Duisburg. .

Über Jahre baute sich eine Welle des Drucks über Duisburg auf. Die Entscheider ignorierten alle Risiken angesichts des drohenden Imageschadens im Kulturhauptstadtjahr. Widerstände im Rathaus wurden niedergebügelt. Eine Chronik.

Vielleicht hätte hier alles enden können. Es war eine Krisensitzung am 18. Juni 2010 im Büro der Loveparade-Macher. Drei Männer diskutierten heftig mit Beamten der Stadt über das Sicherheitskonzept der Megafeier. Die Fluchtwege seien zu kurz, hieß es bei der Bauverwaltung, so könne keine Genehmigung erteilt werden. Die Partymacher hielten dagegen, es gehe nicht um rechtliche, sondern nur um praktische Probleme. Eine Lösung sollte, nein, müsse gefunden werden, forderte dann der Duisburger Beigeordnete für Recht und Sicherheit, Wolfgang Rabe. Die Veranstaltung habe stattzufinden. Schließlich habe der Oberbürgermeister dies so gewollt. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.

Februar 2007

Begonnen hatte alles gut drei Jahre zuvor. In Berlin hat der Senat die Zustimmung zur Loveparade solange blockiert, bis die Macher am 21. Februar 2007 entnervt aufgeben. Die Techno-Raver würden zu viel Dreck machen und die Parks ruinieren, hieß es. Ein neuer Ort für das Monster-Event soll gefunden werden. Irgendwo, sagen die Verantwortlichen der Loveparade.

Im Ruhrgebiet wird der Ruf gehört. Hier setzt sich vor allem Hanns-Ludwig Brauser, damals Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr, für das Revier als Veranstaltungsort ein. Das Pro­­jekt entspricht in allen Dimensionen dem Anspruch der Gegend. Erst im April ein Jahr zuvor hatte das Ruhrgebiet den Zuschlag zur Kulturhauptstadt bekommen.

Brauser sucht nun nach Events, die sowohl der Größe als auch der Ausstrahlung nach zu einer Hauptstadt Eu­ropas passen. Die Oberbürgermeister von Essen, Dortmund und Duisburg können schnell überzeugt werden. Auf der In­ternationalen Tourismusmesse in der Hauptstadt Berlin werden erste Ge­spräche mit dem Loveparade-Chef Rainer Schaller geführt.

Am 21. Juni unterschreiben alle einen Rahmenvertrag. Der Reihe nach soll nun das Event durch die Ruhr-Gemeinden tingeln. Brauser jubiliert: „Die weltweit bekannte Loveparade ist ein unbezahlbarer Image-Gewinn für das Ruhrgebiet, den wir mit normaler Werbung nie hinbekommen würden.“

Eher im Hintergrund freut sich Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Der ehemalige Luftwaffensoldat kennt sich mit Strategie aus. Seine Stadt würde als vierte drankommen. Gerade im Jahr der Kulturhauptstadt, dann, wenn die ganze Welt auf das Revier schaut.

Sommer 2007

„Wir haben wegen der Strecke nach wie vor Bedenken”, sagt der Essener Polizeisprecher Uli Fassbender noch im Juni 2007. „Aber wir wissen, dass die Loveparade als Test für die Kulturhauptstadt 2010 politisch gewollt ist. Deshalb bereiten wir uns darauf vor, die Veranstaltung professionell abzuwickeln.”

Zwei Monate später feiern 1,2 Millionen Menschen dicht gedrängt, aber entspannt. Die Polizei spricht von der „friedlichsten Großveranstaltung, die wir je erlebt haben“. Eine Besucherin wird auf dem Heimweg niedergestochen. 90 Tonnen Müll werden in Karnap verheizt.

Sommer 2008

Auf dem Parkplatz der Westfalenhallen, auf den Straßen und Plätzen daneben und auf der gesperrten B1 genießen 1,6 Millionen Zuschauer die Liebesparade in Regen und Matsch. Einige der 36 Floats schaffen in vier Stunden keine halbe Runde. Fest steht, es waren noch nie so viele auf einem Rave in einer Stadt – und Rainer Schaller spricht vom „Wunder von Dortmund“. Auch, weil nichts passiert ist.

Januar 2009

Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz.
Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. © WAZ FotoPool

Bochum sagt die Parade ab. Recht unvermittelt und plötzlich. „Mit mir hätte es diese Loveparade nicht gegeben”, sagt Wirtschaftsdezernent Paul Aschenbrenner. Thomas Wenner wettert. „Überleben ist wichtiger“ schrieb er gar in einem offenen Brief – „auch wenn der Spaßfaktor auf der Strecke bleibt“. Die anderen Beteiligten winden sich. „Ich habe nicht im Alleingang entschieden”, wehrt sich Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. „Ich habe mitentschieden. In einer Telefonkonferenz gemeinsam mit Herrn Brauser von der Wirtschaftsmetropole Ruhr und mit dem Veranstalter.“ Der Bochumer Bahnhof kann 16 000 Menschen pro Stunde befördern, weniger als halb so viele wie Dortmund oder Essen. Das ist seit Jahren bekannt. Die maßgebliche offizielle Begründung der Absage lautet darum: Gleisbauarbeiten der Bahn.

Das politische Ruhrgebiet steht am gleichen Tag Kopf: Kritisiert wird von allen Parteien und den Medien nicht die Absage als solche, sondern der späte Zeitpunkt, der keinen Plan B offenlässt. Der damalige Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU): „Eine Metropole muss so etwas leisten.“ Dieter Gorny, Chef der Kulturhauptstadt: „Ein herber Rückschlag für die Region.“

Februar 2009

Nach der Absage aus Bo­chum richten sich alle Blicke auf Duisburg. Wird es der alerte Oberbürgermeister Adolf Sauerland schaffen, der armen Stadt am Rhein die Blamage von Bochum zu ersparen? NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) macht Druck: „Oh Gott, oh Gott, das ist aber schade – und nicht gut für das Image des Ruhrgebiets. Ich hoffe nicht, dass nun auch noch die Loveparade 2010 ausfällt – zumindest die muss jetzt stattfinden.”

Duisburg scheint dem Druck gewachsen. Sauerland, Oberbürgermeister seit 2004, lässt keine Zweifel aufkommen: „Wir wollen die Loveparade und setzen alles daran, dass sie hierherkommt. Von uns wird das Fest nicht abgesagt.” Sein Vorkämpfer Uwe Gerste, Leiter der städtischen Marketinggesellschaft, schwärmt bereits: „Gerade im Kulturhauptstadtjahr könnte Duisburg im Fokus der Öffentlichkeit stehen.” Er träumt vom Dortmunder Erfolg.

Januar 2010

Der Oberbürgermeister von Duisburg, Adolf Sauerland (CDU) kämpfte monatelang um die Loveparade.
Der Oberbürgermeister von Duisburg, Adolf Sauerland (CDU) kämpfte monatelang um die Loveparade. © ddp

Ein Jahr später hat Frühaufsteher Adolf Sauerland ein Problem zu lösen. Seine Stadt hat einen Nothaushalt. Dieser muss genehmigt werden, und in der Kasse klafft ein Loch von 150 Millionen Euro. Aus diesem Grund will die zuständige Bezirksregierung nicht, dass Duisburg 840 000 Euro für die Loveparade ausgibt. Dieser Spaß falle unter freiwillige Ausgaben, und diese habe Sauerland zu reduzieren. Zusätzlich droht dem Vatertyp eine peinliche Niederlage im Stadtrat. Auch dort wehrt sich eine Mehrheit gegen die Ausgaben für die Raver. Sollen etwa Schulen verfallen, damit einen Tag lang gefeiert werden kann? Gut, mag sich Stratege Sauerland denken. Wozu gibt es die Politik? Er beginnt, an Strippen zu ziehen.

Bis hinauf in die Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) reichen seine Arme. In Nordrhein-Westfalen ist Wahlkampf. Da darf nichts schiefgehen mit der Kulturhauptstadt und dem Projekt Loveparade, das könnte Stimmen kosten. Schon poltert die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft gegen die CDU-Spitze im Land: Die Regierung müsse helfen, Sponsoren für die Techno-Party zu finden. „Oberstes Ziel für NRW ist: Die Loveparade 2010 gehört ins Ruhrgebiet“, sagte die heutige Ministerpräsidentin dieser Zeitung. Auch der Chef der Kulturhauptstadt, Fritz Pleitgen (72), macht öffentlich Druck: „Hier müssen alle An­strengungen unternommen werden, um dieses Fest der Szenekultur mit seiner internationalen Strahlkraft auf die Beine zu stellen.“

Trauer in Duisburg

Was am Ende übrig bleibt: ein rotes Stoffherz, das auf dem Boden liegt. 21 Menschen werden es später sein, die ...
Was am Ende übrig bleibt: ein rotes Stoffherz, das auf dem Boden liegt. 21 Menschen werden es später sein, die ... © ddp
... beim Unglück von Duisbug ihr Leben lassen mussten. Die Parade der Liebe endet ...
... beim Unglück von Duisbug ihr Leben lassen mussten. Die Parade der Liebe endet ... © ddp
... trifft das Unglück bis ins Mark. Die Party hatte die größte sein sollen, ...
... trifft das Unglück bis ins Mark. Die Party hatte die größte sein sollen, ...
... die dort jemals gefeiert wurde. Stattdessen wird sie zur Todesfalle. Das Kopfsteinpflaster des kargen Geländes wird auf ewig verbrannte Erde sein. Am Tag, ...
... die dort jemals gefeiert wurde. Stattdessen wird sie zur Todesfalle. Das Kopfsteinpflaster des kargen Geländes wird auf ewig verbrannte Erde sein. Am Tag, ... © ddp
... nach dem das Unfassbare Wirklichkeit geworden ist, kehren die Menschen zurück an den Ort des Geschehens. Ganz so,...
... nach dem das Unfassbare Wirklichkeit geworden ist, kehren die Menschen zurück an den Ort des Geschehens. Ganz so,... © ddp
... als könne die Unglücksstätte selbst eine Erklärung liefern. Wie nur hatte das passieren können? Der dunkle Karl-Lehr-Tunnel...
... als könne die Unglücksstätte selbst eine Erklärung liefern. Wie nur hatte das passieren können? Der dunkle Karl-Lehr-Tunnel... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... wird zum Sinnbild der allerletzten Loveparade. Am Tag eins danach ...
... wird zum Sinnbild der allerletzten Loveparade. Am Tag eins danach ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... geben die Behörden den Tunnel für die Trauernden frei. Die Menschen zünden Kerzen an, ...
... geben die Behörden den Tunnel für die Trauernden frei. Die Menschen zünden Kerzen an, ... © APN
... legen Blumen im Gedenken an die Verstorbenen nieder und schreiben ihre Gefühle auf Karten, die sie dazu stecken. Seinen Schrecken kann...
... legen Blumen im Gedenken an die Verstorbenen nieder und schreiben ihre Gefühle auf Karten, die sie dazu stecken. Seinen Schrecken kann... © ddp
... dieser düstere Ort allein durch die Lichter nicht verlieren. Aber vielen hilft es, dort zu sein, sich selbst ein Bild zu machen. Vom Tunnel, von der Rampe und ...
... dieser düstere Ort allein durch die Lichter nicht verlieren. Aber vielen hilft es, dort zu sein, sich selbst ein Bild zu machen. Vom Tunnel, von der Rampe und ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... von den schmalen rettenden Aufgängen, die manche erst zu spät erreichten. Ihr Tod...
... von den schmalen rettenden Aufgängen, die manche erst zu spät erreichten. Ihr Tod... © ddp
... soll nicht vergessen werden:
... soll nicht vergessen werden: "Wir sind in Gedanken bei euch und bei allen, ... © ddp
... die ihr zurückgelassen habt
... die ihr zurückgelassen habt", sagen die © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... Dutzenden von Kerzen, die nach und nach das Gelände des Güterbahnhofs...
... Dutzenden von Kerzen, die nach und nach das Gelände des Güterbahnhofs... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
...und den Karl-Lehr-Tunnel in ein warmes Rotlicht tauchen. Ihre Anteilnahme...
...und den Karl-Lehr-Tunnel in ein warmes Rotlicht tauchen. Ihre Anteilnahme... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... schreiben viele -
... schreiben viele - "Rest in Peace", ruhet in Frieden. Was ist mehr zu sagen,... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... wenn junge Menschen ihr Leben lassen, weil Politik und Verwaltung eine Veranstaltung genehmigen, die in der Form niemals hätte in Duisburg stattfinden dürfen? Die Bilder...
... wenn junge Menschen ihr Leben lassen, weil Politik und Verwaltung eine Veranstaltung genehmigen, die in der Form niemals hätte in Duisburg stattfinden dürfen? Die Bilder... © ddp
... der Trauernden von Duisburg berühren ganz Deutschland. Sie ...
... der Trauernden von Duisburg berühren ganz Deutschland. Sie ... © Markus Joosten / WAZ FotoPool
... gehen um die Welt. Nicht nur Deutsche sind gestorben. Weitere Opfer kommen aus Australien, den Niederlanden, ...
... gehen um die Welt. Nicht nur Deutsche sind gestorben. Weitere Opfer kommen aus Australien, den Niederlanden, ... © APN
...gilt das Beleid der Trauernden. Mit Blumen und Grablichtern verleihen sie ihrem Mitgefühl Ausdruck. Eine Skulptur...
...gilt das Beleid der Trauernden. Mit Blumen und Grablichtern verleihen sie ihrem Mitgefühl Ausdruck. Eine Skulptur... © ddp
... aus Eis steht zwei Tage nach dem Umglück vor dem Karl-Lehr-Tunnel.
... aus Eis steht zwei Tage nach dem Umglück vor dem Karl-Lehr-Tunnel. "In tiefer Trauer" ist in den Quader eingraviert. Aus den vereinzelten... © ddp
... Kerzen ist inzwischen ein regelrechtes Lichtermeer geworden. Hunderte Menschen kommen in den Tunnel. Vielen hilft es, nicht allein zu sein. Sie fassen sich an den Händen,...
... Kerzen ist inzwischen ein regelrechtes Lichtermeer geworden. Hunderte Menschen kommen in den Tunnel. Vielen hilft es, nicht allein zu sein. Sie fassen sich an den Händen,... © ddp
....halten einander fest und umarmen sich. Noch immer ist für die meisten kaum fassbar, ...
....halten einander fest und umarmen sich. Noch immer ist für die meisten kaum fassbar, ... © ddp
... dass junge Menschen unter der Last anderer Menschen gestorben sein sollen, dass sie nicht mehr da sind, ...
... dass junge Menschen unter der Last anderer Menschen gestorben sein sollen, dass sie nicht mehr da sind, ... © ddp
... und nicht mehr zurückkehren. Der Schock sitzt tief, nicht nur...
... und nicht mehr zurückkehren. Der Schock sitzt tief, nicht nur... © ddp
... bei den Angehörigen der Opfer und bei den Besuchern der Parade: Ganz Duisburg hat die Katastrophe getroffen. Unbeteiligte fühlen mit den Betroffenen mit. Das Unglück...
... bei den Angehörigen der Opfer und bei den Besuchern der Parade: Ganz Duisburg hat die Katastrophe getroffen. Unbeteiligte fühlen mit den Betroffenen mit. Das Unglück... © ddp
... kann niemanden kalt lassen.
... kann niemanden kalt lassen. "Deutschland... © ddp
... trauert um euch
... trauert um euch" steht auf einem Deutschlandschal, den jemand vor Kerzen und Blumengestecken ausgebreitet hat. In die Trauer der Menschen... © ddp
... dass ihr Kind starb, weil - so nehmen es viele an - das Streben nach Prestige und Profit stärker war als das nach Vernunft und Sicherheit? Die Stadt...
... dass ihr Kind starb, weil - so nehmen es viele an - das Streben nach Prestige und Profit stärker war als das nach Vernunft und Sicherheit? Die Stadt... © ddp
... solle sich schämen, schreibt jemand auf eine Karte.
... solle sich schämen, schreibt jemand auf eine Karte. "Warum habt ihr uns das angetan?" steht... © ddp
... auf einem Stein, der inmitten des Kerzenmeeres liegt. Die Frage ist unterschrieben mit
... auf einem Stein, der inmitten des Kerzenmeeres liegt. Die Frage ist unterschrieben mit "eine Mutter". Noch Tage nach der Katastrophe zünden Trauernde... © ddp
... Lichter an und bringen frische Blumensträuße in den Karl-Lehr-Tunnel. Ein Turnschuh...
... Lichter an und bringen frische Blumensträuße in den Karl-Lehr-Tunnel. Ein Turnschuh... © WAZ Foto Pool
... liegt zwischen den Blumen. Viele Loveparade-Besucher hatten während der Massenpanik an der Rampe ihre Schuhe verloren. Im Karl-Lehr-Tunnel...
... liegt zwischen den Blumen. Viele Loveparade-Besucher hatten während der Massenpanik an der Rampe ihre Schuhe verloren. Im Karl-Lehr-Tunnel... © ddp
... tragen sich hunderte Trauernde in ein Kondolenzbuch ein. Sie schreiben ihre Gefühle nieder...
... tragen sich hunderte Trauernde in ein Kondolenzbuch ein. Sie schreiben ihre Gefühle nieder... © ddp
... und versuchen in Worte zu fassen, was die Loveparade-Katastrophe angerichtet hat. 21 Tote, 500 Verletzte, unzählige Trauernde: Der 24. Juli 2010...
... und versuchen in Worte zu fassen, was die Loveparade-Katastrophe angerichtet hat. 21 Tote, 500 Verletzte, unzählige Trauernde: Der 24. Juli 2010... © ddp
... ist ein schwarzer Tag für Duisburg. Nach ihm, so steht es auf einem Banner über dem Tunneleingang, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. 21 Kreuze, ...
... ist ein schwarzer Tag für Duisburg. Nach ihm, so steht es auf einem Banner über dem Tunneleingang, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. 21 Kreuze, ... © ddp
... die für die 21 Toten stehen - sind an der Unglücksstelle vor dem alten Güterbahnhof angebracht.
... die für die 21 Toten stehen - sind an der Unglücksstelle vor dem alten Güterbahnhof angebracht. "Unschuldig gestorben" ist auf dem Längsbalken des großen Kreuzes zu lesen. Es ist diese unglaubliche Tragödie, die... © ddp
... die Menschen so zahlreich an die Unglücksstelle zieht. Auch Tage nach dem Unglück bleibt die Anteilnahme überwältigend. Es ist eine Frage, die...
... die Menschen so zahlreich an die Unglücksstelle zieht. Auch Tage nach dem Unglück bleibt die Anteilnahme überwältigend. Es ist eine Frage, die... © ddp
... am Ende übrig bleibt und alle Trauernden eint: Warum mussten 21 Menschen sterben?
... am Ende übrig bleibt und alle Trauernden eint: Warum mussten 21 Menschen sterben? © ddp
Warum?
Warum? © WAZ Foto Pool
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Februar 2010

Stolz verkündet Adolf Sau­erland im Stadtrat, dass die Feier gerettet sei. Er habe „geheime Sponsoren“ gefunden. Seine Stadt müsse nichts dazutun. Was der Stratege für sich behält: Den große Batzen der fehlenden 840 000 Euro trägt die öffentliche Hand – insgesamt 635 000 Euro. Die Sponsorensuche war eher mäßig erfolgreich. Private ge­ben Sachleistungen im Wert von 155 000 Euro. Lediglich 50 000 Euro Bares übernimmt die Firma Hövelmann, mit der Sauerland freundschaftlich ver­bandelt ist.

Gleichzeitig konzentriert sich die Suche nach einem geeigneten Standort auf das Gelände des alten Güterbahnhofs zwischen der Autobahn A 59 und der Bahnstrecke nach Düsseldorf. Loveparade-Sprecher Kersten Sattler sagte, für das Fest werde er nicht die gesamte Fläche brauchen: „Das wäre ja Wahnsinn.“ Ein Teil des Geländes reiche be­reits für die Loveparade mit ihren mehr als eine Million erhofften Ravern aus.

Stratege Sauerland ist dem Erfolg zum Greifen nah.

April 2010

Alles scheint auf einem gu­ten Weg. Die Bezirksregierung stimmt dem Finanzkonzept zu. Auch das Innenministerium gibt jeden Widerstand auf. Für die Genehmigungen der Veranstaltung selbst ist Duisburg zuständig. Und damit liegt es in der Macht von Sauerland selbst, die Loveparade zu ermöglichen.

Und diese Macht braucht der Oberbürgermeister. Denn im Hintergrund rumort es. Seit der Absage von Bochum be­fürchten Sicherheitsfachleute, dass Duisburg zu klein sei, die Veranstaltung durchzusetzen. Spezialisten von Feuerwehr und Polizei warnen vor einer Katastrophe.

Besonders hart trifft es eine leitende Mitarbeiterin im Bauamt. Sie soll sich geweigert haben, wie gewünscht die Loveparade durchzuwinken. Sie wird versetzt. Eine unter Adolf Sauerland übliche Praxis, mit kritischen Mitarbeitern umzugehen. Ein Amtsleiter berichtet von „Säuberungswellen“ im Duisburger Rathaus. So sei ein Klima der Angst entstanden.

Mai 2010

Veranstalter und Oberbürgermeister vor der Loveparade.
Veranstalter und Oberbürgermeister vor der Loveparade. © WAZ FotoPool

Das Innenministerium schickt am 31. Mai einen Runderlass an alle Landräte und Oberbürgermeister in NRW raus. Auf Basis des Duisburger Sicherheitskonzeptes für die Loveparade haben alle Behörden die Kommune bei der Veranstaltung zu unterstützen. Laut Erlass soll der Veranstalter 30 feste Sanitätsstationen einrichten. Dazu wird die örtliche Feuerwehr angehalten, zwei Behandlungsplätze mit zusammen 1200 „Einsatzkräften des Sa­nitätsdienstes“ einzurichten. Davon sollen 60 Männer und Frauen zum „ärztlichen Personal“ gehören.

Anscheinend stützt sich dieser Erlass auf eine falsche Ba­sis. Denn von einem stabilen Sicherheitskonzept kann in Duisburg eigentlich noch keine Rede sein. Noch immer streiten die Verantwortlichen in der Firma Lopavent, die mittlerweile die Loveparade organisiert, mit der Stadt über die richtigen Ideen.

Juni 2010

Immer öfter wird über Sicherheitsaspekte in Duisburg offen debattiert. In Kommentaren auf der Internetseite „DerWesten.de“ zu Artikeln aus dieser Zeitung wird die Streckenführung diskutiert. „Klotsche“ schreibt etwa: „Sehe ich das richtig, dass die versuchen, eine Million Menschen über die einspurige Tunnelstraße Karl-Lehr-Straße mit zwischendurch zwei kleinen Trampelpfaden hoch zum Veranstaltungsgelände zu führen? Also, in meinen Augen ist das eine Falle.“ Einige der Kommentatoren scheinen Insiderkenntnisse aus der Stadtverwaltung zu besitzen.

Der Konflikt zwischen Lo­pavent und den Genehmigungsbehörden eskaliert.

Am 18. Juni dieses Jahres kommt es zu einer denkwürdigen Sitzung bei Lo­pavent. Anwesend sind unter anderem Vertreter von Lopavent, Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, Mitarbeiter von Feuerwehr und Ordnungsamt sowie Anja Geer, die Leiterin des Bauamtes. Es geht um die erheblich zu kurzen Fluchtwege im Konzept von Lopavent. Man sei überrascht, welche rechtlichen und formalen An­forderungen die Bauordnung stellen würde, ihnen ginge es allein um die praktische Seite. So zumindest zitiert Anja Geer die Lopavent-Vertreter später in einem protokollierenden Brief an ihren Chef, Baudezernent Dressler. Die Diskussion soll, so beschreibt sie es, „engagiert“ gewesen sein. Diese rechtlichen Voraussetzungen hätte Lopavent noch nie erfüllen müssen.

Und Wolfgang Rabe, der Ordnungsdezernent, sagt, wo es langgehen soll. Der Oberbürgermeister, Adolf Sauerland eben, wünsche die Veranstaltung. Es müsse eine Lö­sung gefunden werden. Das Bauamt solle konstruktiv mitarbeiten. Schon drei Tage später, so bat er laut Anja Geer, solle man sich erneut zusammensetzen, um ein Fluchtwegkonzept zu erarbeiten. Geers Chef, Baudezernent Dressler, wird dieses Schreiben mit der handschriftlichen Bemerkung an Oberbürgermeister Sauerland weiterleiten, er lehne die Verantwortung und Zuständigkeit dafür ab.

Juli 2010

Die Landesregierung macht den Veranstalter Rainer Schaller für die Katastrophe verantwortlich.
Die Landesregierung macht den Veranstalter Rainer Schaller für die Katastrophe verantwortlich. © WAZ FotoPool

Sicherheitsexperten der Po­lizei aus ganz NRW warnen auf mehreren Ortsterminen in Duisburg die Verantwortlichen. Wenn die Ideen umgesetzt würden, könnte es „Tote und Verletzte“ geben. Die Bedenken werden ignoriert.

13. Juli 2010

Die Firma Traffgo HT legt eine Analyse vor, nach der ein Drittel der Loveparade-Besucher auf dem Festgelände am ehemaligen Güterbahnhof rechtzeitig flüchten können, ohne das etwas passiert. Dabei setzt die Analyse voraus, dass maximal 250 000 Menschen auf dem Festgelände sein dürfen. Die Analyse wird am 16. Juli und am 20. Juli ergänzt. Der als Risikoforscher vorgestellte Michael Schreckenberg wird diese Analyse später begutachten und für inhaltlich korrekt beurteilen.

16. Juli 2010

Die Stadt Duisburg be­kommt die Erlaubnis, die Autobahn A 59 einen Tag lang für das Millionen-Event Loveparade zu sperren. Über diese Strecke sollen später die Notärzte zu Hilfe eilen.

21. Juli 2010

Unter dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 genehmigt ein untergeordneter Mitarbeiter im Bauamt die Sondernutzung des Güterbahnhofs für die Loveparade. Dabei wird auf zwei dürren Seiten das Baurecht außer Kraft gesetzt. Die Fluchtwege dürfen schmaler ausfallen als im Gesetz vorgeschrieben. Zu­dem wird auf Feuerwehrpläne verzichtet. Laut Genehmigung dürfen die Fluchtwege an keiner Stelle schmaler als zehn Meter sein. Das Recht wurde damit den Örtlichkeiten angepasst.

24. Juli 2010, morgens

Der Tag der Loveparade hat begonnen. Windstärke drei, Lufttemperatur 19 Grad, Niederschlag null Prozent, meldet der Krisenstab. Das Wetter war die größte Sorge der Veranstalter. Das Wetter ist gut. „Das Gelände ist rundum entfluchtbar und so groß, dass wir uns keine Sorgen machen“, sagt Björn Köllen, Sprecher der Loveparade zu Spiegel TV. Die Feuerwehr hat ein halbes Jahr geplant und ist zuversichtlich, diesen Einsatz zu meistern, der „einzigartig in seiner Größe“ ist. Darin schwingt Respekt mit.

Die Genehmigung für die Parade erreicht die Veranstalter-Firma Lopavent gerade rechtzeitig.

Erste Raver sind bereits am Vorabend eingetroffen. Am Morgen kommt die Masse mit Macht. Viele beschweren sich über mangelnde Ausschilderung schon im Hauptbahnhof, irren umher. Weil es rasch voll wird, ist der Tunnel schon vor elf Uhr zeitweilig abgesperrt. Die Menschenmenge wird immer größer.

24. Juli 2010, mittags

Um 12 Uhr wird nach Aussage mehrerer WAZ-Leser plötzlich der Tunnel von beiden Seiten geöffnet. Die Menschen drängen hinein. Immer wieder werden bis 14 Uhr Zu­gänge gesperrt, um eine Überfüllung des Tunnels zu vermeiden. Loveparade-Chef Rainer Schaller feiert eine Million Besucher und wird der Polizei später vorwerfen, sie habe kurz vor dem Unglück alle Schleusen geöffnet, die Besucher seien unkontrolliert eingeströmt. Die Polizei in Köln wird diese Kritik als verfrühte Spekulation zurückweisen. 105 000 Besucher seien mit dem Zug zwischen neun und 14 Uhr angereist, die Zahlen des Veranstalters viel zu hoch gegriffen. Insgesamt sollen laut Polizei nur rund 450 000 Raver gekommen sein, nicht 1,4 Millionen, wie vom Veranstalter behauptet. Um 14 Uhr startet der Countdown: Die Loveparade 2010 wummert los, viele Menschen würden gerne mitfeiern, drängen den Beats entgegen.

24. Juli 2010, nachmittags

Ein Schild mit der Aufschrift
Ein Schild mit der Aufschrift "Sauerland trete zurück! Du hast als Mensch versagt" steht in Duisburg vor dem Tunnel. © ddp

Um 16.30 Uhr wird der Bahnhof gesperrt. Vor dem Gelände herrscht „Besucherstau“. Um 17 Uhr beginnt die Abschlusskundgebung auf der Hauptbühne. Kurz nach 17 Uhr bricht die tödliche Massenpanik aus. Um 17.57 Uhr kommt die erste offizielle Polizeimeldung: „... offenbar zehn Personen getötet“. Die Zahl der Todesopfer wird bis Montagabend auf 20 steigen, die der Verletzten auf über 500. Um 17.31 Uhr steht Adolf Sauerland neben Oliver Pocher und Dieter Gorny auf einem Podium, er schaut ernst auf sein Handy. Was er dort liest, ist nicht klar, aber Ge­rüchte über die Massenpanik machen da schon die Runde. Fünf Minuten später interviewt Comedian Pocher Gorny und Sauerland. Es soll ein lustiges Interview sein, der Großalarm spielt keine Rolle.

25. Juli 2010

Am Tag nach der Katastrophe wollte Oberbürgermeister Adolf Sauerland Blumen an den Orten niederlegen, dort wo die Menschen starben. Er wurde ausgebuht und be­schimpft. Ein Mann beschmiss ihn mit Müll. Seither stehen Sauerland und seine Fa­milie unter Polizeischutz. Die Strategie des Oberbürgermeisters ist nicht aufgegangen.

Das Jahr danach

André Lapehn, PR-Berater, Inhaber der Kommunikationsagentur „wirjetzthier“: „Der Tag der Loveparade, der 24. Juli 2010, war mein erster Hochzeitstag. Damals war ich mit meiner Frau in Amsterdam, über Twitter haben wir erfahren, was in Duisburg passiert. Es liegt immer noch ein Schatten über Duisburg. Bei der Arbeit sprechen mich viele auswärtige Kunden auf Duisburg und den Oberbürgermeister hier an. Vor dem 24. Juli 2010 gab es so eine Art Aufbruchstimmung hier in der Stadt, auch durch das Still-Leben auf der A 40 und die Duisburger Akzente. Davon ist nichts mehr da. Wie Stadt und Verantwortliche seither kommuniziert haben, ist einfach nur beschämend. Von der Targobank hatte ich kürzlich Werbung im Briefkasten, da stand groß drauf: ‚I love Duisburg’. So etwas empfinde ich momentan als eher taktlos. An unserem zweiten Hochzeitstag fahren wir nach Holland ans Meer.“
André Lapehn, PR-Berater, Inhaber der Kommunikationsagentur „wirjetzthier“: „Der Tag der Loveparade, der 24. Juli 2010, war mein erster Hochzeitstag. Damals war ich mit meiner Frau in Amsterdam, über Twitter haben wir erfahren, was in Duisburg passiert. Es liegt immer noch ein Schatten über Duisburg. Bei der Arbeit sprechen mich viele auswärtige Kunden auf Duisburg und den Oberbürgermeister hier an. Vor dem 24. Juli 2010 gab es so eine Art Aufbruchstimmung hier in der Stadt, auch durch das Still-Leben auf der A 40 und die Duisburger Akzente. Davon ist nichts mehr da. Wie Stadt und Verantwortliche seither kommuniziert haben, ist einfach nur beschämend. Von der Targobank hatte ich kürzlich Werbung im Briefkasten, da stand groß drauf: ‚I love Duisburg’. So etwas empfinde ich momentan als eher taktlos. An unserem zweiten Hochzeitstag fahren wir nach Holland ans Meer.“ © privat
Achim Schürmann, ehemaliger Handball-Profi und Trainer des OSC Rheinhausen: „Es ist mein Eindruck, dass Duisburg in der öffentlichen Wahrnehmung sehr gelitten hat. Mit dem OSC Rheinhausen komme ich viel herum in Deutschland. In anderen Städten wird man da immer noch auf Duisburg und die Situation hier angesprochen. Wir müssen trauern und dürfen nie vergessen, aber wir Duisburger sollten immer auch daran erinnern, was die Stadt Positives zu bieten hat. Spitzensport zum Beispiel. Nach zehn Jahren in Lemgo bin ich mit meiner Frau 2003 wieder hierhin zurückgezogen, eben weil Duisburg eine tolle Stadt ist.“Foto: Tanja Pickartz / WAZ FotoPool
Achim Schürmann, ehemaliger Handball-Profi und Trainer des OSC Rheinhausen: „Es ist mein Eindruck, dass Duisburg in der öffentlichen Wahrnehmung sehr gelitten hat. Mit dem OSC Rheinhausen komme ich viel herum in Deutschland. In anderen Städten wird man da immer noch auf Duisburg und die Situation hier angesprochen. Wir müssen trauern und dürfen nie vergessen, aber wir Duisburger sollten immer auch daran erinnern, was die Stadt Positives zu bieten hat. Spitzensport zum Beispiel. Nach zehn Jahren in Lemgo bin ich mit meiner Frau 2003 wieder hierhin zurückgezogen, eben weil Duisburg eine tolle Stadt ist.“Foto: Tanja Pickartz / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Armin Schneider, Superintendent evangelischer Kirchenkreis Duisburg: „Ich arbeite ja auch als Seelsorger im Krankenhaus. Da erlebe ich, wie wichtig es ist, solche Katastrophen ins Leben zu integrieren. So muss Duisburg lernen, mit diesen 21 Toten zu leben. Das heißt nicht, auf ewig in Sack und Asche zu gehen. Von den politisch Verantwortlichen sind in Richtung der Verletzten und Hinterbliebenen Gesten und authentische Worte der Anteilnahme nicht so gekommen, wie es notwendig gewesen wäre. Aber Duisburg ist nicht sprachlos und gelähmt. Das zeigen zum Beispiel die vielen Bürgergruppen und Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass Duisburg mit diesen 21 Toten leben kann. Ihrem Einsatz muss man Respekt entgegenbringen.“Foto: Hayrettin Özcan / WAZ FotoPool
Armin Schneider, Superintendent evangelischer Kirchenkreis Duisburg: „Ich arbeite ja auch als Seelsorger im Krankenhaus. Da erlebe ich, wie wichtig es ist, solche Katastrophen ins Leben zu integrieren. So muss Duisburg lernen, mit diesen 21 Toten zu leben. Das heißt nicht, auf ewig in Sack und Asche zu gehen. Von den politisch Verantwortlichen sind in Richtung der Verletzten und Hinterbliebenen Gesten und authentische Worte der Anteilnahme nicht so gekommen, wie es notwendig gewesen wäre. Aber Duisburg ist nicht sprachlos und gelähmt. Das zeigen zum Beispiel die vielen Bürgergruppen und Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass Duisburg mit diesen 21 Toten leben kann. Ihrem Einsatz muss man Respekt entgegenbringen.“Foto: Hayrettin Özcan / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Gabriela Grillo, Unternehmerin und Sprecherin im „Bürgerkreis Gedenken“: „Die Duisburger haben das Bedürfnis, ihre Emotionen und ihr Mitgefühl offen zu zeigen. Sie haben nach dieser schrecklichen Katastrophe gelernt, zusammenzurücken und sich aktiv zu engagieren statt zu fordern, dass etwas getan werden muss. Das sind zumindest meine Beobachtungen aus dem Bürgerkreis Gedenken und der Bürgerstiftung.“ Foto: Tanja Pickartz
Gabriela Grillo, Unternehmerin und Sprecherin im „Bürgerkreis Gedenken“: „Die Duisburger haben das Bedürfnis, ihre Emotionen und ihr Mitgefühl offen zu zeigen. Sie haben nach dieser schrecklichen Katastrophe gelernt, zusammenzurücken und sich aktiv zu engagieren statt zu fordern, dass etwas getan werden muss. Das sind zumindest meine Beobachtungen aus dem Bürgerkreis Gedenken und der Bürgerstiftung.“ Foto: Tanja Pickartz © Tanja Pickartz / far
Kai Kassen aus Duisburg: „Ich bin Duisburger und ich war bei der Loveparade. Kurz vor der Katastrophe war ich noch im Tunnel. Seit dem Unglück vermeide ich es, in Duisburg wegzugehen. Die Stadt ist für mich seit der Loveparade uninteressant geworden. Ich wohne hier zwar noch, aber zum Feiern fahre ich eher nach Moers oder in andere Städte.“Foto: Sabrina Neef / FotoPool
Kai Kassen aus Duisburg: „Ich bin Duisburger und ich war bei der Loveparade. Kurz vor der Katastrophe war ich noch im Tunnel. Seit dem Unglück vermeide ich es, in Duisburg wegzugehen. Die Stadt ist für mich seit der Loveparade uninteressant geworden. Ich wohne hier zwar noch, aber zum Feiern fahre ich eher nach Moers oder in andere Städte.“Foto: Sabrina Neef / FotoPool © WAZ FotoPool
Lothar Evers, freier Journalist und Gründer der Recherche-Plattform „DocuNews.org“: „Die Stadt hat ein Bewusstsein dafür bekommen, dass sie von einer nicht unbedingt verantwortlichen Elite regiert wird. Im Rathaus sitzt eine Mannschaft, die nicht das macht, was richtig ist: Die Wahrheit sagen.“Foto: Christoph Wojtyczka / WAZ FotoPool
Lothar Evers, freier Journalist und Gründer der Recherche-Plattform „DocuNews.org“: „Die Stadt hat ein Bewusstsein dafür bekommen, dass sie von einer nicht unbedingt verantwortlichen Elite regiert wird. Im Rathaus sitzt eine Mannschaft, die nicht das macht, was richtig ist: Die Wahrheit sagen.“Foto: Christoph Wojtyczka / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Josef Krings, Alt-Oberbürgermeister: „Ich habe den Eindruck, dass Duisburg gelähmt ist. In der Verwaltung gibt es keine Entscheidungsfreudigkeit mehr. Die Menschen sind verbittert und sehnen sich nach der frischen Luft, die es vor dem Unglück gab.“ Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
Josef Krings, Alt-Oberbürgermeister: „Ich habe den Eindruck, dass Duisburg gelähmt ist. In der Verwaltung gibt es keine Entscheidungsfreudigkeit mehr. Die Menschen sind verbittert und sehnen sich nach der frischen Luft, die es vor dem Unglück gab.“ Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Frank Jebavy, Leiter des Traumzeit-Festivalbüros: „Natürlich hat sich was verändert in Duisburg. Für das Traumzeit-Festival mussten wir zum ersten Mal zwei Brandschutzkonzepte erstellen lassen, das war zeitlich und finanziell sehr aufwendig. Im Veranstaltungsbereich herrscht wegen der Sicherheitsbestimmungen eine große Verunsicherung. Atmosphärisch haben wir Auswirkungen der Loveparade beim Traumzeit-Festival nicht bemerkt. Unter Besuchern und Mitarbeitern war das kein Thema.“Foto: Andreas Mangen
Frank Jebavy, Leiter des Traumzeit-Festivalbüros: „Natürlich hat sich was verändert in Duisburg. Für das Traumzeit-Festival mussten wir zum ersten Mal zwei Brandschutzkonzepte erstellen lassen, das war zeitlich und finanziell sehr aufwendig. Im Veranstaltungsbereich herrscht wegen der Sicherheitsbestimmungen eine große Verunsicherung. Atmosphärisch haben wir Auswirkungen der Loveparade beim Traumzeit-Festival nicht bemerkt. Unter Besuchern und Mitarbeitern war das kein Thema.“Foto: Andreas Mangen © WAZ
Elke Backes, Inhaberin der Baguetterie „Gaulois“ an der Königstraße, „Ich war am Unglückstag hier im Laden, alle Raver waren gut drauf. Ich wohne in Neudorf in der Nähe des Tunnels und erinnere mich, wie die Stimmung kippte. Hier im Laden sind die Katastrophe und die Folgen ständig ein Thema unter den Gästen. Jetzt vor dem Jahrestag ist die Stimmung wieder trauriger in der Stadt. Für mich als Duisburgerin ist es manchmal komisch, außerhalb zu sagen, dass ich aus Duisburg bin. Auch wenn ich mich dafür nicht schäme. Aber seit der Loveparade ist es noch komischer.“ Foto: Sabrina Neef
Elke Backes, Inhaberin der Baguetterie „Gaulois“ an der Königstraße, „Ich war am Unglückstag hier im Laden, alle Raver waren gut drauf. Ich wohne in Neudorf in der Nähe des Tunnels und erinnere mich, wie die Stimmung kippte. Hier im Laden sind die Katastrophe und die Folgen ständig ein Thema unter den Gästen. Jetzt vor dem Jahrestag ist die Stimmung wieder trauriger in der Stadt. Für mich als Duisburgerin ist es manchmal komisch, außerhalb zu sagen, dass ich aus Duisburg bin. Auch wenn ich mich dafür nicht schäme. Aber seit der Loveparade ist es noch komischer.“ Foto: Sabrina Neef © WAZ FotoPool
Stefan-Reinhard Becker-Schmitz, Künstler: „Ich habe mich eben noch auf künstlerischer Ebene mit der Loveparade beschäftigt. Mein Kölner Kollege Allan Gretzki hat für das Projekt „Am Güterbahnhof“ Fundstücke fotografiert, die er in Duisburg gefunden hat (zu sehen auf: www.allangretzki.de, d. Red.). Diese Arbeit ist würdevoll inszeniert, finde ich. Oft lese ich vom kulturellen Niedergang in Duisburg, speziell nach der Loveparade. Ich empfinde das anders hier. Es gibt die Traumzeit, das Kollektiv „I heart Ruhr York“, neuerdings das Goldengrün. Auch in Duisburg findet noch ein kultureller Austausch statt.“ Sein ganz persönlicher Umgang mit den Ereignissen um die Loveparade: http://beckerschmitz.tumblr.com/tagged/Loveparade Foto: Pascal Bruns
Stefan-Reinhard Becker-Schmitz, Künstler: „Ich habe mich eben noch auf künstlerischer Ebene mit der Loveparade beschäftigt. Mein Kölner Kollege Allan Gretzki hat für das Projekt „Am Güterbahnhof“ Fundstücke fotografiert, die er in Duisburg gefunden hat (zu sehen auf: www.allangretzki.de, d. Red.). Diese Arbeit ist würdevoll inszeniert, finde ich. Oft lese ich vom kulturellen Niedergang in Duisburg, speziell nach der Loveparade. Ich empfinde das anders hier. Es gibt die Traumzeit, das Kollektiv „I heart Ruhr York“, neuerdings das Goldengrün. Auch in Duisburg findet noch ein kultureller Austausch statt.“ Sein ganz persönlicher Umgang mit den Ereignissen um die Loveparade: http://beckerschmitz.tumblr.com/tagged/Loveparade Foto: Pascal Bruns © Pascal Bruns
Jana Filtmann aus Duisburg: „Es ist schon auffällig, dass alle Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden sind. Ich wäre gerne mit Freunden zum Parkfest nach Moers gegangen, aber das wurde abgesagt. So etwas wäre doch vor der Loveparade nicht passiert.“Foto: Sabrina Neef
Jana Filtmann aus Duisburg: „Es ist schon auffällig, dass alle Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden sind. Ich wäre gerne mit Freunden zum Parkfest nach Moers gegangen, aber das wurde abgesagt. So etwas wäre doch vor der Loveparade nicht passiert.“Foto: Sabrina Neef © WAZ FotoPool
Michael Rubinstein, Geschäftsführer Jüdische Gemeinde Duisburg – Mülheim/Ruhr – Oberhausen: „Es hat sich schon was verändert. Vor der Loveparade haben wir im Bekanntenkreis über Duisburgs tolle Entwicklung gesprochen. Darüber, dass die Stadt schöner ist, als man sie außerhalb wahrnimmt. Im vorigen Jahr tappt Duisburg von einem Fettnäpfchen ins andere, da gibt’s ja auch noch die Küppersmühle und das Landesarchiv. Das bedrückt mich schon sehr. Ich habe in ganz Deutschland viele Freunde und Bekannte, die sprechen mich seit der Loveparade schon massiv auf Duisburg an. Da empfinde ich oft solch einen Rechtfertigungsdruck. Da fällt es schwer, Duisburgs Vorzüge anzubringen. Die echten, ehrlichen Menschen hier zum Beispiel. Es sind ja dieselben Menschen, die hier leben. Und ich fühle mich trotz allem immer noch sauwohl hier.“Foto: Friedhelm Geinowski/WAZFotoPool
Michael Rubinstein, Geschäftsführer Jüdische Gemeinde Duisburg – Mülheim/Ruhr – Oberhausen: „Es hat sich schon was verändert. Vor der Loveparade haben wir im Bekanntenkreis über Duisburgs tolle Entwicklung gesprochen. Darüber, dass die Stadt schöner ist, als man sie außerhalb wahrnimmt. Im vorigen Jahr tappt Duisburg von einem Fettnäpfchen ins andere, da gibt’s ja auch noch die Küppersmühle und das Landesarchiv. Das bedrückt mich schon sehr. Ich habe in ganz Deutschland viele Freunde und Bekannte, die sprechen mich seit der Loveparade schon massiv auf Duisburg an. Da empfinde ich oft solch einen Rechtfertigungsdruck. Da fällt es schwer, Duisburgs Vorzüge anzubringen. Die echten, ehrlichen Menschen hier zum Beispiel. Es sind ja dieselben Menschen, die hier leben. Und ich fühle mich trotz allem immer noch sauwohl hier.“Foto: Friedhelm Geinowski/WAZFotoPool © WAZ FotoPool
Stefan Wilken, Mannschaftsbetreuer beim FCR Duisburg, Junior-Chef bei „Fisch Wilken“ am Sonnenwall und ehemaliger Duisburger Karnevalsprinz: „Als Geschäftsmann fällt mir auf, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung gehemmt wirken, wenn sie etwas entscheiden sollen. Sie begutachten Sachverhalte zuweilen übervorsichtig. Bei den Bundesliga-Spielen des FCR kommen die Leute, weil sie Fußball sehen wollen, da ist die Loveparade am Platz kein Thema mehr. Auch außerhalb werden wir als FCR kaum darauf angesprochen. In der Session 2011 hat sich auch Vieles verändert: Die KG Allemann an Bord etwa durfte aus Sicherheitsgründen erstmals das Foyer am Mannesmann-Gymnasium nicht mehr nutzen. Die Karnevalisten haben aber nicht anders gefeiert als in den Jahren zuvor. Auf den Sitzungen sind die Loveparade und die Folgen eigentlich kein Thema.“Foto: Archiv
Stefan Wilken, Mannschaftsbetreuer beim FCR Duisburg, Junior-Chef bei „Fisch Wilken“ am Sonnenwall und ehemaliger Duisburger Karnevalsprinz: „Als Geschäftsmann fällt mir auf, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung gehemmt wirken, wenn sie etwas entscheiden sollen. Sie begutachten Sachverhalte zuweilen übervorsichtig. Bei den Bundesliga-Spielen des FCR kommen die Leute, weil sie Fußball sehen wollen, da ist die Loveparade am Platz kein Thema mehr. Auch außerhalb werden wir als FCR kaum darauf angesprochen. In der Session 2011 hat sich auch Vieles verändert: Die KG Allemann an Bord etwa durfte aus Sicherheitsgründen erstmals das Foyer am Mannesmann-Gymnasium nicht mehr nutzen. Die Karnevalisten haben aber nicht anders gefeiert als in den Jahren zuvor. Auf den Sitzungen sind die Loveparade und die Folgen eigentlich kein Thema.“Foto: Archiv © NRZ
Bodo Malsch, bis Mai Präsident des Hauptausschusses Duisburger Karnevals (HDK): „Bei den Veranstaltungen in der Session war keine getrübte Stimmung festzustellen. Prinz Jürgen II. hat das schön gesagt: Es gibt eine Zeit zu trauern und eine Zeit zu feiern. Und gerade vor dem Hintergrund erschwerter Genehmigungsverfahren war die Grundhaltung vieler Jecken: Jetzt erst recht! Beim Prinzenfrühstück im Rathaus, als OB und Bürgermeister nicht verkleidet waren, war eine ganz seltsame Stimmung. Sich nicht zu kostümieren, aber mitzusingen und zu klatschen – das war schon merkwürdig.“  Foto: Friedhelm Geinowski
Bodo Malsch, bis Mai Präsident des Hauptausschusses Duisburger Karnevals (HDK): „Bei den Veranstaltungen in der Session war keine getrübte Stimmung festzustellen. Prinz Jürgen II. hat das schön gesagt: Es gibt eine Zeit zu trauern und eine Zeit zu feiern. Und gerade vor dem Hintergrund erschwerter Genehmigungsverfahren war die Grundhaltung vieler Jecken: Jetzt erst recht! Beim Prinzenfrühstück im Rathaus, als OB und Bürgermeister nicht verkleidet waren, war eine ganz seltsame Stimmung. Sich nicht zu kostümieren, aber mitzusingen und zu klatschen – das war schon merkwürdig.“ Foto: Friedhelm Geinowski © WAZ FotoPool
Alica Kunze aus Duisburg: „Das letzte Jahr ist davon bestimmt, dass alle von der Loveparade reden. Gerade außerhalb von Duisburg ist die Loveparade ein großes Thema, man wird als Duisburger immer wieder darauf angesprochen. Schade finde ich, dass man nichts von den Ermittlungen mitbekommt.“
Alica Kunze aus Duisburg: „Das letzte Jahr ist davon bestimmt, dass alle von der Loveparade reden. Gerade außerhalb von Duisburg ist die Loveparade ein großes Thema, man wird als Duisburger immer wieder darauf angesprochen. Schade finde ich, dass man nichts von den Ermittlungen mitbekommt.“ © WAZ FotoPool
Thomas Amshove, Inhaber Goldengrün (eröffnet im Oktober 2010): „Nach der Loveparade ist es noch schwieriger geworden, hier Veranstaltungen durchzuführen. Die Kluft zwischen der Stadt einerseits und Kulturschaffenden und Veranstaltern andererseits ist noch größer geworden. Der eine traut dem anderen nicht mehr. An den Tischen ist sicher Herr Sauerland ab und zu noch ein Thema, aber da gibt’s für uns Wichtigeres: beispielsweise, dass hier eine ganze Infrastruktur wegbricht. Es gibt in Duisburg keine einzige Tanzfläche mehr! Je mehr Optionen, desto mehr Gäste. Seit es Djäzz und Hundertmeister nicht mehr gibt, fehlen auch uns die Leute, gerade am Wochenende.“
Thomas Amshove, Inhaber Goldengrün (eröffnet im Oktober 2010): „Nach der Loveparade ist es noch schwieriger geworden, hier Veranstaltungen durchzuführen. Die Kluft zwischen der Stadt einerseits und Kulturschaffenden und Veranstaltern andererseits ist noch größer geworden. Der eine traut dem anderen nicht mehr. An den Tischen ist sicher Herr Sauerland ab und zu noch ein Thema, aber da gibt’s für uns Wichtigeres: beispielsweise, dass hier eine ganze Infrastruktur wegbricht. Es gibt in Duisburg keine einzige Tanzfläche mehr! Je mehr Optionen, desto mehr Gäste. Seit es Djäzz und Hundertmeister nicht mehr gibt, fehlen auch uns die Leute, gerade am Wochenende.“ © privat
Ursula Taubert aus Duisburg: „Ich finde, das Denken ist im vergangenen Jahr anders geworden. Man geht vorsichtiger mit allem um. Meine 14-jährige Tochter war nicht bei der Loveparade, aber wenn sie jetzt zu einer Veranstaltung mit vielen Menschen gehen wollte, hätte ich schon ein richtig ungutes Gefühl.“ Foto: Sabrina Neef / FotoPool
Ursula Taubert aus Duisburg: „Ich finde, das Denken ist im vergangenen Jahr anders geworden. Man geht vorsichtiger mit allem um. Meine 14-jährige Tochter war nicht bei der Loveparade, aber wenn sie jetzt zu einer Veranstaltung mit vielen Menschen gehen wollte, hätte ich schon ein richtig ungutes Gefühl.“ Foto: Sabrina Neef / FotoPool © WAZ FotoPool
Hildegard Knöpfel aus Duisburg: „Das Image der Stadt hat im letzten Jahr sehr gelitten. Ärger und Wut sind zu spüren, weil einfach niemand die Verantwortung für die Katastrophe übernehmen will. Oberbürgermeister Sauerland muss zurücktreten. Am Freundeskreis meines Sohnes sehe ich, dass Treffen eher in kleiner Runde stattfinden, als auf Massen-Veranstaltungen.“Foto: Sabrina Neef
Hildegard Knöpfel aus Duisburg: „Das Image der Stadt hat im letzten Jahr sehr gelitten. Ärger und Wut sind zu spüren, weil einfach niemand die Verantwortung für die Katastrophe übernehmen will. Oberbürgermeister Sauerland muss zurücktreten. Am Freundeskreis meines Sohnes sehe ich, dass Treffen eher in kleiner Runde stattfinden, als auf Massen-Veranstaltungen.“Foto: Sabrina Neef © WAZ FotoPool
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