Duisburg. Ein 54-Jähriger aus Beeck steht vor dem Duisburger Gericht. Nach 51 Jahren sollte er aus seiner Wohnung raus – und traf eine harte Entscheidung.

In der Nacht zum 5. April dieses Jahres brannte es in einer Wohnung im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses an der Friedrich-Ebert-Straße in Beeck. Schnell war klar: Es handelte sich um Brandstiftung. Der Wohnungsinhaber stellte sich am selben Tag bei der Diakonie vor: Er benötige einen Schlafplatz, weil er seine Wohnung angesteckt habe. Nun stand der Duisburger wegen schwerer Brandstiftung vor dem Amtsgericht am König-Heinrich-Platz.

Der 54-Jährige ist wohl das, was man einen freundlichen Sonderling nennt. Er hat kaum soziale Kontakte, keine Freunde. Mit drei Jahren war er in die Wohnung an der Friedrich-Ebert-Straße gezogen. Lebte dort lange mit seinen Eltern, die letzten Jahre alleine. Mit dem Gesetz geriet er bis zum Tattag nie in Konflikt. Bis 2018 ging er einer geregelten Arbeit nach. Dann verlor er den Job wegen einer Herzerkrankung.

Er stapelte sich die Wohnung mit Sachen voll, die andere nicht mehr haben wollten. „Ich bin Jäger und Sammler“, begründete der gelernte Elektriker den Wust technischer Geräte und vor allem Papier, den die Feuerwehr herausschaufeln musste.

Kurz vor der Räumung zündete Duisburger seine Wohnung an

„Die Wohnung war zu groß. Das Jobcenter zahlte nur für 50 Quadratmeter“, berichtete der 54-Jährige. Als der Fehlbetrag, den der Vermieter einforderte, eine Monatsmiete überstieg, kamen Mahnbescheid, Gerichtsvollzieher, Kündigung und schließlich die Zwangsräumung. Für den Angeklagten ein riesiges emotionales, aber auch ein praktisches Problem: „Die Wohnung war mein Leben. Wo sollte ich mit allem hin?“

So entschloss er sich zur Radikallösung: Wenige Stunden vor der Räumung legte er an fünf Stellen in der Wohnung Feuer. „Ich habe es erst mit Feuerzeugbenzin versucht. Stellen sie sich das mal vor: Da will man seine Wohnung anzünden und dann klappt nicht mal das!“

Zuletzt entzündete er Papier mit einem Feuerzeug. „Ich wollte in der brennenden Wohnung bleiben.“ Dann verließ er sie doch, ging zur nächsten Rheinbrücke. „Doch ich war zu feige, da runter zu springen.“

Juristen hielten Bewährungsstrafe für ausreichend

Die Juristen waren sich einig: Es war hoch gefährlich, mitten in der Nacht in einem Mehrfamilienhaus Feuer zu legen. Den tragischen menschlichen Hintergrund übersahen Staatsanwalt, Verteidiger und das Schöffengericht jedoch nicht.

Insgesamt überwogen die für den Angeklagten sprechenden Faktoren. Die Tat wurde deshalb als minderschwerer Fall gewertet und nur mit zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet, die auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Der 54-Jährige muss 350 Sozialstunden ableisten. Ein Bewährungshelfer soll ihn unterstützen.

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Freundlich bedankte sich der Angeklagte, der seit der Tat in selbst gewählter Isolation in Untersuchungshaft saß, bei allen. Der Vorsitzende hielt die Urteilsbegründung mit Blick auf die Uhr bewusst kurz. Denn eine Mitarbeiterin der Diakonie hatte im Zeugenstand darauf hingewiesen, dass man den 54-Jährigen kurzfristig in einer Sammelunterkunft unterbringen könne. „Er ist immer willkommen. Bis 16 Uhr haben wir jeden Tag offen.“