Duisburg. .
Wojtek Nawrot und Timo Beelow richten am Wochenende die erste Weltmeisterschaft im Crossboccia im Landschaftspark Nord in Duisburg aus. Gespielt wird mit abwaschbaren Säcken, die mit Granulat gefüllt sind.
In hohem Bogen fliegt der weiße Zielball aus dem Treppenhaus eines Hochofens. Er prallt auf einen Müllcontainer, landet platschend in einer Pfütze. Beim normalen Boccia undenkbar, bei der Cross-Variante dieser Sportart eine ganz normale Spielsituation. „Das macht nichts, die sind abwaschbar“, sagt Timo Beelow. Er wirft seinen ersten Ball. Dieser entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als Sack, der mit Granulat gefüllt ist. Trotz ansehnlicher Flugkurve rollt er am Ziel vorbei. „Der war nichts“, kommentiert Spielpartner Wojtek Nawrot und schmeißt seinen eigenen Ball hinterher. „Für die WM musst du noch üben.“
Wojteks Spruch ist nicht ganz ernst gemeint, zum Üben haben die beiden ohnehin kaum noch Zeit: Schon an diesem Wochenende steigen die ersten Weltmeisterschaften im Crossboccia. Und an der WM im Landschaftspark Nord nehmen sie nicht nur teil, sie richten das Turnier sogar aus.
Sprücheklopfen gehört dazu
Zurück auf die Trainingspiste: „Ein bisschen Sprücheklopfen gehört eben dazu“, meint Nawrot und grinst. Die beiden kennen sich seit der Schulzeit, sind gute Freunde – Foppen ist also erlaubt. Zwischen dem ganzen Organisieren, Telefonieren und Pressegesprächen tut es den beiden gut, mal wieder einfach nur zu spielen. Den jungen Männern aus Wuppertal ist anzumerken, dass sie den Sport vor allem aus Leidenschaft betreiben. „Am Wochenende touren wir oft durch die Region“, erzählt Nawrot. „Man kann genauso gut im urbanen Raum spielen wie in einem Wald.“
Die Idee zum Crossboccia kam Timo Beelow vor zwei Jahren. Ähnlich wie das bekanntere Crossgolfen ist es an eine bestehende Sportart angelehnt. Das Prinzip ist gleich: Es gewinnt derjenige, der seine eigenen Kugeln am nächsten an einen Zielball – den so genannten Marker – bugsiert.
50.000 Crossboccia-Spieler in Europa
Doch Unterschiede gibt es allerlei: „Zunächst darf man Hindernisse verwenden – also die Spielbälle auf Bänke, Treppen oder Dächer werfen. Auch Würfe durch die Beine oder hinter dem Rücken sind erlaubt, eben alles, was einem einfällt“, sagt Beelow. Dazu gibt es „Combos“, angelehnt an das System von Konsolenspielen: Berühren sich die Spielbälle eines Spielers, kann man zusätzliche Punkte sammeln. Damit sie nicht wegrollen, bestehen sie aus Stoffmänteln, gefüllt mit Granulat.
Mittlerweile hat sich aus der Idee ein regelrechtes Netzwerk gebildet. Gut 50.000 Crossboccia-Spieler gibt es in Europa. Für den perfekten Spielspaß brauchen sie natürlich alle Granulatsäcke – und die muss jemand produzieren. Die Jux-Idee ist für die beiden zum Beruf geworden: Zusammen führen sie ein Unternehmen und verkaufen Zubehör. „Das Studium steht seitdem still“, sagt Nawrot, der den Titel des bayrischen Landesmeisters trägt.
Mehrere Startpunkte
Weil er die erste Runde gewonnen hat, darf Beelow den nächsten Spielort aussuchen. „Die Freiheit ist der wichtigste Grundgedanke der Sportart“, erklärt er, während seine Augen die Umgebung nach einem guten „Spot“ absuchen. Bei der WM wird es mehrere Startpunkte geben, von dort können sich die Spieler dann beliebig auf dem Gelände ausbreiten. „Man kann kreativ sein, in alle Richtungen denken.“
Der Sportart-Erfinder denkt vor allem gerne in eine Richtung: nach oben. Hinter dem stillgelegten Schalthaus Ost hat er eine Metallrampe gefunden, die noch von einem Radrennen im Landschaftspark stammt. Er läuft hinauf und schaut sich um. „Das war ja klar“, meint sein Kollege. „Immer wenn er was Neues entdeckt, muss er es bespielen.“