Duisburg. In Duisburg haben in diesem Jahr schon zwei Apotheken aufgegeben. Apotheker Christoph Herrmann befürchtet, dass es noch mehr werden. Die Gründe.

Mit der Schließung der Revier Apotheke an der Heuserstraße in der City Ende Februar hat Duisburg in diesem Jahr schon die zweite Apotheke verloren. Er im Januar hatte die Adler-Apotheke in Untermeiderich aufgegeben. Christoph Herrmann, Sprecher der Apotheken in Duisburg, fürchtet, dass es nicht die letzten gewesen sind.

Christoph Herrmann: Vor allem kleine Apotheken in Duisburg haben schwer zu kämpfen

Das Bild, das er malt, ist düster: „In den nächsten zwei bis drei Jahren wird die Anzahl der Apotheken in Duisburg Richtung 80 tendieren. Für die Kunden bedeutet das immer weitere Wege.“ Ein Problem vor allem für ältere Patienten. Die Statistik macht den Abwärtstrend deutlich: 2011 gab es in unserer Stadt noch 127 Apotheken, Ende 2023 waren es nur noch 89, aktuell sind es 87.

Dr. Christoph Herrmann, zeichnet ein düsteres Bild von seiner Branche. Vor allem kleine Apotheken hätten zu kämpfen. Er selbst führt drei Apotheken, darunter die Paracelsus-Apotheke in Wanheimerort.
Dr. Christoph Herrmann, zeichnet ein düsteres Bild von seiner Branche. Vor allem kleine Apotheken hätten zu kämpfen. Er selbst führt drei Apotheken, darunter die Paracelsus-Apotheke in Wanheimerort. © WAZ | Heike Moellers

Wer eine neue Apotheke eröffnet, gilt als Ringeltäubchen. In Duisburg hat es im letzten Jahr aber tatsächlich mit der Salus-Apotheke in Meiderich eine Neugründung gegeben. Schon jetzt müssen ganze Stadtteile ohne Apotheke auskommen. Dazu gehören Untermeiderich, Bissingheim, Mündelheim und Serm.

Es gibt viele Gründe für die Entwicklung und nicht alle sind für Laien leicht zu verstehen. Einige sind aber schnell nachzuvollziehen. „In Duisburg haben wir knapp 500 niedergelassene Ärzte. Manche Praxen machen dicht, weil sie keinen Nachfolger finden. Andere schließen sich zu Gemeinschaftspraxen zusammen. Da kann einem Apotheker passieren, dass er plötzlich ohne Arzt dasteht.“ Kein Arzt, keine Rezepte und weniger Patienten, die frei verkäufliche Arzneien oder Kosmetik kaufen.

Heinz Hillen (l.) hat drei Jahre gesucht, bis er jetzt endlich einen Nachfolger für seine Bahnhof-Apotheke in der City gefunden hat. Sie wird seit Kurzem von Mohannad Marraoui geführt.
Heinz Hillen (l.) hat drei Jahre gesucht, bis er jetzt endlich einen Nachfolger für seine Bahnhof-Apotheke in der City gefunden hat. Sie wird seit Kurzem von Mohannad Marraoui geführt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Vor allem mit frei verkäuflichen Medikamenten wie Nasenspray oder Hustenmitteln können Apotheken noch gutes Geld verdienen. „Vor allem aber im Norden der Stadt haben die Leute kein Geld dafür“, erklärt Herrmann. Der eine oder andere Kollege in Meiderich und Hamborn reagiere darauf mit einer Rabattschlacht: 30 Prozent auf alles! „Für manche Apotheken scheint das ja zu funktionieren, für die drumherum bricht das Geschäft aber weg.“ Wie sich das für diese Apotheken rechnet, weiß Herrmann nicht. „Wahrscheinlich arbeiten sie mit weniger Personal.“

Lieferengpässe machen den Apotheken mehr Arbeit und kosten viel Zeit

Dann sei da noch das Problem mit den Margen, erläutert Christoph Herrmann. „Ein Baumarkt hat 25 Prozent, bei Klamotten werden 100 Prozent draufgeschlagen. Eine Apotheke hat Margen von weit unter 20 Prozent. Das ist arg.“ Hinzu kommen Lieferengpässe: „Bis zu zehn Prozent des Lagerbestandes sind nicht lieferbar. Das bedeutet bei jedem fünften bis zehnten Kunden: Alternativmedikamente suchen.“

Die Folge ist ein deutlich höherer Aufwand: Man müsse oft mit dem Arzt telefonieren, den Großhandel oder Hersteller kontaktieren und habe einen größeren Erklärungsbedarf beim Kunden. „Für diese Arbeit zahlen uns die Krankenkassen 50 Cent extra pro Rezept. Das ist eine Beleidigung.“

Auch Duisburgs Apotheken leiden unter Bürokratie und Fachkräftemangel

Damit nicht genug. Apotheken haben zunehmend mit einer überbordenden Bürokratie zu tun. Und die sei teils so kompliziert, dass man schnell Formfehler machen kann – und auf den Kosten sitzen bleibt. Wer glaubt, dass die neu eingeführten E-Rezepte Abhilfe schaffen, irre sich: „Es gibt Probleme bei der Abrechnung. Sie ist umständlich und zeitraubend. Letztlich wird uns ein unmöglicher Weg aufgezwungen, an unser Geld zu kommen.“

Mehr noch, das System koste die Apotheken auch noch Geld: „Ein Kartenlesegerät liegt bei 700 bis 800 Euro. Das deckt die Pauschalerstattung, die wir bekommen, nicht ab“, so Herrmann. Außerdem komme man nicht ohne monatliche Wartungsverträge mit Softwarefirmen aus. Und auch hier wieder: Erhöhter Beratungsbedarf bei Patienten, der Zeit frisst.

Vor allem kleine Apotheken würden das alles auf Dauer nicht überleben, fürchtet ihr Sprecher. „Und das gilt nicht nur für den Norden. Auch der Süden oder die Mitte sind nicht gefeit davor.“ Apotheken machen übrigens fast immer völlig überraschend zu. Plötzlich steht man als Kunde vor verschlossenen Türen. „Wenn Sie angezählt sind, gehen viele Kunden sofort woanders hin“, erklärt der Apotheker. Und einen Ausverkauf könne man mit den meisten Produkten auch nicht machen. „Mehr als 80 Prozent des Warenbestandes geht zurück an den Großhandel.“

Ein interessanter Randaspekt: Obwohl immer mehr Apotheken schließen, leidet die Branche unter einem Fachkräftemangel. Nur die Hälfte aller Apotheken sind öffentliche, der Rest befindet sich zum Beispiel in Kliniken und Unternehmen. Jeder Apotheker, der eine Festanstellung sucht, findet auch eine. „Und noch nimmt der Markt alle Uniabsolventen auf. Im Moment wäre es sogar wünschenswert, dass die Universitäten mehr Apotheker ausbilden.“

>> Apothekensterben hat in Duisburg früher begonnen als anderswo

  • Duisburg treffe der Abwärtstrend als strukturschwache Stadt früher als andere, sagt Christoph Herrmann.
  • Wie dünn unser Apothekennetz ist, zeigen diese Zahlen der Apothekenkammer Nordrhein deutlich: In Duisburg kam schon Ende 2022 nur eine Apotheke auf 5623 Einwohner. Schlechter war die Lage nur in Remscheid, Wuppertal und Kleve.
  • Zum Vergleich: Mit einer Apotheke für 3653 Einwohner waren die Bonner am besten versorgt, gefolgt von Düsseldorf (3985 Einwohner pro Apotheke).