Duisburg. .

Früher kaufte man am Bahnhof lediglich Zeitungen und wollte von A nach B kommen. Inzwischen sind Bahnhöfe längst Shoppingzentren geworden. Ein Besuch zwischen den Gleisen in Duisburg.

„Ich bin über jede Verspätung glücklich, denn dann kommen die Leute gucken“, sagt Heike Grubert. Endlich mal jemand, der der Bahn in diesen Tagen etwas Gutes abgewinnen kann! Ein Blick auf die Anzeigentafel: Es gäbe eigentlich genug Grund zur Freude für die Einzelhändlerin – doch der Konzern hat es sich mit ihr verscherzt. Seit 36 Jahren gibt es das Bekleidungsgeschäft „Happy Fashion“, gelegen zwischen Bahnhofsfriseur und Reisebank, kurz vor Gleis zwei. Zum 31. März ist Schluss. Die Bahn hat den Mietvertrag gekündigt. Fristgerecht. Für Heike Grubert eine Katastrophe.

Ihr Sortiment passe nicht mehr ins Konzept, heißt es. So ein Bahnhof ist nämlich längst nicht nur Umschlagplatz für Pendler, sondern immer mehr Shopping-Meile. Pullis, Westen, Mäntel, Hosen – für den Herrn und die Dame – hat die Geschäftsfrau im Angebot. „Aktuelle Mode aus Paris, tragbar für jeden, sagen wir, ab 30“, beschreibt sie die Auswahl. Jede Woche kommen neue Teile. Ihre Stammkunden besuchen sogar den Bahnhof, obwohl sie gar nicht reisen. „Der Rest stöbert, wenn er auf den Zug warten muss.“ Der Laden läuft gut, sagt sie.

Bahn verlangt doppelte Miete

Als Kind ist die heute 46-Jährige in das Geschäftsleben zwischen den Gleisen hineingewachsen. Mittags hat sie mit den Bahnern in der Kantine gesessen. Die Eltern, die damals im Textilgroßhandel tätig waren, haben den Laden von einem säumigen Kunden übernommen und ihr 1990 die Boutique übergeben. „Wir sind nie einen Cent schuldig geblieben. Mein Mietvertrag wäre Ende April ausgelaufen. Vor einem Jahr kam dann die Kündigung. ich wurde noch nicht mal gefragt, ob ich bleiben wollte. Für die sind wir Kleinen doch nur eine Nummer“, sagt sie empört. Sie hätte viel Geld investieren sollen und ab April die doppelte Miete, 4400 Euro, zahlen müssen. „Die müssen sie erstmal erwirtschaften!“ Auf WAZ-Nachfrage betont ein Sprecher der Bahn allerdings, dass es nach dem Umbau keine Mieterhöhungen gegeben habe. Insgesamt 7000 Quadratmeter für Ladenfläche gibt es im Bahnhof – das sind rund 250 Quadratmeter mehr als vor der Umgestaltung.

Derzeit machen Gerüchte unter den Geschäftsleuten die Runde, dass ein Fisch-Imbiss in die Boutique einziehen soll. Namen von großen Ketten werden gehandelt. „Die modernisieren und können natürlich ganz andere Mieten zahlen“, weiß Heike Grubert. „Wir sind immer um Flächenoptimierung bemüht und arbeiten laufend an Neuerungen“, betont ein Bahnsprecher, der die Namen weder kommentieren noch dementieren möchte. Wichtig sei, dass es einen ausgewogenen Branchenmix und keine Doppelungen im Sortiment gebe.

„50 %“ steht in roten, leuchtenden Buchstaben im Schaufenster von „Happy Fashion“. Schnäppchenjäger kommen vorbei. Lederhandschule gehen für zehn Euro über die Ladentheke, Jacken gibt’s dieser Tage ebenfalls für die Hälfte. Hier erlebt man Sachen! Und hört vor allem Geschichten von Reisenden. Wehmütig blickt Heike Grubert zurück, auch wenn sie inzwischen ein neues Ladenlokal am Salvatorweg gefunden hat. Im April zieht sie um. „Es ist ein großer lichtdurchfluteter Raum, in dem man endlich mal mitbekommt, was in der Welt geschieht. Ich habe in den vergangenen Jahren ja nur unter Tage gearbeitet.“ Grundsätzlich stelle sich aber die Frage nicht, ob sie dem Umzug auch etwas Positives abgewinnen könne. „Hier geht es um meine Existenz.“