Duisburg. Ein 61-Jähriger war Kronzeuge im Prozess gegen die sogenannte „Fleisch-Mafia“. Nun lebt er im Zeugenschutzprogramm und steht selber vor Gericht.

Nach anderthalb Jahren und 106 Verhandlungstagen endete im November 2018 der sogenannte „Fleisch-Mafia“-Prozess vor dem Duisburger Landgericht. Für ihre verantwortliche Rolle in einem gigantischen Firmen- und Steuerhinterziehungsgeflecht im fleischverarbeitenden Gewerbe wurden ein 55-jähriger Mann aus Rheurdt und ein 58-Jähriger aus Duisburg zu sieben und fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nun steht jener Mann vor Gericht, der als damaliger Kronzeuge der Staatsanwaltschaft galt.

Der Prozess vor dem Landgericht am König-Heinrich-Platz begann unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Der 61-Jährige, der sich im Zeugenschutzprogramm befindet, wurde nicht nur von Justizwachtmeistern in den Saal geführt. Auch Beamte des Landeskriminalamtes begleiteten ihn. Uniformierte Beamte und Personenschützer in Zivil sicherten den Saal innen, draußen mussten alle unbeteiligten Zuhörer ihre Personalien registrieren lassen.

Duisburger Firmengeflecht produzierte Scheinrechnungen über Millionen Euro

Zwischen 2008 und 2014 soll der 61-Jährige, Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens gewesen sein, das zunächst in Duisburg, später in Kamp-Lintfort beheimatet war. Das Sagen aber soll einer der Männer gehabt haben, der dafür bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Der 61-Jährige soll nur der willfährige Helfer gewesen sein, der millionenschwere erlogene Vorsteuerbeträge bei den Finanzbehörden anmeldete.

Mindestens ein Dutzend Firmen – von denen einige wohl nur zu diesem Zweck gegründet wurden – sollen an dem komplizierten Geflecht beteiligt gewesen sein, mit dem riesige Mengen von Scheinrechnungen produziert wurden.

Zwischen 2008 und 2012 sollen es rund 375 gewesen sein, für die nie eine Leistung erbracht wurde. Aber sie sollen es ermöglicht haben, dass der Angeklagte knapp fünf Millionen Euro angeblich gezahlte Umsatzsteuer als Abzug geltend machen konnte, die nie geflossen waren.

61-Jähriger hat Chance auf Bewährungsstrafe

Bereits im Vorfeld des Verfahrens hatten Kammer, Staatsanwalt und Verteidigung die Möglichkeiten einer schnellen Verfahrenserledigung angesprochen. Nach der Anklageverlesung wurden die Rechtsgespräche fortgesetzt. Ziel: eine sogenannte Verständigung, die dem 61-Jährigen im Falle eines weitgehenden Geständnisses eine Bewährungsstrafe zusichert. Ein Teil der ursprünglichen Vorwürfe ist eh schon verjährt, weitere sollen eingestellt werden. Am Ende ginge es dann nur noch um einen Steuerschaden von einer Million Euro.

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Es wäre völlig widersinnig, würde der Angeklagte diese Chance nicht nutzen. Im Rahmen seiner umfangreichen Aussagen während des Prozesses hat er bereits den größten Teil seiner eigenen Verfehlungen eingeräumt. Bezahlen muss er dafür ohnehin: mit einem Leben mit neuer Identität und in ständiger Angst. Ein Urteil soll Mitte September gesprochen werden.