Duisburg. Ein Sternekoch erteilt seinem eigenen Traum vom zweiten Stern im Guide Michelin eine Absage – vorerst jedenfalls. Das sind seine Gründe.
Fast 60.000 klassische Restaurants gibt es in Deutschland, 340 davon dürfen sich mit (mindestens) einem Stern des Guide Michelin schmücken. Wer einen davon erkocht hat, strebt für gewöhnlich nach dem zweiten. Nicht so Sven Nöthel: Der Chef des einzigen Sterns am Duisburger Gastronomie-Himmel, dem Restaurant Mod, setzt bewusst andere Prioritäten.
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Um das klarzustellen: Nöthel respektiert die Sterne, die höchste Auszeichnung, die es zu gewinnen gibt, wenn es um den erlesenen Geschmack geht. Er ehrt und schätzt den Preis ebenso wie die Institution, die sie vergibt. „Krass, unfassbar, unglaublich“: So feierte er 2022 den Stern, den er mit dem Mod, gerade mal ein halbes Jahr geöffnet, nach Duisburg holte. Aber er sagt auch: „Der zweite Stern steht nicht im Fokus, nächstes oder übernächstes Jahr.“
Hinter dem Mod steht kein Investor. 300.000 Euro investierte Nöthel, um den ehemaligen Kuhstall in Duisburg-Homberg zum „Mod by Sven Nöthel“ umzubauen. Ein Geldgeber hätte es einfacher gemacht.
Aber Nöthel verdirbt ein abschreckendes Beispiel den Appetit aufs schnelle Geld: 2018 schloss von einem Tag auf den anderen das Osnabrücker Restaurant „La Vie“, bis dahin Jahr für Jahr mit drei Sternen im Guide Michelin dekoriert. Der Investor hatte sich zurückgezogen. 30 Mitarbeiter verloren ihren Job, darunter einer von Deutschlands Spitzenköchen.
Ein bitterer Abgang, den Nöthel für sich und sein Team ausschließen will – und darum auch einen Investor. „Ich würde mich in meinem Leben nie wieder abhängig machen“, sagt er. „Diese Freiheit ist mir viel, viel wichtiger als der zweite Stern.“
Darum will Koch Sven Nöthel keinen Investor für sein Sterne-Restaurant Mod
Der Preis, den er dafür zahlt: Im Gegensatz zu anderen Gourmet-Restaurants, deren Investoren schon mal sechsstellige Summen im Jahr reinbuttern, muss das Mod wirtschaftlich arbeiten. „Wir müssen davon unser Leben finanzieren, unsere Kinder großziehen, sind für 37 Mitarbeiter verantwortlich.“ Das wirkt sich direkt auf die Speisekarte aus. Und damit auf die Frage: ein Stern oder zwei.
Kalbsbries, Schnecken: Daraus lassen sich Gänge kreieren, die das Kritikerherz höher schlagen lassen – aber weniger das der Gäste. „Automatisch hast Du weniger Acht-Gang“, bilanziert Nöthel. Wer stattdessen nur vier oder sechs Gänge bestellt, zahlt 20 oder 50 Euro weniger für das Menü. „Oder sie reservieren nicht und warten bis zur nächsten Karte.“
Ein leerer Tisch aber bedeutet ein Minus in der Bilanz. „Für uns ist wichtig, auch Dienstag oder Mittwoch neun Tische zu belegen.“ Also Beete statt Bries, Spargel statt Schnecken. Weniger Selbstverwirklichung; kein Griff nach dem zweiten Stern um jeden Preis. Dafür: mehr Wirtschaftlichkeit. „Es ist ein unheimlich schmaler Grat zwischen Geldverdienen und Auszeichnungen.“
300 Euro für ein Drei-Sterne-Menü: Ist das noch angemessen?
Hinzu kommt: Ein zweiter Stern kostet Geld, das Wirtschaftsunternehmen Restaurant ebenso wie den Gast. „Ich als Koch überlege, ob ich 300 Euro für ein Drei-Sterne-Menü ausgebe, ob ich das noch angemessen finde“, sagt Nöthel.
149 Euro kosten acht Gänge im Mod. Um den Preis zu halten, setzt der Sternekoch bewusst auf Zutaten, die erst durch ihre Zubereitung zur Delikatesse werden. „Mit einer Gurke kannst Du so viele geile Sachen machen, und die kostet Dich 1,19 Euro. Es muss nicht immer das teuerste Produkt sein.“
Das Mod hat seine Preise seit der Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie im Gegensatz zu vielen anderen Restaurants nicht erhöht. „Wenn keiner anfängt zu sagen: Es reicht auch mal – wo kommen wir hin?“, fragt Nöthel. „Das ist mein Weg, zu sagen: Es ist eine Grenze erreicht.“
Hat Duisburgs Mod die Chance auf einen zweiten Michelin-Stern?
Diese Grenze will er auch nicht für noch höhere Weihen im Guide Michelin überschreiten. Für sich selbst, für die Mitarbeiter, für die Gäste. Kostet ihn diese Überzeugung am Ende den Traum vom weiteren Aufstieg im Guide Michelin?
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Es wäre schade: für Nöthel, aber auch für die Sterneküche an sich. Ganz aufgeben will der Chef des Mod den Gedanken an einen weiteren Michelin-Stern nicht. „Aus dem reinen Ego heraus würde ich natürlich gern den zweiten Stern haben.“
>> Mod-Gäste kommen von Köln bis Dortmund nach Duisburg
- Im Restaurant Mod by Sven Nöthel, ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern, gehen nicht nur Duisburger essen: Das Einzugsgebiet erstreckt sich nach Nöthels Angaben von Köln und Düsseldorf bis nach Dortmund und Recklinghausen und umfasst außerdem den gesamten Niederrhein.
- Einige der Gäste im Mod kommen mehr als nur regelmäßig: „Letztes Jahr war ein Gast 37 mal da“, verrät Sven Nöthel. Kein Einzelfall: „Locker 20 Personen kommen 30-mal im Jahr.“