Santa Monica. . Aufgewachsen im Revier: Ramin Djawadi hat „Pacific Rim“ und andere Erfolgsfilme vertont, seine „Iron Man“-Musik war für einen Grammy nominiert. Heute arbeitet er im einstigen Studio der Hollywood-Legende Hans Zimmer, der ihm auch den Weg in die Traumfabrik ebnete.
In einem Surfer-Örtchen, wenige Meilen südlich vom Flughafen von Los Angeles, wartet auf deutsche Gaumen ein Kulturschock. Eine Strandbar verspricht auf ihrer Karte 200 Biersorten und lockt Revierbürger mit einem Stück Heimat: einem bekannten Pilsener aus Duisburg. Wer einen Schluck des Gerstensaftes kostet und danach sein Gesicht verzieht, sieht schnell Vorurteile bestätigt: Hollywood, mehr Schein als Sein - und mit einem seltsamen Hang zu schalem Bier der Marke Eigenbau.
Ramin Djawadi lacht, wenn er von dem kleinen Laden an der Promenade von Manhattan Beach hört. Der gebürtige Duisburger hat dort noch nie das Bier aus seiner Heimatstadt gekostet, obwohl er unweit des Pubs lange in einer kleinen Wohnung lebte.
Damals war der Komponist für Filmmusik noch ein großer Unbekannter in Hollywood, wo viele Talente mit Hoffnungen ins Geschäft drängen und nur wenige durchkommen. Heute, mehr als zehn Jahre später, lebt der 39-Jährige in einem feinen Häuschen in den Hügeln über der kalifornischen Metropole. Mit „Pacific Rim“, der seit Donnerstag in Deutschland im Kino läuft, hat Djawadi gerade einen 190-Millionen-Dollar-Blockbuster vertont.
"Die Zeit ist knapp in Hollywood"
Sein Arbeitsplatz liegt in einem unscheinbaren Reihenhaus in Santa Monica. Nichts sieht nach großem Kino aus, zumindest von außen. Doch wer an der Pforte vorbeikommt, befindet sich in der Brutstätte für markante Kinohymnen. „Würde es so etwas wie einen freien Sonntag geben, wäre ich wahrscheinlich trotzdem zum Klimpern auf dem Klavier hier“, sagt der Sohn einer Deutschen und eines Iraners.
Seine Klang-Konstruktionen sorgen dafür, dass eine Komödie an den richtigen Stellen witzig und ein Thriller spannend wird. Die Musik muss die Gefühle der Kinogänger lenken. Djawadi tüftelt selbst an Nuancen. Durch einen Flur gespickt mit Filmplakaten geht es in den Raum, in dem alles entsteht: „Safe House“ mit Denzel Washington, „Blade Trinity“ mit Wesley Snipes oder „Deception“ mit Ewan McGregor.
Schulband, Musikstudium, Gitarrist in kleinen Klubs. Eigentlich wäre er Arzt geworden, so wie sein Vater und älterer Bruder. Ein Zufall wollte es anders. „Durch den Besitzer eines Musikladens habe ich Kontakt zu Hans Zimmer erhalten.“ Der Oscar-Preisträger („König der Löwen“) ist seit 30 Jahren im Musikgeschäft, verschaffte Djawadi eine Stelle als Assistent. Djawadi machte etwas daraus.
Hans Zimmer, der im Nachbarraum sitzt, erinnert sich an den jungen Duisburger: „Wir hatten bei ‚Fluch der Karibik‘ eine Szene, bei der wir alle nicht weiterkamen. Also hat sich Ramin abends hingesetzt, heimlich die Nacht durchgeschrieben und uns am anderen Morgen mit toller Musik umgehauen.“ Heute treffen sie sich zum knappen Plausch in der Teeküche. Die Zeit ist knapp in Hollywood.
Ramin Djawadi hat jetzt eigene Assistenten und den alten Raum seines Mentors geerbt. Den Ventilator aus dem Thriller „Hannibal“, ein Geschenk von Regisseur Ridley Scott an Hans Zimmer, durfte der Duisburger behalten. Die Hollywood-Regisseure nehmen bei ihm auf dem Sofa Platz, um die Akustik für ihre Filme zu besprechen. Bei „Pacific Rim“ kam Guillermo del Toro. Auch Kevin Costner war schon da, und Djawadi bei ihm im Wohnzimmer. Ganz normal.
Duisburg hat er nicht vergessen. „Das ist meine Heimat!“ Regelmäßig kehrt der Komponist zurück, besucht Eltern und Brüder. In den USA liest er täglich die deutschen Nachrichten. Zu jedem seiner Filme schickt er ein Plakat in die Heimat. „Alle Filmposter hängen meine Eltern in ihrer Garage auf!“
Nicht alles ist purer Spaß
Das Leben in Kalifornien ist anders als in Rheinhausen. „Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, selbst im Winter mit einem T-Shirt herumzulaufen.“ Annehmlichkeiten, die aber nicht zählen, wenn plötzlich die Erde wackelt. Erdbeben flößen ihm Respekt ein. Kleine Beben kennt er bereits. „Alles wackelt. Bis du merkst, was passiert, ist alles schon wieder vorbei.“ Seine Boxen sichert er seitdem mit Seilen.
„Ich weiß, dass ich hier viel Glück hatte und alles nicht selbstverständlich ist“, sagt Ramin Djawadi bescheiden. Dabei wurde seine Titelmusik zur TV-Serie „Games of Thrones“ kürzlich gar im Vorspann der Simpsons parodiert. Nette Dinge, über die der 39-Jährige schmunzelt.
„Meistens bekomme ich so etwas gar nicht mit, mich rufen dann Freunde an“, sagt Djawadi und zieht die Schultern nach oben. Ähnlich war es vor fünf Jahren bei seiner Grammy-Nominierung für die Comicverfilmung „Iron Man“, immerhin der bedeutendsten Musikpreis der Welt. Er ist nicht der Typ, der so etwas an die große Glocke hängt. Aber innerlich freut es ihn.
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Nicht alles ist purer Spaß. Das Tüfteln an der richtigen Melodie dauert im Studio, das keine Fenster hat, oft bis tief in die Nacht. Die Abgabetermine sind knüppelhart. Vom nahe gelegenen Strand, der kalifornischen Sonne sieht Djawadi dann kaum etwas. So auch, als ihn Produzenten baten, kurzfristig den Blockbuster „Kampf der Titanen“ zu übernehmen.
„Ich war mit meiner Frau bei einer Geburtstagsfeier in Palm Springs, als plötzlich das Telefon klingelte.“ Noch in der Nacht fing Djawadi an zu komponieren. „Das erste Stück Musik habe ich um fünf Uhr morgens geschrieben.“ Selbst bei seiner eigenen Hochzeit auf Hawaii reiste er hinterher. Ein Abgabetermin. In Hollywood ticken die Uhren anders.
Trotz Stress glücklich in Hollywood
An den Studiowänden sind Gitarren aneinander gereiht. In der Ecke steht eine orientalische Klampfe. Doch vieles funktioniert digital. In Synthesizern steckt auf Knopfdruck so ziemlich jedes Instrument. Auch als Djawadi gemeinsam mit dem Musiker Mike Shinoda von „Linkin Park“ das Videospiel „Medal of Honor“ vertonte, half die Technik. „Mike war zeitgleich auf Tournee. Wir haben die Musik wie bei einem Puzzle abwechselnd ergänzt und uns per Daten-Server zugeschickt.“ Die Abstimmung erfolgte dann per Telefon.
Ramin Djawadi ist trotz des Stresses in Hollywood glücklich: „Ich lebe hier meinen Traum.“ Vor einigen Jahren hat sein Arzt eine Sehnenscheidenentzündung an beiden Knien diagnostiziert. Vom Sitzen am Keyboard. Komponisten-Krankheit. „Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt“, sagt Ramin Djawadi. „Der Arzt hat mir Schwimmen empfohlen, damit ich den Muskel bewege.“ Surfen ist eigentlich sein großes Hobby. Damals in Manhattan Beach klappte es noch häufiger.