Essen. .

Mittags kreischte in Bedingrade die Säge, abends war das gute Stück schon am Willy-Brandt-Platz. Ein Tannenbaum aus dem Garten von Familie Baldus ziert in der Weihnachtszeit die Essener City. Eine logistische Herausforderung.

Die Kettensäge kreischt – und Niclas (7) ist bester Stimmung. „Gut, dass der Baum endlich wegkommt. Nachts habe ich mich oft gefürchtet, wenn ich die gruseligen Schatten in meinem Zimmer gesehen habe.“ 60 Bewerber waren im Rennen, doch nur einer konnte als Sieger aus dem großen Weihnachtsbaum-Casting hervorgehen. Den Zuschlag bekam die Nordmann-Tanne, die bis gestern vor Niclas’ Kinderzimmerfenster in der Straße „Auf dem Eichholz“ in Bedingrade stand. Sie wird jetzt bis nach Weihnachten den Willy-Brandt-Platz zieren.

Tannenbaum in der Stadt

1/28

Die Suche nach der Super-Tanne hat inzwischen Tradition. Seit 1999 ruft die EMG alljährlich die Bürger auf, Tannenbäume zu spenden. Im Gegenzug übernimmt die EMG die Kosten für das Fällen und den Abtransport. Da kommen normalerweise schnell einige tausend Euro zusammen, und eine Genehmigung braucht es auch. Wer also auf günstige Weise, seinen allzu groß gewordenen Schatten-Baum loswerden will, hat hier die einmalige Chance.

Gleichmäßig gewachsen

50 bis 60 Bäume kommen pro Jahr in die engere Wahl. Die Entscheidung fällt Thomas Banzhaf, Chef der Gartenbau-Firma. Etliche Kilometer ist er in letzter Zeit durch die Stadt gefahren, um die angebotenen Bäume zu sichten. „Wichtig ist vor allem, dass die Tanne gleichmäßig gewachsen ist und idealerweise eine Höhe von 18 bis 20 Meter hat“, sagt Banzhaf. Die diesjährige Vorzeige-Tanne ist etwas kleiner. Sie misst knapp 14 Meter und gehörte bislang der Familie Baldus - bis die Männer mit der Kettensäge anrückten.

Familie Baldus wohnt dort erst seit diesem Sommer. Von ihrem Baum trennten sie sich trotzdem schweren Herzens. „Wir fanden ihn immer wunderschön, aber er steht zu nah am Haus“, sagt Christina Baldus. „Wir freuen uns, dass er nun in der Innenstadt aufgestellt wird und viele Menschen ihn bestaunen können“, ergänzt ihr Mann Andreas.

Gepflanzt hat den Baum Klaus Preuß (69) als junger Mann in den 1960er Jahren. „Ich wollte damit meinen Eltern eine Freude machen“, sagt er heute. Über viele Generationen gehörten Haus und Grund der Familie. Jahrelang hat Preuß bei jedem Blick aus dem Küchenfenster seine Tanne angesehen. Besonders sein Vater habe den Baum gemocht: „Der hätte ihn nie gefällt.“ Inzwischen sind Haus und Grund verkauft. Und es war Preuß selbst, der den neuen Besitzern dazu geraten hat, die EMG anzurufen, damit der Baum zu dem werden konnte, was er in den kommenden Wochen sein wird: der berühmteste Tannenbaum der Stadt.