Duisburg. Eine 53-Jährige wird in Duisburg brutal ermordet. Angeklagt für die Tat ist ihr Sohn (29). Seine Verteidiger kündigen im Gericht eine Aussage an.

Türkan S. kann sich nicht wehren. Und die dreifache Mutter hat wohl keine Chance. Mindestens acht schwere Hiebe mit einem Messer treffen die 53-Jährige in ihrer Wohnung. Die Klinge ist rund 15 Zentimeter lang und vier Zentimeter breit. Sieben Stiche treffen das Opfer in den Rücken, einer in den Bauchbereich, in lebenswichtige Organe. Am 28. April gegen 9 Uhr kommt es in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Mercatorstraße zu der Attacke, die Frau kann sich noch nach draußen schleppen, gegen 16 Uhr stirbt sie im Krankenhaus - wegen des erheblichen Blutverlusts. Für die Tat steht ihr Sohn Emrah S. seit Donnerstag vor dem Duisburger Landgericht.

In Handschellen wird der 29-Jährige in den historischen Sitzungssaal 201 geführt. Einen leeren Aktenordner hält er verkehrt herum vor sein Gesicht. Ein kleiner, schmächtiger Mann, kurze schwarze Haare, über den Ohren anrasiert, grau-blaues Hemd. „Ja, ja, ja“ – mit knappen Worten und brüchiger Stimme beantwortet S. die Fragen von Mario Plein, dem Vorsitzenden Richter der Fünften Großen Strafkammer, zu seinen Personalien. In Duisburg geboren. Deutscher. Ledig. Festnahme am 30. April. U-Haft seit dem 1. Mai. Als Staatsanwalt Martin Mende die Anklage verliest, hält S. konstant die rechte Hand an seine Schläfe, so dass die Zuschauer kaum in sein Gesicht blicken können. Auch seine Anwälte positionieren sich entsprechend.

Mord aus Heimtücke angeklagt

S. soll bei der Attacke auf seine Mutter heimtückisch gehandelt haben, weil das Opfer nicht mit einem Angriff habe rechnen können, so die Anklage. Zu den Tatvorwürfen hatte S. im bisherigen Verfahren gegenüber den Ermittlungsbehörden geschwiegen. Am Donnerstag bleibt es dabei. Eine Überraschung ist es nicht. Kammer, Verteidigung und Staatsanwalt hatten das im Vorfeld so abgesprochen – die Gründe dafür liegen tief in der Strafprozessordnung. Beim nächsten Verhandlungstermin am 31. Oktober werde es aber eine Einlassung von S. geben, kündigt einer seiner Anwälte an. In welche Richtung die gehen könnte? Es werde „kein Geständnis im Sinne der Anklageschrift“, sagt Strafverteidiger Karl Matthias Göbel. Sein Kollege Wolf Bonn ist erst vor zwei Wochen dazugestoßen. Der Anwalt kennt sich im Duisburger Landgericht aus. Aktuell vertritt er im Rocker-Prozess im Mordfall Kai M. den einzigen Angeklagten, der noch in Untersuchungshaft sitzt.

Das Opfer konnte sich noch bis auf die Straße schleppen, doch die Mutter von drei Kindern starb Stunden nach der Attacke im Krankenhaus.
Das Opfer konnte sich noch bis auf die Straße schleppen, doch die Mutter von drei Kindern starb Stunden nach der Attacke im Krankenhaus. © Funke Foto Services | Stephan Eickershoff

Am 31. Oktober sollen auch der Mediziner, der das Opfer obduziert hat, und Augenzeugen und Ersthelfer am Tatort gehört werden. S. lebte mit seiner Mutter und der jüngeren der beiden Schwestern zum Tatzeitpunkt in der Wohnung an der Hauptstraße. Nach der tödlichen Attacke war er verschwunden. Für die Polizei war es neben einem Kriminal- zunächst auch ein Vermisstenfall: Denn der 29-Jährige, der wegen gesundheitlicher Probleme auf Medikamente angewiesen ist, war auch nicht zu einem Termin in der Uni-Klinik in Essen erschienen. Danach soll er sich unter anderem in einem Parkhaus versteckt haben. Zwei Tage nach der Tat hatte er sich bei der älteren Schwester gemeldet. Die alarmierte die Polizei und die nahm ihn fest.

Das Opfer war bereits Witwe

S., der bislang nicht polizeilich in Erscheinung getreten ist, wird durch zahlreiche Indizien belastet. Dazu zählt auch das Ergebnis von DNA-Untersuchungen. Was aber ist sein Motiv? Im Vorfeld war die Rede von einer tief verwurzelten Abneigung gegenüber Frauen. Seine jüngere Schwester soll er bei WhatsApp beleidigt haben. Offen ist zudem die Frage, welche Rolle sein möglicherweise malader Gesundheitszustand in Zusammenhang mit der Tat gespielt haben könnte.

Eine Rolle im Prozess dürfte auch das Verhältnis innerhalb der Familie spielen, dass offenbar schon vor der tödlichen Attacke seit längerer Zeit konfliktbehaftet war. Das Opfer war bereits Witwe, der Ehemann der 53-Jährigen und Vater der Kinder verstorben. Auch die Polizei war bereits im Vorfeld häufiger zu dem Haus ausgerückt. Die jüngste Tochter des Opfers verfolgt den Auftakt am Donnerstag im Gericht nur kurz. Sie muss den Saal schnell wieder verlassen, weil sie im weiteren Verlauf als Zeugin geladen ist. Die beiden Schwestern des Angeklagten könnten mehr Licht ins Dunkel bringen, falls sie am dritten Verhandlungstag eine Aussage machen sollten.