Duisburg. .
Die Kosten für das umstrittene Loveparade-Gutachten waren doppelt so hoch wie das Jahresbudget der Stadt für Rechtsgutachten. Der versuchte Buchungstrick verstößt gegen die Vorschriften, weil der Stadtrat den Mehrkosten hätten zustimmen müssen.
Neun Anwälte, 900 Stunden Arbeit, eine Rechnung über 420.260,15 Euro und am Ende die Frage, was die 130 Seiten Papier überhaupt wert sind: Das teure Gutachten der Stadt zur Loveparade-Katastrophe erkennt bei der Stadtverwaltung keinerlei Fehler, die zum Tod von 21 Menschen und zu mehr als 500 Verletzten geführt haben könnten. „Eine Fleißarbeit, die auch Azubis im 3. Lehrjahr hätten schreiben können“, spottete Hermann Dierkes (Linke) in einer Ratssitzung. Fakt ist: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen elf Mitarbeiter aus dem Rathaus.
Einen Tag, nach dem die NRZ die genauen Kosten der Expertise ans Licht brachte, ist der Sturm der Entrüstung in Duisburg groß. Die Stadt, die sich trotz mehrfacher Aufforderung des Landesdatenschutzbeauftragten der Offenlage der Honorarsumme bis dato widersetzte, übte sich am Freitag in Schadensbegrenzung. Bei den erwähnten 420.260,15 Euro handele es sich nicht allein um die Kosten für das Gutachten, sondern auch um „sonstige Mandatierungskosten“. Was die 130 Seiten Papier denn gekostet haben, konnte die Stadt aber auch nicht beantworten: Die Kanzlei habe insgesamt 900 Stunden Arbeit in Rechnung gestellt, ohne sie genauer aufzuschlüsseln.
Stadtdirektor Greulich
unterschrieb Auftrag
Die Düsseldorfer Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer & Wojtek zu beauftragten, die bei einer ganzen Reihe an Projekten für die Stadt Duisburg tätig ist, habe der gesamte Verwaltungsvorstand um OB Adolf Sauerland beschlossen, erklärte die Stadt auf NRZ-Anfrage. Unterschrieben hätten den Auftrag Stadtdirektor Peter Greulich und der Leiter des Rechtsamtes. Der Zeitaufwand für die Expertise sei damals noch nicht abzuschätzen gewesen, die Stadtspitze ging davon aus, dass der Standard-Topf im Haushalt für Anwalts- und Gerichtskosten reichen würde.
Ein fataler Irrtum, wie sich herausstellte: Die Kosten waren am Ende doppelt so hoch wie das gesamte Jahresbudget der Stadt für Rechstgutachten.
Der Plan der Verwaltung: Die Rechnung sollte über die Haushaltsstelle verbucht werden, in der die Soforthilfe der Axa für die Loveparade ausgewiesen war. Denn die bereitgestellten Gelder waren übrig, weil sie an anderer Stelle bereits mit der Versicherung verrechnet waren.
Doch der Buchungstrick verstößt gegen die Vorschriften, wie sich ausgerechnet in der Sommerpause herausstellte. Denn der Stadtrat muss zustimmen, wenn die Mehrkosten 300.000 Euro übersteigen. Und während die Lokalpolitik im Urlaub weilte, verfassten Stadtdirektor Peter Greulich und Rechtsdezernent Wolfgang Rabe einen „Dringlichkeitsbeschluss“. Begründung: Die Eile sei geboten, weil die Stadt sonst nicht ihren Jahresabschluss fertig stellen könne. Statt der Zustimmung des Rates reichen zwei Unterschriften der beiden größten Fraktionen.
„Der Rat muss dieser Stadtspitze endlich Einhalt gebieten“
Um diesen Beschluss wird jetzt rechtlich gerungen. Unklar ist, ob die beiden Unterschriften nur die reine Verbuchung der längst bezahlten Anwaltsrechnung genehmigen, oder ob sie im Nachhinein die horrenden Kosten politisch legitimieren. Die Reaktion der Politik war am Freitag jedenfalls eindeutig: „Es ist ein Unding, dass der Rat etwas Unrechtmäßiges im Nachhinein wieder heilen soll“, sagte Peter Bettermann, Ratsherr der Bürgerlich-Liberalen. Grünen-Sprecher Matthias Schneider: „Der Rat muss dieser Stadtspitze endlich Einhalt gebieten“.