Duisburg. In Duisburg wartet man allein auf einen Antragstermin zur Einbürgerung 23 Monate. Warum der Druck weiter wächst und wie die Stadt jetzt reagiert.

Nach dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht können Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen bereits nach fünf statt bisher acht Jahren einen deutschen Pass beantragen. Tatsächlich wird in Duisburg fast niemand profitieren vom neuen Gesetz, das im Sommer in Kraft treten soll.

Denn allein die Wartezeit auf einen Beratungs- und Antragstermin liegt aktuell bei einem Jahr und elf Monaten. Auf der Warteliste stehen rund 12.000 Duisburger, die (auch) einen deutschen Pass haben möchten. Viel deutet darauf hin, dass die Schlange und die Wartezeiten in den nächsten Jahren eher länger statt kürzer werden.

Duisburg bekommt neues Amt für Integration und Einwanderungsservice

Diese Zahlen würde die Duisburger Einbürgerungsbehörde auch auf Nachfrage lieber gar nicht nennen. Gerade wird die Dienststelle, bisher im Bürger- und Ordnungsamt in der Abteilung „Bürgerangelegenheiten“ verortet, mit der Ausländerbehörde und dem Kommunalen Integrationszentrum (KI) zu einem neuen „Amt für Integration und Einwanderungsservice“ zusammengelegt. Es soll im Herbst umziehen ins Bürohaus an der Friedrich-Wilhelm-Straße 12-14.

Die Neuorganisation hat Michael Rüscher, Dezernent für Wirtschaft und Ordnung, auf den Weg gebracht. Der Beigeordnete verspricht sich davon „eine stärkere Service-Orientierung, eine Optimierung des Miteinanders zwischen Kunden und der Verwaltung“. Die Zahlen zeigen: Der Weg vom Anspruch zur Realität ist wohl noch ziemlich weit.

3300 Fälle sind in Duisburg aktuell in der Bearbeitung

Denn wie in der Ausländer- ist auch in der Einbürgerungsbehörde das Personaldefizit erheblich: 20 Mitarbeitende arbeiten dort einen Berg von 3300 offenen Einbürgerungsfällen ab, das entspricht 165 Anträgen pro Kopf. Wer dort anlangt, hat den Beratungstermin schon absolviert, seine Unterlagen abgegeben, ist aber noch lange nicht am Ziel. Die Prüfung und weitere Überprüfungen nehmen Wochen, meistens Monate in Anspruch.

Wie in der Ausländerbehörde ist auch in der Einbürgerungsbehörde das Personaldefizit erheblich: 20 Mitarbeitende arbeiten dort einen Berg von 3300 offenen Einbürgerungsfällen ab. 
Wie in der Ausländerbehörde ist auch in der Einbürgerungsbehörde das Personaldefizit erheblich: 20 Mitarbeitende arbeiten dort einen Berg von 3300 offenen Einbürgerungsfällen ab.  © dpa | Fernando Gutierrez-Juarez

Führungszeugnisse, Anfragen bei Polizei und Verfassungsschutz, schließlich eine Auswertung der Akte beim (ebenfalls überlasteten) Ausländerbereich des neuen Integrationsamts – all das veranlasst die Einbürgerungsbehörde selbst. „Diese Vorgänge können einen unterschiedlichen Bearbeitungszeitraum beanspruchen“, heißt es dort.

Herkunftsstaaten der Eingebürgerten: Syrien vor der Türkei und dem Irak

Dabei wurde die Zahl der Mitarbeitenden bereits auf 20 verdoppelt im Angesicht einer Antragswelle von Geflüchteten aus Syrien, die 2015/16 nach Duisburg kamen und nun nach acht Jahren ihre Einbürgerung beantragen könnten. Syrische Staatsbürger stehen in Duisburg auf Platz 1 der Rangliste derer, die in 2023 eingebürgert wurden. Es folgen Menschen aus der Türkei und dem Irak, Staatenlose und Menschen aus dem Iran.

Insgesamt 2389 Ausländer wurden 2023 in Duisburg Deutsche, rund 250 mehr als 2022 (2038). Bis 2021 wurden im Schnitt etwa 1500 Einbürgerungen pro Jahr abgeschlossen. Der Druck wird schon wegen der Syrer absehbar hoch bleiben: „Die Nachfrage nach Einbürgerungen wird auf weitere rund 8500 geschätzt“, so die Behörde.

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Einbürgerungsbehörde will 17 neue Stellen ausschreiben

Das Problem hat die Verwaltung erkannt, das Personaldezernat hat weitere 17 Stellen genehmigt. Die werden nun, so heißt es, „kurzfristig ausgeschrieben“. Sie ebenso kurzfristig zu besetzen, wird schwierig – der Ausländerbereich gilt in der Verwaltung nicht als Top-Adresse. Auch für die Einarbeitung in den komplexen Rechtsbereich werde „ein gewisser Zeitraum erforderlich sein“, warnt das Amt. Will heißen: Vor dem kommenden Jahr wird die personelle Verstärkung für die Verkürzung der Warteschlange kaum wirksam.

Für den Menschen auf Platz 12.000 der Warteliste, der nach fünf Jahren in Duisburg alle Voraussetzung für eine schnellere Einbürgerung erfüllt und nun einen Beratungstermin beantragt hat, bedeutet das: Er wartet fast zwei Jahre auf diesen Termin, um seine Unterlagen einzureichen, über deren Bearbeitung dann etwa ein weiteres halbes Jahr vergeht. Den deutschen Pass bekäme er dann bestenfalls nach rund 7,5 Jahren. Fast genauso lange hätte er – die Wartezeiten bei den Duisburger Behörden nicht eingerechnet – auch vor der Novelle des Staatsbürgerschaftsrechts gewartet.

Mehr Tempo und besseren Service verspricht sich der Beigeordnete Michael Rüscher (Wirtschaft und Ordnung) vom neuen Amt für Integration und Einwanderungsservice in Duisburg.
Mehr Tempo und besseren Service verspricht sich der Beigeordnete Michael Rüscher (Wirtschaft und Ordnung) vom neuen Amt für Integration und Einwanderungsservice in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

>> JEDER VIERTE DUISBURGER HAT KEINEN DEUTSCHEN PASS

  • In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Struktur der Duisburger Bevölkerung erheblich verändert. Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger unter den 508.000 Duisburgern ist zwischen 2013 und 2020 von 74.689 auf 113.698 gestiegen, nun liegt sie bei rund 126.000 (Stand 30.4.2023). Das entspricht 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung.
  • Fast jeder vierte Duisburger ist Ausländer, noch deutlich größer ist die Zahl der Bürger mit Migrationsgeschichte. Sie stieg von 159.417 im Jahr 2010 auf rund 238.000 oder 46,6 Prozent – fast jeder zweite in dieser Stadt.

>> STAATSBÜRGERSCHAFT: DIE WICHTIGSTEN ÄNDERUNGEN

  • Das neue Staatsbürgerschaftsrecht sieht vor, dass sich die Frist für eine Einbürgerung von bisher acht auf fünf Jahre verkürzt, bei „besonderen Integrationsleistungen“ auf drei Jahre.
  • Für die Verkürzung gelten Voraussetzungen wie: Ein berechtigter Aufenthalt (Duldung reicht nicht), Sprachkenntnisse (B1-Niveau), das Bekenntnis zu Demokratie und Grundgesetz sowie Einbürgerungstest (oder deutscher Schulabschluss).
  • Eingebürgert wird nur, wer seinen Lebensunterhalt ohne Bezug von Sozialleistungen bestreitet und in Deutschland nicht mit mehr als 90 Tagessätzen bestraft wurde. Die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft ist keine Voraussetzung mehr.
  • Gleichzeitig soll im Sommer 2024 ein Gesetz in Kraft treten, das die Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive in ihre Herkunftsländer vereinfacht.