Duisburg. „Dein Sport, dein Talent“: In Duisburg werden aktuell alle Zweitklässler einem Test unterzogen. Wie er funktioniert und was er bringen kann.
Wie fit sind die Kinder in Duisburgs Grundschulen? Wie gut können sie laufen, werfen, springen? Kommen sie bei der Rumpfbeuge mit den Fingerspitzen an die Füße? Ende des Jahres werden diese Fragen für über 5000 Kinder präziser beantwortet werden können. Bis Mitte Dezember durchlaufen rund 200 Klassen aus 74 Grundschulen je 120 Minuten einen sportmotorischen Test.
Wegen der Hallennot geht das teilweise nur an Nachbarschulen, und die Grundschule Am Park in Marxloh muss noch bis Januar auf den Test warten. Bis dahin ist hoffentlich der Wasserschaden in ihrer Turnhalle beseitigt, sagt Holger Lauterbach vom Stadtsportbund, der das Projekt organisiert.
Finanziert wird es über einen Pakt, den der Stadtsportbund mit der Stadt Duisburg und dem Schulsportreferat geschlossen hat. Darin ist festgehalten, dass in den jährlichen Test 150.000 Euro aus städtischen Mitteln fließen.
Sporttest an Duisburger Grundschulen für Koordination, Ausdauer, Geschicklichkeit
Im vergangenen Jahr wurde an sechs Grundschulen im Duisburger Westen ein Probedurchlauf gemacht. Die Erkenntnisse daraus flossen in die Premiere für die ganze Stadt: Mehr Zeit und mehr Personal investieren sie nun in die Prüfungen.
Darin machen die Kinder einen Zehn-Meter-Sprint, stoßen einen ein Kilo schweren Medizinball, sie machen Sit-ups, Rumpfbeugen und Standweitsprung. Bei einem Hindernisparcours krabbeln sie über Kisten und durch Rahmen und bei einem Koordinationstest müssen sie einen Ball durch die Beine gegen ein Ziel auf der Wand hinter sich werfen.
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Besonders herausfordernd ist der Sechs-Minuten-Lauf: Gezählt werden die Runden, die die Kinder in der Zeit schaffen. In der Grundschule Friedenstraße in Hochfeld schnauft manch einer schon nach der ersten 54-Meter-Runde durch die Halle, nach der zweiten gibt es erste Kinder mit Seitenstechen, bei der dritten Runde gehen bereits viele. Lauterbach beobachtet das harte Schnaufen der Achtjährigen. „Man sieht, dass viele sich nie mal am Stück bewegen, schade.“ Die Beobachtungen decken sich mit Studien, die immer mehr motorische Defizite und Bewegungsmangel bei den nachwachsenden Generationen feststellen.
Urkunde für die Kinder und viel positives Feedback
Wie auch immer die Kinder im Einzelnen abschneiden, am Ende erhalten sie eine Urkunde mit viel positivem Feedback. Die Eltern werden zudem informiert, welche Talente in ihrem Kind stecken und wo es noch gefördert werden könnte – wenn sie zuvor das Einverständnis erteilt haben, dass die Testergebnisse ausgewertet werden können.
In Düsseldorf, wo der Test schon einige Jahre läuft, liege diese Rückmeldequote bei 90 Prozent, sagt Lauterbach. In Duisburg hoffen die Initiatoren im ersten Durchlauf auf 70 Prozent. Wenn die Familien praktische Tipps bekommen wollen, können sie auch im Nachhinein noch ihr Einverständnis geben, ohne das bekommen sie nur den unkommentierten Bogen mit Zeiten und Werten.
„Wir werden nicht den Sport-Unterricht ersetzen und wir werden auch nicht an allen 74 Standorten Angebote machen können“, schränkt Lauterbach ein. Aber schon allein die Testergebnisse könnten „anschieben, das was passiert“.
Die Rückmeldungen aus den Schulen seien bislang positiv, sagt Lauterbach. Die zusätzliche Bewegungseinheit werde positiv wahrgenommen, „die Kinder haben viel Spaß!“ Ruth Neugebauer, die als Lehrerin an der Grundschule Böhmerstraße arbeitet und beim Sporttest ehrenamtlich mitmacht, ist von der Sinnhaftigkeit dieser Testreihe überzeugt.
„Wir sehen eine riesige Bandbreite bei den Kindern, wir sehen Kinder mit motorischen Auffälligkeiten und mit echten Talenten“. Das könne man durch spezifische Förderung und Forderungen aufgreifen, glaubt die Schiedsrichterin des Hockeyverbandes. Die Elternhäuser könne man dabei unterstützen, einen geeigneten Verein zu finden, so Neugebauer. „Da geht es auch um den Spracherwerb, um soziale Interaktion mit Gleichaltrigen.“
Klassenlehrerin Nora Ahkim begleitet ihre Klasse in den Test. „Es ist spannend, zu sehen, was die Kinder können und was nicht.“ Sie möchte den Eltern künftig konkretere Empfehlungen geben, wie sie ihre Kinder fördern können. „In unserem Einzugsbereich brauchen die Eltern solche Tipps, sie sind nicht gut vernetzt, sprachlich nicht so fit.“
Auf die Sprachbarrieren stoßen auch die Trainer bei den Sporttests. Die pensionierten Lehrer, FSJ‘ler, Studierende und auch eine Krankenschwester, die nach der Nachtschicht in die Turnhalle kommt, eint vor allem die Sportbegeisterung. Damit alle Kinder mitmachen können und die Anweisungen verstehen, wird klassisch vorgeturnt. Für ihr Engagement erhalten sie lediglich eine Aufwandsentschädigung, betont Lauterbach.
Nach dem Sporttest hocken alle im Kreis, ein bisschen aus der Puste. Die Trainerinnen und Trainer loben sie und leiten dann ein gegenseitiges Schulterklopfen der Kinder an, es geht einmal rum im Kreis: Gut gemacht!
>>ANGEBOTE NACH DEM SPORTTEST
- Im Nachgang zum ersten Testdurchlauf entstand an zwei Standorten ein zusätzliches Angebot des Stadtsportbundes: Eine „Talentschmiede“ für Drittklässler im Nachmittagsbereich und der Kurs „Mini-Athleten“, der angehängt an den Unterricht Freude an der Bewegung vermitteln, zu weiterem Sport inspirieren und insgesamt einen „motorischen Push“ geben soll, beschreibt Holger Lauterbach.
- Der Stadtsportbund lud zudem Kinder zum „Tag der Talente“ ein, herausragende Sport-Asse und jene, deren Beweglichkeit durch gezielte Förderung noch besser werden könnte. 25 Kinder kamen, die meisten von ihnen waren allerdings schon in Vereinen, erzählt Lauterbach. Beim nächsten Durchgang hofft er auf mehr Teilnehmer – und ein größeres Plus für die Vereine.