Duisburg. Die Art eines äußerst menschennahen Uhus, der in Duisburg gefunden wurde, ist für die Freilassung kein Problem. Dies konnte durch einen Gentest geklärt werden, der den Uhu als eine einheimische Art identifizierte. Nun prüfen Experten, ob der Uhu für die freie Wildbahn geeignet ist.

Uhus sind in der Regel scheu. Sie leben zurückgezogen im Wald und meiden den Kontakt zu Menschen. Vor einem Jahr tauchte in Duisburg eine Eule auf, bei der das anders war. Das Tier saß auf Dächern von Einfamilienhäusern, ließ sich sogar aus der Nähe fotografieren.

Aufgeregte Anwohner meldeten den Uhu, er landete in einer Auffangstation. War er entflogen? Experten vermuteten, es handelte sich nicht um einen europäischen Uhu, sondern um eine asiatische Art. In dem Fall hätte der Gast nicht wieder ausgewildert werden dürfen. Ein DNA-Test widerlegte die Vermutung nun. Für den Vogel heißt das: Ist er fit genug, kommt er in die Wildnis. Zeigt er aber weiter artfremdes Verhalten, wird er wohl im Duisburger Zoo für ein Zuchtprogramm eingesetzt.

Keine Instinkte wie ein Wildtier

Die Geschichte des zahmen Uhus begann vor etwa einem Jahr. „Sowohl in Duisburg als auch in Mülheim wurde das Tier nachgewiesen“, sagt Dr. Randolph Kricke, Artenschutzbeauftragter vom Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg. „Wir hatten schnell den Verdacht, dass es sich um einen Vogel aus einer Voliere handelt“, so Kricke. Einen Ring oder Ähnliches, das darauf hinweisen würde, trug der Uhu aber nicht. Im August schließlich wurde der Vogel erneut aufgenommen, er war gegen einen Zaun geflogen und total durchnässt. Noch immer zeigte er keine Wildtierinstinkte. „Wir haben das Tier dann in eine Auffangstation im Sauerland gebracht“, erzählt Kricke.

Das Projekt „barcoding Fauna Bavarica“

Bei dem Projekt „Barcoding Fauna Bavarica“ untersuchen Wissenschaftler der Zoologischen Staatssammlung München einen bestimmten Genabschnitt (das so genannte „COI-Gen“) aller einheimischen Tierarten und sammeln sie in einer Online-Datenbank.

Der Genabschnitt hat für die Wissenschaftler eine ähnliche Bedeutung wie der Strichcode in einem Supermarkt. Eine unbekannte Art kann so mittels einer DNA-Probe - beim Duisburger Uhu zum Beispiel eine Gewebeprobe aus den Federkielen - bestimmt werden.

Seit 2012 wird das Projekt durch eine Zusammenarbeit mit mehreren deutschen Forschungsinstituten ergänzt und soll nun die gesamte Flora und Fauna Deutschlands im Visier haben.

Der Leiter der Station glaubte aufgrund einer untypischen Gefiederfarbe, es könne sich um ein entflogenes Tier einer asiatischen Schwesterart handeln. Eine Auswilderung, die Tierschützer forderten, hätte unter diesen Umständen nicht stattfinden dürfen. „Bei der Fortpflanzung entstünden ‘von Menschen gemachte’ Populationen, die in der Natur nie vorkommen würden. Das hätte Nachteile. Zum Beispiel könnten die Tiere im Winter sterben, weil in ihren Genen nicht die Gewöhnung an die Kälte vorhanden ist“, so Dr. Kricke. Der Artenschutzbeauftragte der Stadt Duisburg stand vor der Frage, wie er denn nun die Herkunft des Tieres klären könnte.

Genabschnitte aus der Datenbank

Kricke wandte sich an die Zoologische Staatssammlung in München, die mit dem Projekt „Barcoding Fauna Bavarica“ bestimmte Genabschnitte aller einheimischen Tierarten in einer Datenbank zusammenträgt. Diese Genfolge hat eine ähnliche Bedeutung wie der Strichcode im Supermarkt und macht es möglich, unbekannte Arten zu bestimmen (weitere Informationen zum Projekt im Kasten).

Für den Duisburger Uhu fand ein Genforscher Folgendes heraus: Der Vogel ist kein Import aus Asien, sondern eine europäische Art mit dem Namen „Bubo bubo“. Mit diesem Ergebnis war gleichzeitig klar: Theoretisch kann der Vogel in die Wildnis gelassen werden. Ob ihm das aber zuzutrauen ist, muss der Uhu noch beweisen. „Wir beobachten ihn die kommenden Wintermonate“, so Kricke. Wenn er den Eindruck bestätigt, ein von Hand aufgezogener Vogel zu sein, soll er sich den Duisburger Zoobesuchern präsentieren. Mehr noch: „Wenn es einen passenden Partner gibt, könnte der Nachwuchs der Uhus in die Wildnis freigelassen werden“, sagt Dr. Kricke. Die Jungen würden sich schnell an das Leben in der Wildnis gewöhnen.

Kaum Uhus in der Stadt

Ob die freigelassenen Tiere in Duisburg aber jemals Partner finden würden, ist unklar. Randolph Kricke schätzt die Zahl der Brutpaare auf „null bis eins“. „Dieses Jahr gab es einen Todfund im Baerler Busch“, erklärt Kricke die Einschätzung. Duisburg biete aber theoretisch viele Stellen mit gutem Nahrungsangebot. Es ist also durchaus möglich, dass neben ‘unserem Bubo bubo’ hier zukünftig noch mehr Uhus leben. Allerdings sollten die Einwohner davon nicht viel mitbekommen. Schließlich ist der Uhu im Normalfall ein ganz scheues Wesen.