Duisburg. Seit Wochen ist die Heizung eines ganzen Wohnblocks in Duisburg kaputt. Es gibt kein warmes Wasser. Kinder sind krank, Mieter verzweifeln.

Sie alle verzweifeln und haben die ersten warmen Sonnentage inständig herbeigesehnt. Seit dem 28. März ist die Heizanlage eines Marxloher Wohnblocks kaputt. Tagsüber kroch das Thermometer in den 32 betroffenen Mietwohnungen an der Ottostraße und Friedrich-Engels-Straße meist nicht höher als 17 Grad Celsius. Wärme spenden nur kleine Heizlüfter. Besonders nachts haben die Familien mit Kindern, Senioren, Ehepaare und Jugendliche sehr oft gefroren. Sie haben deshalb mit dicken Pullovern, mit Wolldecken und Wärmflaschen schlafen müssen.

„Hier sind fast alle krank“, sagt Dieter Haferkamp, der 1976 mit seiner Frau als Erstbezieher in den Wohnblock einzog. Er berichtet der Redaktion Ende April von mindestens zwei Dutzend erkälteten Nachbarn, von Husten mit rasselnden Lungen, von Fieber, laufenden Nasen, Schüttelfrost und von weinenden Kindern. „Wir stellen uns nicht an, es ist hier wirklich kalt“, bekräftigt der 75-Jährige.

Im April hat es Außentemperaturen zwischen 4 und 18 Grad gegeben. Die Kinder von Nachbar Abu Chalah sind drei, elf und 13 Jahre alt, hätten „Husten, Schnupfen und Schüttelfrost“ gehabt, sagt der Vater, und die beiden älteren Geschwister konnten dadurch zeitweise die Schule nicht besuchen.

Seit einigen Jahren mache die Heizungsanlage „immer Probleme“, sagt Langzeitmieter Dieter Haferkamp. Mal sei sie nur lauwarm; komplett ausgefallen sei sie bisher nur in der Sommerzeit. Diesmal sei die Situation schlimmer. „Hier leiden Kinder, das ist erbärmlich.“ Zudem leben auch pflegebedürftige, teils bettlägerige Menschen in dem Wohnblock.

Wochenlang musste sich Dieter Haferkamp auf seinen elektrischen Heizlüfter verlassen, damit er in seiner Mietwohnung in Duisburg-Marxloh nicht fror.
Wochenlang musste sich Dieter Haferkamp auf seinen elektrischen Heizlüfter verlassen, damit er in seiner Mietwohnung in Duisburg-Marxloh nicht fror. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Anders als viele seine Nachbarn ist das Ehepaar Haferkamp durch die Erfahrungen früherer Jahre längst darauf vorbereitet, dass die Heizung ausfällt. Sie haben Heizdecken und Heizlüfter und natürlich einen Wasserkocher. Denn ohne Heizung kommt nur kaltes Wasser aus den Leitungen. Dass es noch schlimmer kommen kann, wissen die beiden; so war vor gut drei Jahren sogar das Wasser komplett abgestellt worden.

32 Wohnungen in Duisburg-Marxloh haben wochenlang weder Heizung noch warmes Wasser

„Damit ich mich einmal duschen kann, muss ich 20 Liter im Wasserkocher warm machen“, schildert Aliberta Rashkova. Natürlich möchte die 16-Jährige nicht auf heiße Duschen verzichten und keine Abstriche bei ihrer Körperhygiene machen. Dennoch nervt sie die Situation sehr – wie alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner. „Das neue Hobby meiner Frau ist Wasserkochen“, flachst Haferkamp. Galgenhumor ist derzeit im Viertel weit verbreitet. Dennoch wollen und können sich nicht alle betroffenen Mieter leisten, ihr Duschwasser elektrisch zu erhitzen. Sie greifen zum Waschlappen. Sparsam gehen aber alle mit warmen Wasser um. Solange die Reparatur aussteht, werden kaum noch Böden gewischt, Fenster geputzt oder Türen abgewaschen.

„Wir halten alle zusammen“, betont Hacer Madan. So werden etwa überzählige Heizlüfter und Decken untereinander verliehen und möglichst alle über ihre Mieterrechte aufgeklärt. Neuigkeiten der zuständigen Hausverwaltung ZBVV werden ebenfalls zügig in alle 32 Wohnungen getragen.

Nicolo Strazzire pflegt seinen schwerkranken Schwiegervater (87). Die aktuelle Situation durch die kaputte Heizanlage empfindet er als kaum erträglich.
Nicolo Strazzire pflegt seinen schwerkranken Schwiegervater (87). Die aktuelle Situation durch die kaputte Heizanlage empfindet er als kaum erträglich. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zuletzt gab es jedoch wenig zu berichten. Der spartanische Aushang einer Handwerkerfirma informierte lediglich über die defekte Heizung. Ansonsten habe die ZBVV bisher nur bestätigt, sagen die Anwohner, dass Schadensmeldungen und Beschwerden eingegangen seien. „Wir haben noch keine Informationen und noch keine Entschuldigung bekommen“, ärgert sich Dieter Haferkamp, der in den vergangenen Wochen möglichst oft auf die Gemeinschaftsduschen seines Schwimmvereins zurückgriffen hat.

Zwar habe die Hausverwaltung auf seine jüngste Ankündigung, die Kaltmiete um 75 Prozent zu kürzen, zügig geantwortet. Wann aber repariert wird? Diese Antwort sei die ZBVV bislang schuldig geblieben.

Gerüchte gehen um im Viertel: Sollen die Mieter aus den Wohnungen geekelt werden?

„Wir behalten die Hoffnung, dass eine Lösung gefunden wird. Aber wir haben keine Geduld mehr“, sagt Hacer Madan. Die vergangenen Wochen in dem Wohnblock seien sehr anstrengend gewesen. Zudem hätten viele Sorge vor einer saftigen Stromrechnung. Längst haben viele Nachbarn ans Umziehen gedacht. Madan gehört auch dazu, doch für eine Familie mit zwei Kindern gebe es „kaum Wohnungen, die Mieten sind viel zu hoch“. Dass vor allem die Nächte inzwischen wärmer geworden sind, hilft den Betroffenen beim Durchhalten.

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Doch aktuell geht ein schlimmes Gerücht im Viertel um: Der Vermieter wolle gar nicht reparieren, sondern die Mieter zermürben und zum Auszug zwingen. Dann könnten die 32 Wohnungen viel teurer vermietet werden.

Nikos und Katerina Ntivas aus Griechenland glauben nicht an dieses Gerücht. Die jungen Eltern lernen gerade Deutsch und erzählen auf Englisch, dass sie mit ihren beiden Kindern erst Mitte Februar an der Ottostraße eingezogen sind. Ihre Monatsmiete ist nur gut hundert Euro höher als die von Langzeitmieter Dieter Haferkamp. Dass sie bis zur Reparatur ihre Miete kürzen dürfen, hat Familie Ntivas aber erst kürzlich von Nachbarn erfahren.

Hausverwaltung ZBVV verspricht Hilfe und will Heizung reparieren lassen

Für „alle betroffenen Mieter“, so kündigt es die Hausverwaltung ZBBV jetzt auf Nachfrage der Redaktion an, werde die Ausfallzeit der Heizung durch Mietminderungen ausgeglichen, und „die durch Zusatzgeräte anfallenden Stromkosten werden ebenso berücksichtigt“. Zudem sollen auf Wunsch kostenlose Heizgeräte gestellt werden.

Die Reparaturarbeiten der Heizungsanlage sind demnach freigegeben und der beauftragte Handwerkerbetrieb hätte bereits vergangene Woche damit beginnen dürfen. Sie sollen schnellstmöglich durchgeführt werden. Der Auftrag habe sich verzögert, so ein Sprecher, weil sich die ZBVV mit einem Handwerkerbetrieb nicht über die „notwendigen Arbeiten und Ersatzteile“ einig war. Allen Mieterinnen und Mietern, die sich wegen der kaputten Heizung gemeldet hätten, seien „hierzu einzeln informiert“ worden.

Das kann Dieter Haferkamp zwar nicht bestätigen. Jedoch freut er sich darüber, genau wie seine Frau und seine Nachbarn, dass die Heizung bald wieder läuft und warmes Wasser aus dem Duschkopf kommt.

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