Duisburg. Im Casino Duisburg gibt es eine neue Spielform: Gepokert wird bei der neuen Variante, dem “Ultimate Texas Hold’em“, nicht mehr gegen Mitspieler, sondern alleine gegen die Bank. Das Casino will so Besucher anlocken und gegen seinen größten Konkurrenten antreten: die Internetanbieter.

Man kann Andreas Osterkamp eiskalt in die Augen schauen, man kann sich eine Sonnenbrille aufsetzen oder eine beidseitige Gesichtslähmung vorspielen. Es bringt nichts. Osterkamp, den Croupier-Ausbilder aus dem Casino Duisburg, interessiert nicht einmal, was man auf der Hand hält.

Dabei ist Poker eigentlich ein Spiel der Täuschung. Es ist eines der wenigen Kartenspiele, bei denen man trotz eines schlechten Blatts auf der Hand durch geschicktes Bieten gewinnen kann. Auch wenn Profispieler die Wahrscheinlichkeit ihrer Karten genau berechnen können und auf lange Sicht nicht das eiskalte Pokerface, sondern die kühle mathematische Berechnung entscheiden. Denn das Bluffen, die Täuschung, das Pokerface, das sind die Zutaten, die dem Spiel die besondere Würze verleihen und es so erfolgreich gemacht haben.

Gäste spielen nicht mehr gegeneinander

Doch mit der cleveren Täuschung ist es vorbei. Der Bluff ist auf dem Weg zum neuen Tisch im Casino auf der Strecke geblieben. Bei der neuen Variante, dem „Ultimate Texas Hold’em“, spielen die Gäste am Tisch nicht mehr gegeneinander. Sie spielen gegen die Bank, jeder für sich allein.

Eine neue Spielform in einem Casino kommt ungefähr genauso häufig vor wie ein MSV-Bundesligaaufstieg. Nicht umsonst werden Roulette und Blackjack als das „klassische Spiel“ bezeichnet. Jetzt also eine neue Variante, eine Mischung aus Poker und Blackjack. Um die Blicke auf den Tisch zu lenken, steht daneben eine halbnackte Frau, die nur an den wichtigsten Stellen mit dünnem Stoff bandagiert ist.

Casinos müssen sich etwas einfallen lassen

Die Casinos müssen etwas tun, sie müssen sich etwas einfallen lassen. Seit Jahren gehen die Umsätze zurück, die Besucher bleiben aus. Die sieben staatlich lizensierten Casinos der Westspiel-Gruppe, zu der auch Duisburg gehört, erzielten 2006 ein Bruttospielergebnis von 177 Millionen Euro, 2010 waren es nur noch 108 Millionen Euro. Es soll zwar wieder etwas besser geworden sein. Um die neuen Zahlen aber macht Direktor Jochen Braun ein großes Geheimnis. Dafür wird er nicht müde zu betonen, dass Duisburg das größte und erfolgreichste Casino in Deutschland ist. 500.000 Besucher zählt man pro Jahr, fünf Prozent davon spielen Poker.

So funktioniert die neue Spielvariante

Bis zu sechs Spieler haben Platz an dem Tisch. Sie spielen nicht gegeneinander, sondern wie beim Blackjack jeweils einzeln gegen die Bank. Der Mindesteinsatz liegt bei zwei (höchstens 20) Euro, mindestens zwei Felder („Ante“ und „Blind“) müssen gleichwertig besetzt werden. Dann verteilt der Croupier die Karten, wie bei Texas Hold’em erhält jeder Spieler und die Bank zwei verdeckte Karten, danach werden offen erst drei Karten („Flop“) dann zwei weitere („Turn“ und „River“) aufgedeckt. Aus den fünf offen liegenden Karten und den beiden eigenen setzt sich der Spieler das beste Blatt zusammen.
Der Spieler darf nur einmal seinen Einsatz erhöhen („Play“), kann sich aber aussuchen, zu welchem Zeitpunkt. Generell gilt: Je mehr Karten er sieht, desto weniger kann er setzen (Vor dem Flop das 3- oder 4-fache des Blinds, nach dem Flop das 2-fache). Hat der Spieler nach der fünften offenen Karte nicht erhöht, muss er einmal setzen (maximal das 1-fache des Blinds) oder passen. Um zu gewinnen, muss der Spieler also insgesamt mindestens sechs Euro setzen.
Ist sein Blatt besser als das der Bank, gewinnt er das doppelte seines Einsatzes („Ante“ und „Play“), ab einer Straße wird der „Blind“ mit höheren Quoten ausgezahlt.

Die Internetanbieter sind der größte Konkurrent, viele wittern das schnelle Geld, nicht erst seit Pius Heinz bei der „World Series“ die Millionen abräumte. Der Boom wird anhalten, ist Casino-Chef Braun überzeugt: „Wenn auch mit dem unliebsamen Erwachen, dass viele gemerkt haben, dass Poker auch Geld kostet und nicht jeder die Million macht“.

Internet-Turniere locken mit hohen Geldpreisen

Diverse TV-Sender übertragen weiterhin Turniere, und wenn Stefan Raab seine Runde mit B-Promis zockt, ist die Einschaltquote hoch. Die Internet-Turniere locken mit hohen Geldpreisen, die Westspiel-Casinos wollen da nicht länger hinterher stehen. Bei ihrer im Mai startenden „Poker Tour 2012“ gibt es erstmals keinen Sachpreis zu gewinnen, sondern mindestens 50.000 Euro bar auf die Hand.

Die in der ersten Runde kostenlosen Turniere sind das eine, die täglich ab 20 Uhr geöffneten Poker-Tische für die „Cash-Games“ das andere. Es gibt selbst erfahrene Casino-Mitarbeiter, die sich nicht mit ihrem eigenen Geld an den Tisch setzen würden. Das Niveau der Spieler ist hoch. „Viele Gäste trauen sich nicht an den Pokertischen zu spielen, weil die Angst vor den Profis zu groß ist. Die neue Spielvariante bietet ihnen die entsprechende Alternative“, sagt Braun.

In der Schweiz gebe es dieses Spiel in jedem Casino, seit dem Wochenende jetzt auch in Duisburg und Dortmund-Hohensyburg. Kaum ist der Tisch geöffnet, sind die Plätze besetzt, nicht nur wegen der spärlich eingewickelten Frau. Es sind die jungen Pokerspieler, die die Zeit bis zum Start der „Cash Games“ überbrücken. Als das reguläre Pokerspiel beginnt, ziehen sie um. An den Tisch, an dem in der Regel niemand ein Wort sagt, keiner die Miene verzieht, und an dem der Bluff noch zum Spiel gehört.

WAZ Serie: WAZ öffnet Türen

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