Duisburg. Das Diakoniewerk hat das Haus einer klagenden Nachbarin, die den Einzug eines Obdachlosenheims an der Ruhrorter Straße in Duisburg-Kaßlerfeld per Gerichtsurteil gestoppt hatte, kurzerhand gekauft. Nach dem Umbau zählt das Gebäude zu den ansehnlichsten in der Straße. 35 Obdachlose sollen einziehen.

Das kennt man eigentlich nur aus der harten Ökonomie: Kauf deinen missliebigen Konkurrenten einfach auf. Das Diakoniewerk hat die robuste Marktdevise sozial abgewandelt und damit sein neues Übergangsheim für Obdachlose in Kaßlerfeld gerettet. Diakonie-Chef Sieghard Schilling hat einer klagenden Nachbarin, die das Projekt per Gerichtsurteil gestoppt hatte, kurzerhand ihr Haus abgekauft. Jetzt kann die Wohngemeinschaft im Mai öffnen.

Schilling bleibt dabei: Das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes von Juni 2011 war und bleibt „ein Skandal“. Der Richter hatte das geplante Obdachlosenheim an der Ruhrorter Straße nahe des Kreisverkehrs gestoppt und der Klägerin Recht gegeben, dass die Nachbarschaft von Obdachlosen für das Stadtviertel eine unzumutbare Belästigung sei.

Das Diakoniewerk schien vor einem Desaster zu stehen. Nach langer Suche hatte sie endlich die Immobilie an der Ruhrorter Straße gefunden und gekauft. Alles in allem eine Millionen Euro sollte die Sanierung und der Umbau das Jahr leer stehenden Gebäude kosten, das Wohnprojekt für Obdachlose werden sollte.

Das alte Heim war praktisch schon gekündigt

Das bisherige – marode – „Haus am Hafen“ war praktisch schon gekündigt. Der weitere Klageweg durch die Berufungsinstanzen hätte aber mindestens zwei Jahre Zeit gekostet. Also bot das Diakoniewerk der klagenden Nachbarin an, ihr das Haus abzukaufen. Sie verkaufte. Und Schilling fühlt sich nicht mal über den Tisch gezogen: „Der Preis war marktüblich.“

Danach konnte der Umbau weiter gehen. Jetzt ist er weitgehend abgeschlossen, zählt das Gebäude mit seiner weißen Putzfassade und seinen bunten Zierelementen zu den ansehnlichsten an der vielbefahrenen Straße. Ohnehin, Schilling – selbst Kaßlerfelder und dort groß geworden – will das Übergangsheim in den Stadtteil integrieren, Normalität schaffen, auch für seine sozial gewiss nicht einfache Klientel: „Wir wollten mit Absicht nicht in die Peripherie. Wir dürfen Menschen, denen es nicht gut geht, nicht einfach verstecken.“ Duisburgs Konzept der Wohnungslosenhilfe, die als beispielhaft gilt, handelt nach der Leitfrage: Wie sollen sich Randgruppen der Gesellschaft wieder ins Leben integrieren können, wenn sie sozialen Alltag und seine Regeln nicht leben können?

Das Heim ist nur eine Unterkunft auf Zeit

So sollen ab Ende Mai 35 Obdachlose in die Einrichtung einziehen. Sie leben in Einzelzimmern auf vier Etagen in Wohngruppen mit gemeinsamen Küchen. Betreut von Sozialarbeitern und Hauswirtschafterinnen. Mit klassisch-hilfloser Übernacht-Unterkunft von Obdachlosen hat das wenig gemein. „Übergangsheim“ nennt sich die Einrichtung nicht ohne Grund. Denn es ist eine Unterkunft auf Zeit, nach den Monaten an der Ruhrorter Straße sollen die Obdachlosen nicht mehr Obdachlose sein, sondern normale Mieter.

Überall in der Stadt oder auch nebenan, im gekauften Haus der Klägerin, dessen Wohnungen das Diakoniewerk „ganz normal“ vermieten will. Die bisherigen Mieter links und rechts, berichtet Schilling, hätten da im Übrigen keine Einwände, hätten auch keine Angst, wie das Gericht argwöhnte.