Trophäe im Wandschrank. So wie das unterirdische Krankenhaus im Landschaftspark Nord.