Duisburg. Ingrid und Janina sind hochbegabt. Wie die Duisburgerinnen von ihrem hohen Intelligenzquotienten erfahren haben und wie dieser ihr Leben beeinflusst.
Janina Kleinemenke (43) und Ingrid Lehmann (60) sind hochbegabt. Dass sie das erfahren haben, ist aber noch gar nicht so lange her: Ingrid war 53, Janina 37. In dieser Woche unterstützen die beiden Duisburgerinnen in ihrer Heimatstadt bei der Organisation des bundesweiten Jahrestreffens von Mensa e.V., dem größten Netzwerk für Hochbegabte in Deutschland.
Bei dem Treffen vom 3. bis zum 7. April kommen etwa 700 Hochbegabte aus ganz Deutschland sowie Interessierte in der Mercatorhalle in der Duisburger Innenstadt zusammen (wir berichteten). Auf dem Programm stehen Vorträge, gemeinsame Ausflüge und Workshops.
Kurz vor Beginn des Treffens berichten Kleinemenke und Lehmann im Gespräch über ihre Hochbegabung. Warum haben sie erst so spät davon erfahren? Was hat sich in Privatleben und Berufsalltag verändert? Und vor allem: Was bedeutet es überhaupt, hochbegabt zu sein?
Was bedeutet Hochbegabung überhaupt?
- Nur rund zwei Prozent der Bevölkerung sind hochbegabt. Heißt: Sie haben einen Intelligenzquotienten (IQ) von 130 oder höher. Man spricht auch von einem „positiven“ IQ-Test.
- Außerdem gibt es noch die „Triple-Niner“. Ihr IQ liegt bei über 145 – und damit höher als bei 99,9 Prozent der Menschheit.
- Neben einem hohen IQ haben Hochbegabte besondere verbale, räumlich-abstrakte oder mathematische Fähigkeiten.
- Eine Hochbegabung bedeutet nicht automatisch einzigartige Leistungen. Charakter und Förderung spielen hier eine wichtige Rolle.
Hochbegabung: Im Nachhinein sieht man die Anzeichen klarer
Janina Kleinemenke unterrichtet Spanisch und Mathematik am Gymnasium. Vor dem Lehramtsstudium hat sie kurze Zeit etwas anderes studiert: „Einen geraden Karriereweg gibt es bei Hochbegabten oft nicht.“ Ihr ehemaliger Chorleiter erzählte ihr 2017 von Mensa. Im Gespräch erkannte sie einige Anzeichen einer Hochbegabung bei sich selbst – so konnte sie schon vor der Schule lesen und bekam trotz geringen Lernaufwands gute Schulnoten. Kurz danach machte sie den Test, der positiv ausfiel.
Mittlerweile weiß sie, dass ihre Hochbegabung sich vor allem bei Fremdsprachen und Mathematik bemerkbar macht, passend zu ihrem Beruf. Rückblickend findet sie ihre schnelle Auffassungsgabe nicht ungewöhnlich. „In meinem Freundeskreis waren wir damals alle Lehrerkinder und somit sowieso die ‚Streber‘“, sagt sie lachend. Ihre Eltern legten zudem immer großen Wert auf kulturelle Bildung. Kleinemenke hat daher auch nicht den Eindruck, ihr hätte eine besondere Förderung oder das Wissen um ihre Hochbegabung gefehlt.
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Ähnlich geht es Ingrid Lehmann: „Es ist schwer zu sagen, ob was gefehlt hat, wenn man es gar nicht anders kennt.“ Ihr Sohn machte 2010 den positiven IQ-Test, sie selbst erst 2015. In ihrer Jugend war das Thema Hochbegabung noch gar kein Thema. Später studierte sie als erste in ihrer Familie und arbeitet mittlerweile seit 30 Jahren in der IT. Ihre Hochbegabung sieht sie aber vorrangig in der deutschen Sprache: In ihrer Freizeit schreibt sie Gedichte.
Bisher haben die beiden Duisburgerinnen keine negativen Reaktionen auf ihre Hochbegabung bekommen. Es gebe höchstens mal lustig gemeinte Sprüche von Kollegen. Es muss aber auch nicht jeder Bescheid wissen. „Wenn man schon weiß, dass Leute negativ reagieren könnten, erzählt man es gar nicht erst“, so Lehmann.
Über den Intelligenzquotienten spricht man bei Mensa nicht
Insgesamt hat das Wissen um ihre Hochbegabung also wenig im Alltag der beiden Duisburgerinnen geändert – bis auf die Mitgliedschaft bei Mensa. „Erst dachte ich: Wozu brauche ich die Treffen? Und jetzt will ich keins mehr verpassen“, sagt Kleinemenke. „Man findet hier immer jemanden, der die gleichen spezifischen Interessen hat wie man selbst.“
Dass Janina und Ingrid erst so spät von ihrer Hochbegabung erfahren haben, ist übrigens nicht ungewöhnlich: Die meisten hochbegabten Erwachsenen wissen nichts von ihrer Fähigkeit, da diese sich nur mit entsprechender Förderung komplett entfalten kann. Wie hoch der IQ der beiden ist, verraten die Duisburgerinnen nicht. Bei Mensa verhält es sich damit wie bei anderen mit dem Thema Geld: „Darüber spricht man hier nicht.“
>> Warum braucht es einen Verein wie Mensa?
- Der Verein Mensa verfolgt keine politischen Interessen. Der Zweck des Vereins ist die „Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der menschlichen Intelligenz“. Darunter fällt das Erkennen von Hochbegabung durch IQ-Tests und das Schaffen einer „intellektuellen und sozial stimulierenden Atmosphäre“ für Hochbegabte aller Altersklassen.
- Deutschlandweit organisieren Mitglieder Stammtische, Spieleabende oder Online-Vorträge über verschiedenste Themen.
- Außerdem sollen negative Stereotype gegenüber Hochbegabten beseitigt werden. Dafür können und sollen auch Nicht-Mitglieder am Jahrestreffen teilnehmen. Rund 20 Prozent der Teilnehmenden in Duisburg seien keine Mitglieder, aber am Thema Hochbegabung interessiert.
- Beim Mensa-Intelligenztest handelt es sich laut Verein „um einen normierten, wissenschaftlich fundierten IQ-Test, der verschiedene Bereiche der Intelligenz, unter anderem Sprach- und Zahlenkompetenz, Gedächtnisleistung und räumliches Vorstellungsvermögen abprüft“. Für die Teilnahme seien „sehr gute Deutschkenntnisse erforderlich, damit die Aufgaben sicher und schnell verstanden werden“. Termine gibt‘s online auf www.mensa.de – in Duisburg sind jedoch alle Termine bereits ausgebucht.