Duisburg/Lennestadt.

Der Weihnachtsbaum für die Alltours-Zentrale am Duisburger Innenhafen hat eine 160 Kilometer lange Reise hinter sich und wurde im Sauerland geschlagen. Wir haben den Tannenbaum von der Säge bis zur Lichterkette begleitet.

Plötzlich wird es hektisch im sauerländischen Milchenbach. Die Wolken hängen an diesem grauen Samstagmorgen noch tief in einem kleinen Seitental des Lennetals, als auf der beschaulichen Landstraße auf einmal die Dieselmotoren eines Autokrans, eines Tiefladers und von zwei Geländewagen brummen. Das Team vom Weihnachtsbaum-Spezialisten Frans Grummer will dort einen Christbaum für die Alltours-Zentrale am Duisburger Innenhafen fällen und verladen.

Spezialist für XXL-Bäume

Knapp 20 Meter hoch ist die Küstentanne, die seit 30 Jahren im Garten von Familie Hanses steht. Doch irgendwann wurde der Nadelbaum zu groß und kurzer Hand nach Duisburg verkauft. Für Frans Grummer, der sich auf Fällung und Transport von Weihnachtsbäumen im XXL-Format spezialisiert hat, ist die Tanne ein Baum wie jeder andere. Der Holländer, der der Liebe wegen nach Eslohe ins Sauerland gezogen ist, bringt jedes Jahr vor der Adventszeit unzählige Tannen, Fichten und Douglasien in Übergröße auf Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland – besonders aber in das Ruhrgebiet.

Ein Baum in dieser Größenordnung kann jedoch nicht einfach mit der Axt gefällt werden, wie die kleinen Exemplare für das Wohnzimmer. Damit der Baum ohne Schäden auf den Tieflader verladen werden kann, wird zuerst ein Autokran auf der Landstraße nach Milchenbach aufgebaut. Während sich der 33 Tonnen schwere Kran auf den Hydraulikstützen aufbockt, klettert bereits einer von Frans Grummers’ Männern in den Baum und befestigt in halber Höhe ein armdickes Seil. Behutsam steuert der Kranführer die Eisenkette mit den schweren Karabinern an die Tanne heran. Der Waldarbeiter greift aus dem Geäst heraus, bekommt die Karabiner im dritten Anlauf zu packen und hakt sie in das Seil am Baum ein. Der Kranführer zieht den Haken einige Zentimeter nach oben und setzt die Kette unter Spannung. „Abschneiden“, nennt der 42-jährige Grummer es, wenn sich das 50 Zentimeter lange Schwert der Kettensäge – angetrieben von einem 6 PS starken Motor – mit Getöse durch das Holz frisst und die Sägespäne meterweit durch die Luft schleudert. Mit dem letzten Schnitt der Säge durch den 80 Zentimeter dicken Stamm hebt der riesige Baum ab. Jetzt soll alles schnell gehen, denn einige Autofahrer wollen in das 180-Seelendorf Milchenbach und kommen an dem Kran nicht vorbei.

Gut verpackt

Dreieinhalb Tonnen Holz mit ausladenden Ästen schweben durch die Luft. Der Kranführer lässt den XXL-Weihnachtsbaum auf einem Stapel Paletten ab und legt ihn behutsam auf die Straße.

Frans Grummer und sein Team haben dort schon dicke Gurte vorbereitet, mit denen sie die Tanne auf ein transportables Maß verpacken wollen. Mit vereinten Kräften stemmen die sieben Männer die Äste zur Seite und binden sie mit den Gurten möglichst dicht an den Stamm. Breiter als drei Meter darf das Ungetüm nicht sein, sonst bräuchte Frans Grummer eine Genehmigung für den Transport. Nach gut einer Stunde sieht der einst so prächtige Baum aus wie eine zusammengeschnürte Roulade. „Das Schlimmste haben wir hinter uns“, sagt der Holländer im Norweger-Pulli, und hängt ein typisch sauerländisches „woll“ an.

Noch einmal hebt der Kran die mächtige Tanne an und wuchtet sie auf den Tieflader von Fred Zupanc, der sie mit unzähligen Gurten auf der Ladefläche sichert. „Ich habe meinen Töchtern erzählt, dass ich heute einen Weihnachtsbaum fahre“, erzählt der Kraftfahrer, der früher hinterm Steuer eines DVG-Busses saß. „Die dachten, ich hole dieses Riesenteil für unser Wohnzimmer!“

4300 Lämpchen

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Gut verpackt geht der Weihnachtsbaum auf seine erste Reise, die auch seine letzte sein wird. Am Innenhafen angekommen geht das gleiche Spielchen noch einmal los, dieses mal nur in umgekehrter Reihenfolge. Auf dem Tieflader befreit Frans Grummer den Baum von seinen Gurten, ein Kran nimmt die Tanne auf den Haken. Bevor er jedoch wieder abhebt, muss der Stamm auf weniger als 50 Zentimeter im Durchmesser angespitzt werden. Feinarbeit mit der Kettensäge ist hier gefragt. Dann schwebt der Baumriese über den Vorplatz der Alltours-Zentrale und landet zielsicher in dem rund einen Meter tiefem Loch im Kopfsteinpflaster. Eine kleine Korrektur mit der Säge und schon steht der Baum – gerade gewachsen wie eine Eins. Holz-Keile und Metall-Ständer sichern den Baum am Innenhafen vor heftigeren Windböen. Ein letztes Mal klettert Frans Grummer in das dichte Geäst und löst die Karabinerhaken.

Lichterketten mit mehr als 4300 Lämpchen lassen den Baum seit Dienstagabend in vorweihnachtlichem Glanz erstrahlen – solange, bis die 20 Meter hohe Küstentanne nach Weihnachten vor Ort zu Brennholz verarbeitet wird.