Duisburg. Chef-Bauleiter des Museums-Erweiterungsbaus im Innenhafen nimmt erstmals ausführlich Stellung. Schon beim Umbau des Silos explodierten die Kosten: „Kubus ist eigentlich kein Hexenwerk“.

„So eine Verkettung und Massierung von Problemen auf einer Baustelle sind mir in 32 Jahren nicht untergekommen.“ Klaus Gröhnke spricht von Duisburgs Skandalbaustelle Küppersmühle. Er ist Senior-Projektleiter bei der großen, weltweit agierenden WSP CBP und ist der Verantwortliche für die Projektsteuerung und Bauüberwachung für den ebenso spektakulären wie aktuell böse gescheiterten Erweiterungsbau am Innenhafen. Diejenige beauftragte Firma also, bei der die städtische Bauherrin Gebag Millionen an Schadensersatz wegen möglicher Fehler bei der Bauüberwachung einklagen will.

Klaus Gröhnke sieht das drohende Klageverfahren ganz gelassen, glaubt nicht an Fehler, die das von der WSP beauftragte Subunternehmen bei der Bauüberwachung vor Ort gemacht haben könnte. Zugleich zeigt er aber im WAZ-Gespräch Verständnis dafür, dass Gebag-Chef Utz Brömmekamp diesen Weg geht: „Das ist normal und legitim. Die Gebag darf sich später nicht vorwerfen lassen, dass sie es nicht gemacht hat.“

„Das war nicht Nachlässigkeit oder Fahrlässigkeit, das war Vorsatz“

Das vom Gericht zugelassene Beweissicherungsverfahren wird aber dauern. Ein halbes Jahr, erwartet Gröhnke, werden sich die Gutachterarbeiten hinziehen. Die Sachverständigen sollen nochmals die fehlerhaften 14.000 (!) Schweißnähte untersuchen und vor allem die Frage klären, ob die Bauleitung den Pfusch bei den Schweißarbeiten hätten feststellen müssen. Solange muss die Rost-Ruine stehen bleiben. Mit der Folge allerdings, dass ein möglicher Weiterbau oder auch der notwendige Abriss des Stahlskeletts dadurch verzögert wird.

Traumbild oder Zerrbild: So zeigte sich der spektakuläre Museumsbau nach den Plänen der Architekten.
Traumbild oder Zerrbild: So zeigte sich der spektakuläre Museumsbau nach den Plänen der Architekten. © NRZ

Gröhnke, der in der WSP-Deutschland-Zentrale in Frankfurt sein Büro hat, ist immer noch fassungslos angesichts der kriminellen Schweißarbeiten an dem Stahlkoloss. „Das war unverantwortlich. Das war nicht Nachlässigkeit oder Fahrlässigkeit, das war Vorsatz“, sagt er. Mit Absicht seien die Nähte nicht durchgeschweißt worden, wurden Hohlräume einfach ausgefüllt. Man wollte Geld und Zeit sparen. Nicht von ungefähr ermittelt die Duisburger Staatsanwaltschaft daher auch unter dem Vorwurf der Baugefährdung. Schon am Boden sind solche Arbeiten absolut unzulässig. Und wenn man dann weiß, dass das 1300 Tonnen schwere Gerüst mit den entsprechenden statischen Belastungen hoch auf die Silos hätte gehoben werden müssen, mag man sich die Folgen kaum ausmalen.

Erst Mitte 20, dann 48, zuletzt 70 Millionen Euro für das Stahl-Debakel

Gröhnke sieht allerdings keine Pflichtverletzungen der Bauüberwachung am Ort. Zeitweise mit fünf Mitarbeitern sei das beauftragte Unternehmen täglich da gewesen. „Man steht aber auch nicht jeden Tag hinter den Schweißern“, meint der Projektsteuerer. Und von außen, an den Nähten, sei der Pfusch auch nicht zu erkennen. Eben deshalb müssen Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen gemacht werden.

Im Mai 2009 stand noch der Namenszug auf dem Silo-Dach. Dann begann der Umbau der Silos und das Desaster nahm seinen Lauf.  Foto: Friedhelm Geinowski
Im Mai 2009 stand noch der Namenszug auf dem Silo-Dach. Dann begann der Umbau der Silos und das Desaster nahm seinen Lauf. Foto: Friedhelm Geinowski © NRZ

Als Beleg, dass die Bauleitung aufmerksam war, verweist Gröhnke darauf, das sie selbst schon Anfang 2011 die Duisburger Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt (SLV) über die Gebag eingeschaltet hatte, um sich die Arbeiten „genauer anzusehen“. Denn die ausführende Stahlbaufirma habe trotz mehrfacher Aufforderung die vorgeschriebenen und geforderten Schweißberichte nicht geliefert. Die Bauleitung habe also gehandelt, bevor die ganze Sache durch den anonymen Brief eines Schweißers dann im April publik wurde. Als „spannende Frage“ bezeichnet es Gröhnke allerdings selbst, ob es ausreichend war, dass die SLV eingeschaltet worden war.

Der WSP-Experte zeigt sich ausgesprochen gut informiert über die Schlagzeilen und auch politischen Erschütterungen um die Gebag, die das Desaster am Innenhafen ausgelöst haben. Zugleich sagt er aber: „Der Stahlkubus war kein Hexenwerk.“ Eine nicht alltägliche Konstruktion, sicher. Auch eine „besondere Herausforderung“. Aber für entsprechende Fachfirmen eigentlich kein Problem. Zu keinem Zeitpunkt habe es für ihn Zweifel an der Statik und der technischen Umsetzung gegeben. Auch das Hochhieven des 1300 Tonnen schweren Stahlskelettes wäre kein Problem gewesen. „Da gibt es weltweite jede Menge ähnlicher Projekte“, erklärt der Architekt. Schwieriger sei es da, bei den Spezialunternehmen einen Termin zu bekommen.

Das Stahlskelett für den Museumskubus endete als Rost-Ruine und wird wider zerlegt. Nur wann ist noch offen. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Das Stahlskelett für den Museumskubus endete als Rost-Ruine und wird wider zerlegt. Nur wann ist noch offen. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Gröhnke ist auch gelernter Betonbauer. Und so schildert er anschaulich und fachkundig, wie an der Küppersmühle das ehrgeizige Erweiterungsprojekt, das auf 2000 qm in luftiger Höhe weiteren Platz für die begehrte Kunstsammlung des Sponsors und Mäzen-Ehepaars Ströher schaffen sollte, seinen Weg ins Millionengrab nahm und die Kosten von zunächst Mitte 20 auf 33, dann 48 und zuletzt nach dem Stahl-Debakel auf an die 70 Mio Euro explodierten. Viele, viele Millionen – mehr als geplant – flossen buchstäblich ab 2009 als Beton in die Ertüchtigung der ehemaligen Getreide-Silos, die den Kubus tragen sollten. Doch sie waren von innen mürbe, ebenso die Kellergeschosse, die die Last nicht mehr tragen konnten. „Es ist immer ein Risiko, im Bestand zu arbeiten. Man hätte die Silos vorher genauer untersuchen müssen“, meint Gröhnke.

Verzicht auf zehn Millionen Euro EU-Fördergelder

Und das Unglück nahm damit seinen Lauf, weil sich ein Bazillus wie eine Infektion auf den ganzen (Bau-)Körper ausbreitete: Zeitdruck. Der Eröffnungstermin zum Kulturhauptstadtjahr 2010 war nicht mehr zu halten. Und Zeit kostet immer Geld, führt zudem zu schnellen und nicht immer richtigen Entscheidungen. „Alle standen der Gebag auf den Hacken“, meint Gröhnke.

Mit dem Verzicht auf 10 Millionen Euro EU-Fördergelder 2009 heimste sich die Gebag nicht nur neuerliche Finanzprobleme ein, sie blieb zudem unter dem Zwang der öffentlichen Ausschreibungsvorgaben. Mit der Folge, dass die Bauherrin aus Gröhnkes Sicht dann mit der Stahlbau-Arbeitsgemeinschaft, deren drei Firmen mittlerweile alle pleite sind, zwar die preisgünstigsten beauftragen musste, aber damit keine „glückliche“ Wahl traf. Das Millionengrab wurde endgültig zum Desaster, der Kunst-Kubus zur Rost-Ruine. Und jetzt? Gröhnke ist auch ratlos. Und denkt sich: Wenn denn die Silos für Millionen Euro hergerichtet wurden, sollte auch der Hut drauf . . .