Duisburg. Warum Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Verkleinerung des Parlaments so wichtig ist. Werden Bas und Mahmut Özdemir 2025 erneut kandidieren?

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) verteidigt die umstrittene Wahlrechtsreform. Im zweiten Teil des Interviews mit ihr und Mahmut Özdemir (SPD) erklären die Duisburger Abgeordneten, warum ihnen die Verkleinerung des Bundestags so wichtig ist.

Zum ersten Teil des Gesprächs: Mahmut Özdemir und Bärbel Bas im Interview über Radikale und Konflikte unter Türkeistämmigen in Duisburg: Diese Gründe und Gegenmittel sehen sie.

Der Bundestag ist mit 736 Sitzen so groß wie nie. Frau Bas, Sie haben sich als Bundestagspräsidentin für die Verkleinerung eingesetzt. Im März hat die Parlamentsmehrheit der Ampel die Wahlrechtsreform beschlossen. Die Union lässt diese vom Verfassungsgericht prüfen. Wie geht‘s jetzt weiter?

Bärbel Bas: Die Reform ist beschlossen, der Bundestag wird kleiner werden. Es ist nur unklar, ob das Verfassungsgericht noch in dieser Legislatur darüber entscheidet. Ich gehe davon aus, dass wir 2025 eine feste Größe von 630 Abgeordneten haben werden. Es werden 106 weniger als jetzt sein.

Warum ist Ihnen das so wichtig?

Bas: Wir zeigen den Bürgerinnen und Bürgern: Wir können uns selbst beschneiden. Der Vorwurf gegenüber der Institution Deutscher Bundestag ist immer: Ihr macht eh, was ihr wollt; ihr erhöht euch die Diäten; ihr guckt nicht mehr auf uns; der Bundestag wird immer teurer. Wir haben zehn Jahre vergeblich versucht, die Zahl der Abgeordneten zu reduzieren. Deshalb war es mir in dieser schwierigen Krisensituation wichtig zu beweisen, dass wir jetzt zu einer Lösung kommen.

Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, sagte: Für effiziente Parlamentsarbeit reichten 500 Abgeordnete, die Reform sei „unambitioniert“.

Bas: Es geht auch um Kostensenkungen, ja, aber nicht nur. Demokratie muss uns auch etwas wert sein, denn man erwartet zurecht auch Bürgernähe der Abgeordneten in ihren Wahlkreisen

Bärbel Bas zur Wahlkreissiegern: „Wir sind keine Heldinnen und Helden, nur weil wir zufällig in Duisburg wohnen“

Es kann künftig wegen der Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten passieren, dass nicht alle direkt gewählten Wahlkreissieger (Erststimme) ins Parlament einziehen. Das wird auch nicht all Ihren Genossinnen und Genossen gefallen.

Bas: Natürlich nicht. Ich stehe aber zu dieser Reform und habe auch in der eigenen Fraktion mal eine kleine Rede dazu gehalten. Das Risiko, als Wahlkreissiegerin oder Wahlkreissieger leer auszugehen, gibt es in den engen Wahlkreisen. Ich bin gespannt, wie das Verfassungsgericht mit diesem Aspekt umgeht. Die politische Arbeit nach der Wahl ist wichtig. Wir sind keine Heldinnen oder Helden, nur weil wir zufällig in Duisburg wohnen, wo bei den Bundestagswahlen immer die SPD gewählt wurde. Ich habe auch nur 40,3 Prozent Erst- und 35,1 Prozent Zweitstimmen geholt – die absolute Mehrheit in meinem Wahlkreis hat also jemand anderes oder gar nicht gewählt.

Sie beide müssen sich als Duisburger SPD-Kandidaten trotz Reform eher keine Sorgen machen, weil sie wohl mehr Erststimmen als die SPD Zweitstimmen holen werden, oder?

Bas: Selbst, wenn es so kommen sollte: Ich wollte die Reform. Mit dem Risiko muss ich leben.

Mahmut Özdemir: Im Wahlkampf 2021 haben uns die Leute an den Infoständen gesagt: Ihr seid maßlos. Wir haben ihnen versprochen: Wir werden eine Verkleinerung hinkriegen, auch wenn es uns selbst weh tut. Das haben wir. Wir werden unseren Wählerinnen und Wählern das neue Wahlrecht erklären und wieder ihr Vertrauen erbitten.

Sie werden also erneut kandidieren?

Bas: Wenn man nicht mehr kandidieren möchte, sollte man es fairerweise früh genug sagen. Ich kann mir aktuell gut vorstellen, mich auch in der nächsten Wahlperiode im Deutschen Bundestag für meinen Duisburger Wahlkreis zu engagieren und meiner Partei meine erneute Kandidatur vorzuschlagen.

Özdemir: Als Parteivorsitzender lege ich großen Wert darauf, dass ich erst die Partei informiere, dann die Öffentlichkeit.

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>> DAS ÄNDERT SICH BEI DER BUNDESTAGSWAHL 2025

  • Der Bundestag hatte wegen des Zusammenspiels von Erst- und Zweitstimmen und des veränderten Wahlverhaltens immer mehr Abgeordnete: Durch Überhang- und Ausgleichsmandate sind es aktuell 138 mehr als vorgesehen (598).
  • Die Wahlrechtsreform der Ampel sieht vor, dass Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen. Zudem soll eine strikte Fünf-Prozent-Hürde gelten – die Grundmandatsklausel entfällt. Von dieser profitiert zurzeit noch die Linke, die mit einem Stimmenanteil von 4,9 Prozent nur wegen dreier Direktmandate im Bundestag ist.
  • Es bleibt jedoch bei 299 Wahlkreisen und zwei Stimmen für die Wähler (Erststimme für Direktkandidaten, Zweitstimme für Parteienliste). Neu ist: Den siegreichen Direktkandidaten (Erststimme) wird das Mandat nur zugeteilt, wenn dies durch das Zweitstimmen-Ergebnis im jeweiligen Wahlkreis gedeckt ist.