Duisburg. .
Auch die letzten Urlauber kehren nun aus den Sommerferien zurück. Bernhard-Josef Melisch und seine Frau Marlies beginnen hingegen bald erst ihre große Tour.
Dabei ist nicht ihr Ankunftsort das Besondere: In Oberstdorf gibt’s schließlich Touristen zuhauf. Nein, vielmehr bedarf das Reisegefährt des Ehepaares aus dem Dellviertel der gesonderten Erwähnung. Die 1500-Kilometer-Route, die sie sich für den Hin- und Rückweg ausgesucht haben, bestreiten die Melischs in einem Oldtimer. Genauer gesagt: einem Mercedes-Benz 170 VBC, Baujahr 1936. Das in den wunderschönen Farben Waldgrün und Schilfgrün lackierte Cabrio bietet bei prächtigem Wetter wie diesem den ultimativen Fahrspaß. Nostalgie und Stil in vollendeter Form.
Ein solches PS-Schätzchen aus längst vergangenen Tagen würde mancher Sammler ausschließlich in seiner Garage aufbewahren und höchstens zur Lackpolitur behutsam mit einem Tuch berühren. Für Melisch ist es ein normaler Gebrauchsgegenstand für den automobilen Alltag. „Was habe ich denn davon, wenn er nur herumstände und ich ihn nicht benutzen würde?!?“, fragt der 71-jährige Rentner ein wenig trotzig. Erst kürzlich hat er damit die in Niederkrüchten lebende Tochter besucht. Bis zu 3000 Kilometer ist er pro Jahr auf den Straßen unterwegs. Seit der vollendeten Restaurierung im Jahr 1993 mögen es rund 40.000 Kilometer gewesen sein, schätzt Melisch.
Im Wagen steckt viel Eigenarbeit
Bis der Oldtimer seine Fahrtauglichkeit erlangte, musste der passionierte Hobby-Schrauber – vom Zeitpunkt der Anschaffung im Jahr 1982 gerechnet – aber sage und schreibe elf Jahre investieren. Wie viele Arbeitsstunden das wohl waren? Da lacht der weißhaarige Senior. Und seine Arme breiten sich so weit aus, als wolle er das Universum umarmen: „Unendlich viele!“
Die Kosten kann er hingegen genau benennen: „Ich habe den Wagen für 7500 D-Mark aus der damaligen Tschechoslowakei gekauft. Investiert habe ich bis heute rund 20.000 Euro fürs Material.“ Das sei verglichen mit anderen Oldtimern nur ein Klacks, weiß Melisch. Doch er konnte die Kosten relativ gering halten, weil er fast alle Arbeiten nicht von teuren Experten-Werkstätten ausführen ließ, sondern diese in seiner Neudorfer Schrauberhalle selbst erledigte.
Der Wagen wartet übrigens mit einer ebenso bewegten wie bewegenden Historie auf. In seinem Baujahr 1936 war er in Besitz des Forstrates Freiherr von Aue in Eckersdorf bei Breslau. Während des Krieges wurde das Cabrio aber beschlagnahmt und für militärische Zwecke genutzt. „Der muss auch ganz schön was abgekriegt haben. Beim Restaurieren habe ich entdeckt, dass irgendwann ein neues Chassis eingebaut wurde“, erzählt der frühere Ingenieur für Nachrichtentechnik, der nun seinen (Un-)Ruhestand am liebsten in seiner Privatwerkstatt verbringt.
Umweg für schönere Aussicht
Zurück zur Oberstdorf-Tour: Die unternimmt das Ehepaar bereits zum vierten Mal. Weil in diesem Auto ihre bevorzugte Devise lautet „Der Weg ist das Ziel“, wählen sie auf der Hinfahrt aber nicht die kürzeste Strecke. Sondern die schönste! Und die führt sie am Rhein entlang, gen Süden in den Schwarzwald und vorbei am Bodensee dann in Richtung Oberbayern. „Das sind 740 Kilometer, wir werden über zehn Stunden brauchen“, sagt der Besitzer von immerhin elf Oldtimern. „Die sind aber nicht alle fahrbereit“, schränkt er sofort ein.
Und was erleben die Melischs, wenn sie unterwegs auf Autobahnen oder Landstraßen sind? „Das kann man sich kaum vorstellen: Fast jeder, der uns überholt, hupt und winkt. Es ist immer ein großes Hallo.“ Doch das Allerschönste an seinem Auto sei, dass er offen fahren könne. „In einem Cabrio erlebt man die Umwelt viel stärker. Es ist ein Traum.“ Ein Traum, den sie sich nun mal wieder erfüllen.