Duisburg. Nach Auseinandersetzung zwischen Clan und Hells Angels: Größen der Rocker-Szene verweigern die Aussage - und manche Zeugen kommen erst gar nicht.
Dass es schwer werden wird mit der Wahrheitsfindung, das war schon im Vorfeld zu erwarten. Und die ersten drei Prozesstage bestätigen die Vermutung. Zwar hatte der angeklagte Hells Angel Oktay K. am vergangenen Verhandlungstag gestanden, bei der wüsten Auseinandersetzung zwischen Rockern und Mitgliedern eines libanesisch-türkischen Familienclans auf dem Hamborner Altmarkt einer der Schützen gewesen zu sein, aber das war es so ziemlich auch. Von den vor der Fünften Großen Strafkammer des Duisburger Landgerichts geladenen Zeugen, die aus dem Umfeld der Schießerei stammen, ist wenig Unterstützung bei der Aufklärung zu erwarten.
Am Montag beim dritten Verhandlungstag nimmt der damalige Boss des Duisburger Charters der Hells Angels im Zeugenstand Platz. Die Zeugenbelehrung ist ausführlicher als der Rest. „Möchten Sie Angaben machen?“, fragt der Vorsitzende Richter Mario Plein. „Nein“, antwortet A. (62). „Hatten Sie Auslagen?“ - „Nein.“ Der nächste bitte: „Ich möchte keine Angaben machen.“ Auch hier: Auslagen keine. Die beiden Duisburger sollen bei der Schießerei auf Seiten der Rocker mitgemischt und auch an der Verwüstung des Döner-Ladens der Großfamilie entscheidend beteiligt gewesen sein. Ebenso wie eine Szene-Größe aus Düsseldorf. Der 54-Jährige ist am Montag nach Duisburg gekommen - und verweigert die Aussage.
Ein Zeuge spricht, doch es ist wenig Erhellendes zu dem Fall, was er sagt: „Es gab einen Knall und alle sind gerannt und dann habe ich einen Schuss abbekommen.“ Der 36-Jährige aus Recklinghausen sei „zufällig“ auf dem Hamborner Altmarkt gewesen: Es sei wohl ein „Abpraller“ gewesen, der ihn am Oberschenkel getroffen habe. Der 36-Jährige hielt daraufhin einen Rettungswagen an und ließ sich ins Krankenhaus bringen, wo er einige Tage behandelt worden sei. Oktay K. sei später auf ihn zugekommen und habe sich entschuldigt. „Ich weiß nicht, ob der Schuss von ihm war“, sagt der Recklinghäuser. Aber mit der Entschuldigung sei der Fall erledigt: „Wir sind befreundet, wir haben lange darüber geredet.“ Auf die von K. angebotene Entschädigung von rund 2000 Euro habe er natürlich verzichtet, offenbar haben beide früher für Ordnung in einer Disco gesorgt: „Wir waren an der Tür. Da sind wir wie Brüder.“ Als der Recklinghäuser nach seiner eigenen Tatbeteiligung gefragt wird, antwortet er: „Ich verweigere die Aussage.“
Viel wird in dem Prozess von Aufnahmen abhängen, die aus Überwachungskameras vom Altmarkt stammen, die Privatleute den Ermittlungsbehörden nach dem Vorfall zur Verfügung gestellt haben. Sie sollen am Montag vor allem Kamil D. belasten, der sich vor der Auseinandersetzung zunächst mit einem Verwandten in Oberhausen getroffen haben soll. Die eingescannten Standbilder, die am Montag im Gericht gezeigt werden, sind allerdings mehrheitlich so pixelig, dass darauf manchmal nur Farbnuancen zu erkennen ist. Der Polizist, der immer wieder erklärt, dass die Original-Videos viel schärfer sind, ist nicht zu beneiden. Die Kammer will sich nun bemühen, Material in besserer Auflösung auszuwerten.
Zeuge ist auf Montage-Dienstreise in Norddeutschland
Gern hätte das Gericht am Montag wohl auch einen Mann gehört, der den Nachnamen des Clans trägt. Der teilte dem Gericht allerdings kurzfristig mit, keine Ladung erhalten zu haben - möglicherweise aufgrund eines Umzugs. Er werde nach der Rückkehr von seiner Montage-Dienstreise in Norddeutschland zu einem späteren Termin kommen.
Gar nicht erschienen ist Özgür Y., der ebenfalls dem Umfeld der Hells Angels zuzurechnen sein soll. Als die Polizei am Morgen an seiner Wohnanschrift anrückt, um ihn an den Termin zu „erinnern“, ist er verschwunden. Und sein Auto auch. Y. will am Tattag schon am Boden liegend vier Schüsse aus der Waffe von Kamil D., den er schon lange gekannt haben soll, abbekommen haben. Auch er will nur zufällig an dem Abend vor Ort gewesen sein. Zunächst hatte Y. sich vor knapp zwei Jahren von sich aus bei der Polizei gemeldet und dann schon kurz darauf keine weiteren Angaben mehr gemacht.
Noch 14 Verhandlungstage bis Anfang Juli angesetzt
Am Abend des 4. Mai 2022 waren rund 100 Beteiligte der verfeindeten Parteien in die Auseinandersetzung auf dem Hamborner Altmarkt beteiligt. D. soll neun Schüsse abgegeben haben, K. siebenmal gefeuert haben. Den beiden 39-jährigen Duisburgern wird unter anderem versuchter Mord vorgeworfen. Seit dem 7. Februar läuft unter großen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen sie. Bis zum 2. Juli sind derzeit noch 14 weitere Verhandlungstage angesetzt.