Washington/Las Vegas. . Pius Heinz ist bereits dreifacher Millionär. Der 22-jährige Rheinländer ist der erste Deutsche beim Finale der besten neun Pokerspieler der Welt. Nach gut acht Stunden rangiert der Student der Wirtschaftspsychologie unangefochten auf Platz 1. Im Falle eines Gesamtsieges winken ihm 8,7 Millionen Dollar.

Andere in seinem Job kann man an den tief in die Stirn gezogenen Baseball-Kappen erkennen. Am bunten Halstuch. Oder an verspiegelten Sonnenbrillen. Wenn Pius Heinz zur Arbeit geht, sieht er von hinten aus wie einer vom Ku-Klux-Klan und von der Seite wie Luke Skywalker aus „Krieg der Sterne“. Wo der weiße Kapuzenpulli ist, kann der 22-Jährige aus Swisttal-Odendorf bei Bonn nicht weit sein. Seit Samstag ist der Mann mit der Mütze im „Penn & Teller Theater in the Rio” in Las Vegas zu sehen. Hier will er spielend reich werden. Als erster Deutscher bei einer Veranstaltung, die in seinem Beruf so etwas wie Olympische Spiele und Weltmeisterschaft in einem ist: die „November Nine“, das Finale der besten neun Poker-Spieler.

Poker? Wer dabei noch an dubios riechende Männer mit Goldkettchen, Brusthaar-Toupet und verqualmte Hinterzimmer denkt, hat ziemliche alte Karten auf der Hand. Das Spiel, das zu 70 Prozent aus Strategie, Mathematik und Psychologie besteht - 30 Prozent sind nach Meinung erfahrener Spieler Glück - hat via Internet einen weltweiten Boom ausgelöst. War bei der WM 1970 der Hauptpreis noch eine Silbertasse, so werden bei der diesjährigen World Series of Poker (WSOP) zweitstellige Millionen-Preisgelder ausgezahlt. Pius Heinz hat bereits vor dem ersten Blatt 780 000 Dollar sicher. Gewinnt er, und das ist kein Bluff, geht der zurzeit pausierende Student der Wirtschaftspsychologie mit 8,7 Millionen Dollar nach Hause.

Der Fisch legt den Hai herein

Wie kommt ein Rheinländer in den Zocker-Olymp? Fünf Jahre her, erinnert sich Heinz in Interviews, da ging es mit Kollegen vom Städtischen Gymnasium Rheinbach am Küchentisch los. “Für fünf oder zehn Cent.” Bei einem Turnier im Internet gewann er im vergangenen Jahr 44 000 Euro. Vor ein paar Monaten dann das erste Live-Turnier. 60 000 Euro Prämie. Heinz, dessen Vorname "der Fromme" bedeutet, leckte Blut. Der Moneymaker-Faktor kam ins Spiel. Chris Moneymaker, pausbäckiger Buchhalter aus Tennessee, verkörpert die Essenz der Poker-Mythologie, seit er 2003 in Las Vegas 2,5 Millionen Dollar einstrich. Die 10 000 Dollar Startgebühr hatte er sich über ein 39 Dollar teures Qualifikationsturnier im Internet beschafft. Im entscheidenden Augenblick legte der “Fisch” (Amateur) Moneymaker den “Hai” (Profi) Sam Farha mit einem legendären Bluff herein: Er setzte mit nur einem König als höchster Karte alles auf selbige – und gewann.

Über Pius Heinz’ Spielweise wird in den einschlägigen Foren heiß diskutiert. Man attestiert ihm die Fähigkeit, Menschen zu lesen, etwas in ihren Gesichtern zu erkennen. Poker-Spieler nennen das den “Tell”. Die Grundvoraussetzung bringt er ohnehin mit: Gute Pokerspieler müssen rational mit Risiken umgehen können und diszipliniert sein. Sie müssen auch unter Druck schnelle Entscheidungen treffen. Heinz, der in Las Vegas Mutter, Schwester und 25 Kumpel an der Seite hat, ließ sich von Johannes Strassmann, der in Bonn aufgewachsen ist und selbst zu Europas besten Poker-Spielern gehört, fit machen für das Finale in Nevada. Weil vor Dienstag der Sieger voraussichtlich nicht festsstehen wird – Internet-Live-Stream auf www.wsop.com - , ist Kondition gefragt, körperlich wie geistig.

Jedes Lidzucken kann verräterisch sein

Seine Gegner kommen aus sechs Ländern. Mit Heimvorteil starten Matt Giannetti, Phil Collins und Ben Lamb. Die drei Amerikaner, alle 26, alle aus Las Vegas, gelten als favorisiert. Vor allem Lamb, der kürzlich binnen sechs Wochen zwei Millionen Dollar gewonnen hat, wird einiges zugetraut. Er ist einer der wenigen, die auf die optischen Spirenzchen verzichten, um dem Gegner keine Anhaltspunkte zu geben. Weil jede Bewegung mit den Händen, dem Mund, weil jedes Zucken der Halsschlagader oder des Augenlides verräterisch sein kann, verbergen viele Profis ihre Absichten hinter Brillen und Mützen. Oder eben Kapuzen. Pius Heinz behält sie auf und darunter einen kühlen Kopf. “Ich spüre überhaupt keinen Druck”, sagte er dem Fernsehsender ESPN, “was passiert, passiert.”

Und die Strategie ist jetzt schon von Erfolg gekrönt: Pius Heinz ist bereits dreifacher Millionär. Der 22-jährige Rheinländer hat bereits am ersten Turniertag im Penn & Teller Theater des Rio-Hotels in Las Vegas alle Erwartungen übertroffen. Als Siebter von neun Startern mit 17 Millionen Chip-Punkten in den Wettbewerb gegangen, rangierte der wie immer im weißen Kapuzen-Pulli steckende Student der Wirtschaftspsychologie nach gut acht Stunden mit 85 Millionen Chip-Punkten unangefochten auf Platz 1. Heinz ließ damit so bekannte Poker-Gesichter wie Phil Collins (USA), Eoghan O’Dea (Irland), Badih Bounahra (Bleize) und Anton Makijewski (Ukraine) hinter sich. Im Beisein seiner Mutter, seiner Schwester und einiger Schulfreunde bestach Heinz durch seine aggressive Spielweise, die den meist regungslos am Tisch sitzenden Kontrahenten wie auch den Live-Kommentatoren des Sender ESPN Stunde um Stunde mehr Respekt abrang.

Im Finale gegen US-Poker-Profis

Heinz hat vor der entscheidenden Runde der letzten Drei, die Dienstagabend stattfindet, bereits Einnahmen von über drei Millionen Dollar sicher. Seine voraussichtlichen Gegner werden die US-Poker-Profis Matt Giannetti und Ben Lamb sein, beide aus Las Vegas. Im Falle eines Gesamtsieges winken dem in Odendorf bei Bonn geborenen Heinz 8,7 Millionen Dollar. In punkto Preisgeld ist Heinz bereits jetzt der bisher erfolgreichste Deutsche.