Rheinhausen-Mitte: Krupp-Hütte ließ Dörfer zusammenwachsen
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Duisburg. Wie das Gebiet zwischen Hochemmerich und Friemersheim Stadtzentrum wurde: eine Stadtteil-Geschichte mit vielen alten Fotos von Rheinhausen.
Rheinhausen-Mitte und Schwarzenberg waren über Jahrhunderte ein weißer Fleck auf der Landkarte: keine Siedlung, keine Gehöfte, nur Felder und Wald. Dann kam die Krupp-Hütte, und die umliegenden Dörfer wuchsen zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Zeitpunkt gekommen, dafür ein neues Stadtkerngebiet zu schaffen.
Dieses Gebiet war in vorgeschichtlicher Zeit vom Rhein durchflossen. Der hat sich später nach Osten verlagert, setzte aber bei Hochwasser immer noch die Gegend bis zu zehn Kilometer weit unter Wasser. Das verhindern erst seit rund 100 Jahren weiträumige Deiche. Überragte in alter Zeit eine Kuppe die Umgebung um wenige Meter, erhielt sie gleich die Bezeichnung „berg“, denn damit war sie meist hochwasserfrei, wie etwa Schwarzenberg.
Adel und Kirche besitzen das Land
Steinbeile von dort belegen, dass schon vor 4000 Jahren Menschen die Gegend betreten haben. Beim Bertha-Krankenhaus wurde 1951 eine Urne aus der Zeit zwischen 800 und 450 vor Christus gefunden. Aus dem 6. Jahrhundert nach Christus stammen drei Gefäße vom Schwarzenberg.
Zu dieser Zeit gehörte Rheinhausen zum Fränkischen Reich. Die Franken waren Christen. Von ihrer Zeit an hat sich für über 1000 Jahre ein Neben- und Miteinander von Kirche und Staat entwickelt, mit der Kirche als Staat im Staate. Der Landbesitz war unter die Adligen aufgeteilt. Davon schenkten sie einen Teil den Klöstern. Die jeweiligen Ländereien lagen teils weit verstreut.
Im Wald die Schweine mästen
Auf dem Schwarzenberg hatten zum Beispiel der Hof Daniels des Klosters Essen-Werden (1477 erstmals erwähnt), der Bauer Heckhoff und der Kerskenhof, alle in Hochemmerich, Grundbesitz. Die Nellen-Ackerwirtschaft in Werthausen besaß dort ebenso Parzellen wie der Lenzenhof (1571 erstmals erwähnt). Darauf stehen heute das Bezirksrathaus und die Häuser, die der Spar- und Bauverein Hochemmerich kurz vor und nach dem Zweiten Weltkrieg an Arndt- und Schillerstraße gebaut hat.
Rückblick: Historische Fotos aus Rheinhausen-Mitte
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Der Wald war zur Zeit der Franken meist Staatsbesitz. Er ging im Hoch- und Spätmittelalter häufig auf Klöster wie das in Werden über, gelangte dann zunächst vereinzelt, in der Zeit der französischen Herrschaft (ab 1795) verstärkt in Privatbesitz. Zu Zeiten der Klöster durften ihn die Bauern der Umgebung nutzen, um ihre Schweine dort fressen zu lassen und um Brennholz zu sammeln.
Französische Besatzung hebt den Kirchenbesitz auf
Ohne große Konflikte ging die Grafschaft ab 1531 zur neuen evangelischen Konfession über. Kirche und Schule lagen in Hochemmerich. Den katholischen Klöstern blieben nur noch ihre Höfe und Felder, bis sie selbst 1802/03 aufgehoben wurden.
Blickt man auf Karten von Anfang des 19. Jahrhunderts, dann war Rheinhausen-Mitte nur durch wenige Wege erschlossen. Es gab schon die Schwarzenberger Straße, ebenso die Friedrich-Ebert-Straße, die bis zur Kaiserstraße nach Friemersheim führte. In West-Ost-Richtung hat der Herkenweg nach Bliersheim sie gekreuzt. Im Norden hat Ackerland dominiert, im Süden Wald.
Schwarzenberg hat 1861 nur 195 Einwohner
Die Grenze zwischen den Gemeinden Friemersheim und Hochemmerich lief durch dieses Gebiet. 1923 schlossen beide sich zusammen.
Selbst um 1900 waren nur die Beguinenstraße, die alte Krefelder Straße sowie der Herkenweg bebaut. Schwarzenberg hatte 1861 ganze 195 Einwohner. 1918 waren es schon 970.
Krupp kauft über sechs Millionen Quadratmeter Land auf
Die Hütte florierte, Arbeitskräfte wurden benötigt, zogen meist von außerhalb zu. Binnen weniger Jahre geriet die bäuerliche Bevölkerung in die Minderheit. Wohnraum für die Zugezogenen wurde geschaffen. Nur Rheinhausen-Mitte blieb davon zunächst unberührt. Selbst Gewerbe siedelte sich kaum an. An der Krefelder Straße/Ecke Stormstraße gab es die Molkerei Cölfen. Dort stehen heute neue Wohngebäude. Auf dem Schwarzenberg gab es die Ziegelei von Symon Reis.
Bäuerliche Bevölkerung gerät in die Minderheit
1918, nach dem Ersten Weltkrieg, besetzten belgische Truppen das linke Rheinufer und erschwerten den Austausch mit der anderen Rheinseite. In Rheinhausen waren rund 1000 Soldaten stationiert. Ihr Lager entstand südlich der Schwarzenberger Straße. Erst Anfang 1926 zogen sie ab.
Das frühere Hauptgebäude der Belgier wurde ab 1939 als Stadttheater genutzt. Als 1977 die Rheinhausenhalle fertig war, wurde es nicht mehr benötigt und 1979 abgerissen.
Rasanter Bevölkerungsanstieg in den 1950er Jahren
Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg haben Rheinhausen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Bei Kriegsende 1945 war ein Drittel des Wohnraums von 1939 zerstört. Die Wohnungsnot war also groß. Da die Krupp-Hütte schnell wieder ans Laufen kam und sich ausdehnte, stieg allein von 1950 bis 1961 die Einwohnerzahl der Stadt von 51.548 auf 68.126 Personen an.
Zwischen Hochemmerich und Friemersheim wurde der neue Stadtkern geplant. 20.000 Menschen sollte er Wohnraum bieten. So viele wurden es dann doch nicht.
Rheinhausen-Mitte hat heute etwa 10.000 Einwohner. Aber das neue Zentrum mit Verwaltungsgebäude, Post, Bücherei, Stadthalle, Hallenbad, Schule, Stadttheater und Sporthalle entstand bis Mitte der 1960er Jahre. Dann stagnierte der Zustrom bereits wieder.
Von der Schlosserei zum Unternehmen von Weltrang
Auch das Straßennetz wurde angepasst. Die Lindenallee als neue Querverbindung war der Ersatz für den Herkenweg, wurde ab 1955 gebaut. 1961 wurde die Friedrich-Ebert-Straße in der heutigen Lage als Autostraße angelegt. Sie ersetzte die alte Bahnhofstraße.
Krupp Stahlbau, anfangs nur die Schlosserei der Hütte, später aber selbst ein Unternehmen von Weltrang, hat seine Hauptverwaltung an der Parallelstraße gehabt. 1966 waren 5332 Menschen in Produktion und Verwaltung tätig. Die Produktion wanderte 1978 nach Essen. Das Verwaltungsgebäude stand seit 1996 leer, wurde 2022 abgerissen.
Immer mehr Katholiken wandern zu
Rheinhausen war seit rund 370 Jahren rein evangelisch, als wegen Krupp viele katholische Familien zuzogen. Für sie wurde 1906 auf dem Feld an der Bahnhofstraße eine erste Notkirche gebaut und 1918 wieder abgerissen. 1958 wurde die Marienkirche in Schwarzenberg fertig. Sie wurde 2022 entweiht. Die evangelische Erlöserkirche (von 1962) im neuen Stadtkern gibt es bis heute.
>> Von sieben gebauten Schulen werden noch fünf genutzt
Sieben Schulgebäude wurden gebaut, fünf dienen bis heute als Schulen: 1918 auf dem Schwarzenberg die erste Mittelschule (heute Bezirksrathaus); 1923 die weltliche Volksschule an der Pestalozzistraße (heute Gemeinschaftsgrundschule); 1929 der Neubau für das Mädchen- und das Jungengymnasium an der Schwarzenberger Straße (seit 1987 Kultur- und Freizeitzentrum); 1955 die katholische Graf-von-Galen-Schule an der Ulmenstraße (heute Lise-Meitner-Gesamtschule); 1961 die Realschule Rheinhausen am Körnerplatz (heute Green-Gesamtschule); 1963 die Volksschule an der Beethovenstraße (heute Gemeinschaftsgrundschule); 1967 die Hauptschule an der Lessingstraße (heute Lise-Meitner-Gesamtschule).
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