Duisburg-Röttgersbach. . Sie hatte eine Hirnoperation mit Infektion, braucht regelmäßige Kontrollen - doch weil sie Kassenpatientin ist, muss Ingrid Bonertz aus Duisburg monatelang auf einen Termin beim Neurologen warten.

Georg Bonertz (61) ist nicht der Mann, der sich mit Floskeln abspeisen lässt. Auch und gerade nicht, wenn es um das Thema Gesundheit geht. Denn der Vorruheständler, der mit Frau Ingrid (58) im Röttgersbach in einem idyllischen Seitensträßchen lebt, war im Berufsleben Geschäftsführer eines katholischen Altenheimes in Essen.

Derzeit beschäftigt den engagierten Mann weniger der Pflegenotstand, mit dem sich nachfolgende Generationen in seinem Fach herumschlagen müssen, als der „Ärztenotstand“ und die „Zwei-Klassen-Medizin“.

Hirntumor und Infektion

Etwas über drei Jahre ist es her, da begann Ingrid Bonertz unter Gleichgewichtsstörungen und anderen Ausfallerscheinungen zu leiden. Als diese so heftig wurden, dass die sportliche Frau am helllichten Tage auf offener Straße stürzte, konsultierte sie einen Arzt. Der Oberhausener Neurologe wies die Frau sofort ins Krankenhaus ein. Ingrid Bonertz wurde ein schnell wachsender Hirntumor diagnostiziert, der ihr schließlich in der Uniklinik Münster entfernt wurde.

Die schlimmste Leidenszeit begann für die Familie Bonertz nach der Operation, denn die Kopfwunde hatte sich im Krankenhaus mit Keimen infiziert, es kam zu schwersten Komplikationen in deren Verlauf die Duisburgerin mehrfach erneut operiert werden musste. Glück im Unglück: Die Heilung verlief wesentlich besser, als erwartet.

Heute ist die Frau zu 50 Prozent schwerbehindert, hat das Gehör einseitig eingebüßt, kann aber schmerzfrei und ohne große Einschränkungen in Sachen Lebensqualität den Ruhestand genießen. Damals in der Klinik wurde ihr gesagt, dass regelmäßige Kontrollen wichtig seien. Und genau da beginnt das Problem der Eheleute Bonertz. „Nach drei Jahren sollte ich zur Nachuntersuchung beim Neurologen“, sagt Ingrid Bonertz, „seit Mitte Mai versuche ich nun vergeblich, einen Termin zu bekommen.“

Der Arzt rief nicht zurück

Ingrid Bonertz wendete sich zuerst an den Neurologen ihres Vertrauens in Oberhausen, der sie damals ins Krankenhaus eingewiesen hatte. Dort erklärte die Sprechstundenhilfe, dass generell keine Duisburger mehr behandelt würden, sondern nur noch Patienten aus Oberhausen und speziell Sterkrade. Das Ehepaar dachte, es sei bei der versteckten Kamera gelandet.

Auf Nachfrage von Herrn Bonertz rief der Arzt nicht zurück. Nächster Versuch: In der Praxis eines Hamborner Neurologen will man der Schwerbehinderten immerhin einen Termin geben: „Da geht frühestens etwas im Vierten Quartal, Ende Oktober oder so...“ Die Praxis sei total ausgebucht, der Terminplan überlaufen. Georg Bonertz will sich damit nicht abfinden und macht einen Test: Er ruft Stunden später noch mal in Hamborn an und gibt sich als Privatpatient aus. „Privat versichert? Wie wäre es denn übermorgen? Passt ihnen das?’ habe ich da als Antwort bekommen“, sagt der ehemalige Manager: „Skandalös!“

"Privatpatienten sind ein wichtiges Standbein"

Auch die dritte Neurologen-Praxis kennt kein Erbarmen mit der behinderten Frau, die so schwer erkrankt war. „Mitte September“, war das Angebot zur Güte. Georg Bonertz, der sich als Geschäftsführer aus Überzeugung für die gesetzliche Krankenversicherung entschied, ist entsetzt: „Das kann doch nicht richtig sein!“

„Es ist völlig in Ordnung, dass Ärzte für Privatpatienten Termine vorhalten, denn schließlich sind die wenigen Privatpatienten ein wichtiges Standbein für den niedergelassenen Arzt“, sagte eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein auf Nachfrage der Redaktion, „deswegen halten sich viele Arztpraxen völlig zu Recht ein kleines Kontingent an Terminen für dieses Klientel frei.“.

Es sei bedauerlich, dass sich die Erfahrungen der Familie Bonertz vom landesweiten Trend deutlich unterschieden: „In der neuesten Studie der BKK zu dem Thema wird klar bewiesen, dass Privatpatienten heutzutage wesentlich seltener bei der Terminvergabe bevorzugt werden, als es früher der Fall war.“

Arzt-zu-Arzt-Gespräch kann hilfreich sein

Generell sei es so, dass die Wartezeiten für Kassenpatienten in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen seien, sagte die Sprecherin. Den Einzelfall Ingrid Bonertz findet die Sprecherin bedauerlich: „Eigentlich dürfte es das in dieser Form nicht geben.“ Im Falle des Oberhausener Arztes, der angeblich nur noch Patienten aus Sterkrade behandeln will, ist auch die Sprecherin ratlos: „Ich kann mir das nur so erklären, dass der Arzt selbst sicher anders reagiert hätte als die Sprechstundenhilfe.“

In so einem Fall sei es ratsam, den Hausarzt in die Kommunikation mit einzubeziehen: „Wenn es sich um Fälle mit einschlägig schwerer Vorerkrankung handelt, ist es immer gut, wenn der Hausarzt sich selbst mit einem Spezialisten in Verbindung setzt.“ Dies erleichtere oft Kommunikation und Terminvergabe: „Im vorliegenden Falle würde ich dazu raten.“