Duisburg. Tag gegen Lärm: Auch der ganz normale Alltagslärm kann auf Dauer das Gehör schädigen, wenn man ihm keine Erholung gönnt.

Hören Sie das? Hören Sie mal genau hin, heute am Internationalen Tag gegen Lärm, was Ihre armen Ohren so alles ertragen müssen. Verkehrslärm auf den Straßen, Musikberieselung beim Einkauf in jedem Geschäft, Pausengedudel in der Telefonwarteschleife, Handygeklingel in allen Varianten und dröhnende Werbebotschaften bei jeder Spielfilmunterbrechung in privaten Fernsehsendern. Alles ganz normal, aber auf die Dauer für die Hörfähigkeit belastend oder gar schädigend.

„Unser Leben heute ist wesentlicher lauter, unruhiger als noch vor zehn Jahren, und die akustische Belastung ist viel größer“, sagt Lothar Claußen, Hörakustiker aus Rheinhausen. „Da unsere Ohren immer in Betrieb sind, kann schon der alltägliche Lärm auf Dauer Auswirkungen aufs Gehör haben. In der ersten Phase strapaziert er das Nervenkostüm und produziert leichten Stress, in der zweiten Phase hat Dauerbelastung aber Folgen, die messbar sind.“

Schwerhörigkeit schreitet langsam voran

Allerdings müsse man den schädlichen Einfluss des Lärms von mehreren Seiten betrachten, so Claußen. „Was ist denn bitte Lärm? Nicht nur die Zusammensetzung der Laute, sondern auch die persönliche Einstellung ist dafür ausschlaggebend, was als Lärm empfunden wird.“ Wenn man sich abends in der Kneipe beim gemütlichen Bierchen mit 80 Dezibel statt der für Gespräche üblichen 60 bis 70 Dezibel unterhalte, würde das kaum jemand als Lärm empfinden. Die Bohrmaschine des Nachbarn, die es auf gut 90 Dezibel bringt, indes schon.

Wichtig sei, auf die Erholung für das Ohr zu achten. In einer geräuscharmen Umgebung zu schlafen (30 bis 40 Dezibel) gönne dem Gehör die Ruhe, die die Nervenenden zur Regeneration brauchen.

"Alarmstufe Rot" bei Köpfhörern

Wer sich hingegen freiwillig noch stärkerer Dauerbelastung aussetzt, laufe Gefahr, sein Gehör nicht umkehrbar zu schädigen. „Das betrifft auch die nachfolgenden Generation von Jungen Leuten mit den Stöpseln in den Ohren.“ Nach vier, fünf Jahren Dauerbeschallung des Trommelfells seien messbare Schäden wahrscheinlich, sagt Claußen. Die Kopfhörer des MP3-Players im Ohr bedeutet für Claußen „Alarmstufe Rot“: „Die Knöpfe im Ohr, die man sogar noch maßgeschneidert bekommen kann, verstopfen die Gehörgänge und erzeugen einen riesigen Schalldruck.“ Das seien gut und gerne 80 bis 100 Dezibel Dauerbeschallung, die nicht ohne Folgen bleiben.

Umso mehr freut es Claußen, dass er zunehmend junge Kunden im Laden hat, die sich vor Konzerten (120 Dezibel, egal ob es ein Rockkonzert ist, oder Helene Fischer singt) oder als Bandmitglieder einen Hörschutz besorgen. Claußen: „Eine gute Maßnahme, denn das Schlimme ist ja, das Ohr zu schädigen tut erst mal nicht weh.“

Lärmschwerhörigkeit entsteht über Jahre

Das sieht Andrea Emde, Hörgeräteakustik-Meisterin aus Marxloh ähnlich: „Wenn die Schädigung des Gehörs weht täte, würden viele Leute eher zu uns kommen.“ So aber würden viele ihre Hörschäden erstmal nicht wirklich wahrnehmen. Andrea Emde: „Lärmschwerhörigkeit entsteht über Jahre. Deshalb kommen die Leute spät, weil es so langsam voranschreitet.“ Zuerst gingen die höchsten Töne verloren, was aber auch bei der Altersschwerhörigkeit der Fall sei. Deshalb sei es auch schwierig, den Auslöser für die Beeinträchtigung des Hörens genau zu bestimmen.

Wie Hörgeräteakustikerin Stefanie Scheidt aus Buchholz sieht auch Andrea Emde zukünftige Kunden mehr unter jungen Leuten: „Die kleinen Hörstecker machen schon einen Wahnsinnskrach, der fürs Ohr schädigend ist.“

Und Stefanie Scheidt meint: „Die IPod-Generation wird sich damit selbst ein Bein stellen.“

Was die Stadt Duisburg gegen den Lärm unternimmt

Wenn der Nachbar nebenan den Rasen mäht, liegt der Lärmpegel ungefähr bei 70 Dezibel. Mehr als 5700 Duisburger sind einer solchen Lautstärke an knapp 150 Punkten im Stadtgebiet ausgesetzt. Die größte Lärmquelle in Duisburg ist der Straßenverkehr. Eine EU-Richtlinie zwingt die Stadt diesen Lärm zu kartieren und dagegen anzukämpfen. Die Stadt hat deshalb sogenannte „Lärmaktionspläne“ verfasst. Seit vier Jahren wird kartiert, das stadtweite Puzzle ist allerdings immer noch nicht vollständig zusammengesetzt.

Für vier Stadtteile gibt es Aktionspläne — was nicht heißt, dass es leiser wird

Pläne gibt es bereits für Walsum, Hamborn, Meiderich und Mitte. Auch die Bevölkerung wird befragt, Bürger in den Stadtbezirken Homberg und Süd können sich noch bis Donnerstag äußern oder Vorschläge machen. Am einfachsten geht das über die städtische Internetseite. Ein weißer Fleck auf der Karte ist dagegen noch der Stadtbezirk Rheinhausen, der als letzter an die Reihe kommt. Doch selbst wenn alle Aktionspläne fertig sind, bedeutet das noch lange nicht, dass es dann auch leiser wird.

So gibt es auch Maßnahmen-Kataloge für die Stelle in der Stadt, an der es am lautesten ist: Die meisten Lärmgeplagten wohnen in der Innenstadt, genauer gesagt am Sternbuschweg und in der Kremerstraße. Teilstücke des Sternbuschwegs sollen deshalb zur Tempo 30-Zone werden, doch selbst das mindert den Lärm nur um zwei bis drei Dezibel. Ein ähnliches Ergebnis würde der Flüsterasphalt bringen.

Das kostet allerdings ebenso jede Menge Geld wie auch alle anderen Maßnahmen, die unter dem Begriff „Langfristige Strategie“ wohl noch Jahre auf Umsetzung warten: Eine Schallschutzmauer zur nahe gelegenen Güterbahntrasse würde den Lärm um 20 Dezibel, die Schallschutzwände sogar um bis zu 42 Dezibel reduzieren. Doch bis dahin bleibt es wohl erst einmal laut. Nicht nur heute, am Tag gegen Lärm.