Duisburg. .
Es klingt ein wenig nach „Der letzte Mohikaner“: Dr. Rolf-Dieter Rössler ist der einzige Augenarzt im Bereich Hamborn, Neumühl und Marxloh. Hier leben rund 70 000 Menschen. Die Wartezeit für einen Untersuchungstermin beträgt rund drei Monate. Das Wartezimmer ist trotzdem überfüllt, denn einen Notfall würde er niemals abweisen.
„Wenn ich jetzt einen Termin machen will, muss ich darauf bis Mai warten“, empört sich Patientin Gundula Gedig. Doch ihre Empörung richtet sich nicht gegen den letzten Augenarzt von Hamborn, sondern gegen die Kassenärztliche Vereinigung, die nicht verhindere, dass Augenärzte sich zur Stadtmitte und in den vermeintlich lukrativen Süden der Stadt orientieren oder sich einer Klinik wie der im Tausendfensterhaus anschließen.
Niederlassungsfreiheit für Fachärzte
„Das ist politisch so gewollt“, verteidigt Karin Hamacher, Pressereferentin der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ihren Arbeitgeber. Auf Stadtebene herrsche Niederlassungsfreiheit für Fachärzte. Außerdem gebe es eine Tendenz hin zu „Berufsausübungsgemeinschaften“, also Gemeinschaftspraxen. Das mache vor dem Hintergrund des Kostendrucks auch eigentlich für viele Ärzte betriebswirtschaftlich Sinn. Eine solche Einrichtung gibt es in zum Beispiel in Walsum (vier Augenärzte).
Ein Zulassungsausschuss - besetzt je zur Hälfte von Ärzteschaft und Krankenkassen - verteilt „Sitze“ für Ärzte. Für je 20.000 Einwohner gibt es zum Beispiel einen Augenarzt-Sitz. Das wären für den Duisburger Norden bei circa 200.000 Einwohnern zehn Sitze. Und rein rechnerisch sind diese Sitze auch da. Was jedoch nach Angaben von Karin Hamacher passiert: Ärzte schließen sich zusammen oder finanzstarke Medizinische Zentren bzw. Gemeinschaftspraxen kaufen Sitze; zum Beispiel wenn ein Arzt in den Ruhestand gehen will. Dann arbeitet er noch eine Zeit als Angestellter, nach dem Ausscheiden bleibe der Sitz jedoch beim Käufer.
Patientendruck erhöht sich
Ein zweiter Aspekt kommt hinzu: Wird ein bislang „konservativ“ arbeitender Augenarzt Teil eines nur noch „operativ“ arbeitenden Ärzteteams wie zum Beispiel im Tausendfensterhaus, ist sein „Sitz“ für alle anderen - eben „konservativen“ - Untersuchungen verloren. Vereinfacht gesagt: Operation am Auge: ja, Routine-Untersuchungen: nein. Durch diese Verschiebungen erhöht sich dann der Patientendruck auf die noch existierenden „konservativen“ Praxen und es entstehen lange Wartezeiten.
„Dafür hat nicht jeder Verständnis“, schildert Gundula Gedig Szenen, die sie an der Rezeption in der Augenarztpraxis mitbekommen hat. Und die Worte, die fallen, zeugten bei einigen Patienten, die nach einem Termin fragen, nicht gerade von Einsicht.
Die „Operateure“ verdienen laut KV meist gut, die konservativ behandelnden Ärzte eher schlecht. Beispiel Dr. Rössler: „Ich bekomme pro Kassenpatient im Quartal 16 Euro - egal, wie oft er in diesen drei Monaten behandelt werden muss.“ Und das für eine Arbeitszeit von durchschnittlich zehn oder mehr Stunden am Tag. Nicht selten, so Dr. Rössler, verlasse der letzte Patient vom Vormittag das Behandlungszimmer kurz vor Beginn der Nachmittagssprechstunde. Und wären da nicht noch einige Privatpatienten, die zwischen 50 und 70 Euro im Quartal einbringen, müsste er seine Praxis zumachen: „Die Privatpatienten retten die Praxis.“ Deshalb bringt ihn auch die jüngste Diskussion über Strafen für Ärzte, die Privatpatienten bevorzugt Termine geben, auf die Palme.
Augenärzte protestieren
Vielleicht wäre die Anerkennung eines „Sonderbedarfs“ im Duisburger Norden eine Lösung, wie sie es bereits auch im Duisburger Westen der Fall war. Dadurch würde sich die Zahl der Arztsitze für den Duisburger Norden erhöhen. Doch das ist auch nicht unproblematisch, erinnert sich Karin Hamacher: „Dagegen protestierten die Augenärzte im Duisburger Süden, weil sie noch Kapazitäten frei hatten.“
Hier kommt wieder Patientin Gundula Gedig ins Spiel: Es sei doch unzumutbar, schimpft sei, wenn vor allem ältere Patienten aus dem Norden mit ihrem Rollator durch die halbe Stadt fahren müssten, um einen Augenarzt aufzusuchen.