Duisburg. Das verschärft den Kita-Platz-Mangel: Allein in Duisburg stellen 88 Tagespflegeeltern ihre Dienste ein. Die Gründe? Tagesmütter berichten.
Kinderbetreuungsplätze in Duisburg sind seit Jahren ein rares Gut. Ohne Tagesmütter und -väter, ohne Kindertagespflegeplätze wäre die Situation noch schlechter, könnte die Stadt den Rechtsanspruch noch weniger erfüllen. Im letzten Kita-Jahr kümmerten sie sich um 41 Prozent aller betreuten Kinder unter drei Jahren, ab Sommer sind es nur noch 34,8 Prozent. Denn die Zahl der Tagespflegekräfte sinkt bis dahin von 432 auf 344, wie die Stadt in ihrer aktuellen Bedarfsberechnung festhält. Wo sind die alle hin?
Der Schwund an Tageseltern hat aus Sicht der Stadt mehrere Gründe: „Ehemals in der Kindertagespflege Tätige lassen ihre Aufgabe ruhen, weil die eigene Familienplanung in den Vordergrund gerückt ist oder weil sie altersbedingt ihre Tätigkeit beendet haben. Auch wurde zum Beispiel keine neue Pflegeerlaubnis beantragt. Andere sind verzogen oder haben ein Jobangebot in Festanstellung wahrgenommen“, schreibt Pressesprecher Max Böttner.
Kinderbetreuung in Duisburg: 88 Tagespflegepersonen weniger
Von den 88 Tageseltern, die ab Sommer keine Kinder mehr betreuen werden, gehen einige in Rente, bestätigt Bettina Brysch von der Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen in Duisburg. Auch Tagesmütter, die selbst in Elternzeit gehen und eine Zeit lang ihr Angebot nicht aufrechterhalten können, gelten nach dieser Rechnung zunächst als weg. Für die meisten ist der Grund aber viel existenzieller.
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Viele geben die Selbstständigkeit auf, weil die Rahmenbedingungen zu hart sind, sagt Melanie Kelm, Leiterin der Großtagespflege Kreaktiv in Wanheim. Der Schwund der Tageseltern wundert sie jedenfalls nicht. „Wenn man unseren Stundenlohn sieht, kriegt man Tränen in den Augen.“ Zusammen mit ihrer Kollegin Natalie Krachhel betreibt sie nebeneinander zwei Einrichtungen, zu viert betreuen sie so 18 Kinder. Im Sommer wird die Einrichtung zehn Jahre alt.
Längere Krankheitsphasen sind für Tageseltern existenzgefährdend
Um existieren zu können, nehmen sie nur Kinder, für die die maximale Betreuungszeit von 40 Stunden pro Woche gebucht wird. „Sonst könnten wir unsere Angestellten nicht bezahlen“, sagt Kelm. Für sie selbst hätte es durchaus Vorteile, angestellt zu arbeiten: Das Gehalt würde im Krankheitsfall weiter laufen, der Urlaub wäre geregelt, die Rente ebenso. Aber die Selbstständigkeit passe gut in ihr Leben, die Arbeit in kleinen Gruppen, die Wahl von Wunschkollegen. „Ich will nicht zurück in eine Kita.“
Also muss sie damit klarkommen, dass die Stadt den Tagespflegen nur 31 Schließungstage pro Jahr für Urlaub und Krankentage zugesteht. Vor Corona waren es 20 Tage, es hat sich also schon was bewegt. Und dennoch: „Wenn ich mir morgen ein Bein breche, ist mein Urlaub danach aufgebraucht und Geld verdiene ich bis zum Ende der Genesung auch nicht.“ Auch Brysch bezeichnet längere Krankheitsphasen selbst im neuen Modell als „existenzgefährdend“.
„Hohe Energiekosten haben Selbstständigen das Genick gebrochen“
Während Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig auf die Straße gehen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, hört und sieht man von den Tagesmüttern und -vätern nur wenig. „Wir verlieren dann Geld“, begründet Kelm. Freie Meinungsäußerung ist kein Aktivposten in der Honorarsatzung.
Bettina Brysch ist von der aktuellen Entwicklung nicht überrascht. Zuletzt hätten die Energiekosten vielen Selbstständigen das Genick gebrochen. Der Regionalverband hatte schon länger prognostiziert, dass Tagespflegen nicht auskömmlich finanziert seien und deshalb aufgeben werden. In Gremien von Stadt und Land trommeln die Interessenvertreter für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Duisburg will Qualifizierungskosten für Tagesmütter übernehmen
Nachfolger für bestehende Krippen seien schwer zu kriegen. Für viele sei die Bedingung, einen Qualifizierungskurs zu machen, hinderlich. „Das kostet sie 1600 Euro und danach ist man ‚nur‘ Tagesmutter“, sagt Kelm. Die Weiterbildung wird mit jeweils 2000 Euro vom Land und von der Stadt bezuschusst, ein Eigenanteil bleibt bislang allerdings.
In der aktuellen Vorlage betont auch die Stadt, dass man die Satzung so ändern wolle, dass die Qualifizierung neuer Tagespflegepersonen vollständig finanziert werde. Die Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften und Kinderpflegerinnen und -pflegern wolle man zumindest anteilig übernehmen. Auch die Urlaubs- und Krankentage sowie die Höhe der laufenden Geldleistungen sollen per Satzungsänderung erneut angehoben werden.
Stundenlohn für Tageseltern ist übersichtlich
In Duisburg habe man die Zeichen vernommen, lobt Brysch, längst nicht alle Kommunen würden beispielsweise die Mietkosten übernehmen. Hier sei das unter bestimmten Bedingungen möglich. Dennoch bleibe auch in Duisburg für die Tageseltern nicht viel übrig. Pro Kind und Stunde zahlt die Stadt in der höchsten Qualifizierungsstufe 6,05 Euro.
„Die Leute denken dann, bei fünf Kindern sind das 30 Euro, ist doch super“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin. Die Stunden, die für Einkauf, Reinigung, Büroarbeit oder Neukundenanbindung investiert werden, seien damit aber nicht abgedeckt. Und da die Sachkostenpauschale nicht reiche, müssten Verbrauchsmaterialien wie Bastelsachen davon ebenfalls getragen werden.
Bei Vollbesetzung bleibe im Schnitt ein Stundenlohn von 15 Euro und davon müssten dann noch Steuern und Sozialabgaben geleistet werden, rechnet Brysch vor: „Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, was wir verdienen und was wir tatsächlich kriegen.“ Andere Selbstständige könnten selbst den Lohn festsetzen, um nicht in der Altersarmut zu enden. Als Tagesmutter dürfe man lediglich Essensgeld zusätzlich von den Eltern nehmen. Sie selbst hat bereits 2022 ihre Tagespflege auslaufen lassen, gibt ihr Amt als Sprecherin bald an frisch gewählte Nachfolgerinnen ab und arbeitet als Coach, Schwerpunkt neben dem Business Coaching: Female Empowerment.
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- Der Rat der Stadt hat beschlossen, für 32 Prozent aller U3-Kinder in Duisburg einen Betreuungsplatz anzubieten. Im Kindergartenjahr 2024/25 wären das für insgesamt 14.164 Kinder zwischen 0 und 3 Jahren 4532 Plätze.
- In Kitas stehen 2619 Plätze zur Verfügung. Die verbliebenen 344 Kindertagespflegepersonen stellen 1577 U3-Plätze, im Vorjahr waren es noch 1892.
- Es fehlen rechnerisch stadtweit 336 Plätze. Tatsächlich ist der Bedarf höher, vor allem im Duisburger Süden. Die 32-Prozent-Quote will die Stadt denn auch nicht als Deckel verstehen, sondern als Mindestbedarf.