Duisburg. .
„Unseren Bürgermeister schicken wir ins Sau-, Sau-, Sauerland“, kalauern die umstrittenen Duisburger Polit-Popper von „Die Bandbreite“. Das Video zum Protestsong gegen OB Sauerland drehte die Band am Rosenmontag. Es zeigt Narren als Revolutionäre.
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Für manche ist Marcel Wojnarowicz ein netter Freak, für andere ein unseriöser Verschwörungstheoretiker. Für die meisten aber ist er der Spaßvogel, der ihre Heimatstadt besungen hat. „Dat is Duisburg“ ist der größte Hit von „Wojnas“ Band „Die Bandbreite“ und die inoffizielle Hymne der Stadt. Mehr als eine Million Mal wurde das Video zum Heimatlied seit Dezember 2007 im Netz angeklickt. Obwohl der 34-Jährige seine Stadt liebt, war schon „Dat is Duisburg“ keine Jubelarie. Nun hat er Oberbürgermeister Adolf Sauerland besungen. Dabei herausgekommen ist… Volksmusik (siehe Video am Textende).
So manchen wird es gewundert haben, dass sich Wojna und DJ Torben (Eckhoff) erst ein dreiviertel Jahr nach der Loveparade-Tragödie öffentlichkeitswirksam zu Wort melden. Schließlich gibt’s weit und breit keine Band, die ihre Meinungs- und künstlerische Freiheit über politische und musikalische Schmerzgrenzen hinweg so sehr genießt wie das umstrittene Duo. Und noch nicht mal Magath und Westerwelle sind wohl häufiger aus dem Amt gewünscht worden als Sauerland. Aber eine Gaudi hat im Fall des CDU-Politiker noch keiner draus gemacht.
Sein Schunkelsong „Sauerland“ solle „eine Aufforderung zum friedlichen Widerstand“ sein, sagt Wojnarowicz. Dass der Protest gegen die Stadtspitze zumindest auf der Straße wenige Wochen nach dem 24. Juli verstummte, kreidet er den Duisburgern nicht an: „Viele haben eigene Probleme. Da fehlt oft die Kraft, sich zu scheinbar aussichtslosem Protest aufzuraffen.“
Der „Duisburg-Assi“ schunkelt in Feinripp mit
Drum macht sich Wojnarowicz die Welt, wie sie ihm gefallen würde: Das Musikvideo zu „Sauerland“ zeigt, wie die Duisburger ihren ersten Bürger aus der Stadt jagen – „ins Sau-, Sau-, Sauerland“. Wojna mimt – mit echtem Bart und falschem Bauch – den OB in Panik. Und die Narren des Rosenmontagszuges müssen als Volk herhalten, das den Umsturz auf den Straßen feiert. Schließlich übertönt die Stimme eines Reporters das Schifferklavier des Schunkelsongs: „Nach den Aufständen in den arabischen Ländern schlägt die Revolution nun auch in den Westen über.“ Und mit den Duisburgern freut sich im Video das Alter Ego des Sängers, der „Duisburg-Assi“. Der Schnauzbartträger hatte im Feinripp-Unterhemd schon über Duisburg hergezogen, im DFB-Trikot 2010 gegen „Nazi-Schweine“ gepöbelt und Oranje-Fans ins Bier gepinkelt.
Wenn’s ernst wird, spricht statt des Proleten aber Marcel Wojnarowicz. Der kreidet Duisburgs OB, er unterscheide nicht zwischen Schuld und politischer Verantwortung. „Er wird dafür gut bezahlt, dass hier alles richtig läuft. Dann ist etwas unfassbar falsch gelaufen – und er ist seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.“
Die Schuldfrage hat sich der bloggende Hip-Hopper vorerst mit drei Strafanzeigen beantwortet: gegen Lopavent, Landes- und Bundespolizei sowie gegen Sauerland und seine Dezernenten. „Eine strafrechtliche Beurteilung will ich mir nicht anmaßen“, sagt er zwar. „Aber am 24. Juli hat auch die Polizei voll versagt. Und jeder Duisburger, den ich kenne, hätte die Loveparade besser organisiert als Lopavent und unsere Stadtspitze.“
Vorliebe für Verschwörungstheorien und Streit mit Medien
Dieser werden – Satire hin, Persiflage her – Passagen aus dem Abgesang auf Sauerland noch weniger gefallen als solche Äußerungen. Immerhin vermeldet der Revolutions-Reporter in „Sauerland“ das Ende der „Schreckensherrschaft des korrupten Regimes“ in Duisburg.
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Aber Falken-Mitglied Wojnarowicz weiß, wie sich Gegenwind anfühlt. Er hat mit seinen Texten, etwa zum Nahost-Konflikt und zur US-amerikanischen Außenpolitik, fleißig Empörung ausgelöst und Kritik von Vertretern des gesamten politischen Spektrums provoziert. Zwar hat der Hip-Hop-Act seit dem Erfolg von „Dat is Duisburg“ Gefallen an Liedern gefunden hat, die auch Ballermann-Besucher im Vollrausch mitgrölen könnten. Das Duo versteht sich nichtsdestotrotz als Teil der „truther“-Bewegung (siehe Infobox). So hält es etliche Verschwörungstheorien, etwa zur Manipulation des Wetters durch das Militär, zum Klimawandel oder zum 11. September, allen Ernstes für die Wahrheit.
Dass er es damit auch Journalisten schwer macht, weiß Medienkritiker Wojnarowicz freilich auch. DerSpiegel kreidete IG Metall und DGB 2007 den Auftritt der Bandbreite auf einem Gewerkschaftsfest an. Mit Unverständnis reagierte später ein Autor der WAZ darauf, dass das Duo trotz seiner Vorliebe für Verschwörungstheorien im Kulturzentrum „Parkhaus“ auftreten durfte. Zumal seinerzeit ausgerechnet Neonazis Beifall klatschten, als Wojna („Ich bin Antifaschist“) „Kein Sex mit Nazis“ gefordert hatte. Das blieb zunächst haften. Auf einen taz-Bericht über den Rosa-Luxemburg-Kongress 2009 reagierte der Musiker mit einer Unterlassungsklage: Die Tageszeitung darf nicht mehr behaupten, „Die Bandbreite“ verbreite anti-semitische Texte. Trotz der Schelte durch die Medien waren die Polit-Popper als Live-Act bei Gewerkschaften, Parteien (SPD, Linke, KPD) und Stadtfesten weiter gefragt.
„Schlager machen ist leichter als Schlager hören“
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Weniger Feinde und ein breiteres Publikum haben der Band ihre Ausflüge in den Kalauerpop beschert. Wojnas Masche: „die Leute durch Triviales auf Explizites bringen.“ Auch in dieser Hinsicht ist der Sauerland-Song („Reichweite“ auf Youtube bislang: vergleichsweise magere 8200 Abrufe in einem Monat) ein neuer Anlauf. Der Sache wegen. Der Band wegen, so Wojnarowicz. Denn „Die Bandbreite“ hätte es ohne „Dat is Duisburg“ wohl nicht ins Vorprogramm von Michael Wendler geschafft. „Schlager machen ist aber angenehmer als Schlager hören“, gesteht Wojna. Er sei regelrecht bestürzt von „Schlager total“ in der Rhein-Ruhr-Halle zurückgekehrt: „Ich find’s unglaublich, mit wie wenig Inhalt sich so viele junge Leute zufrieden geben.“
Bleibt abzuwarten, wer auf dem vierten Bandbreite-Album, das Mitte 2011 erscheinen soll, den Ton angibt: der Mickie-Krause-Fan oder der Liedermacher, der sich in der Tradition von Biermann, Wecker & Co sieht. Wie dem auch sei: „Sauerland“ ist auch dabei.