Duisburg-Hochfeld. Das „Pulp“ wird heute nur noch schlecht besucht. Zwei Frauen wollen die Kult-Disco in eine neue Zeit führen, sehen aber auch eigene Versäumnisse.

Früher war das „Pulp“ einer der angesagtesten Läden im Ruhrgebiet. Ob Gothic am Donnerstag oder Metal und Rock am Freitag oder Samstag – in dem zum Fantasy-Schloss umgebauten Bahnhofsgebäude ging jedes Wochenende die Party ab. Legendär waren auch das Grillbuffet im vorderen Bereich des Clubs, der Grufti-Flohmarkt, der Sonntagsbrunch. Und die Konzerte: In Hochfeld standen schon Unheilig, Billy Talent, Snow Patrol oder andere international bekannte Bands auf der Bühne.

Duisburger Disco „Pulp“ ist für die Chefinnen eine Herzensangelegenheit

Kristina Orec (rechts) und ihre Mutter Zeljka führen die Duisburger Diskothek „Pulp“ gemeinsam.
Kristina Orec (rechts) und ihre Mutter Zeljka führen die Duisburger Diskothek „Pulp“ gemeinsam. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute hat die frühere Kult-Disco mit vielerlei Problemen zu kämpfen. Das weiß auch Zeljka Orec. Die fantasievolle Inneneinrichtung, die aufwendig gestalteten Theken, Grotten und Nischen – „die Gäste heute können damit nicht mehr viel anfangen“, sagt die Disco-Chefin. Seitdem sie und ihr Mann sich getrennt haben, schmeißt sie den Laden gemeinsam mit ihrer Tochter Kristina. Für beide ist das „Pulp“ nicht irgendeine Location. Sondern eine Herzensangelegenheit.

Mitarbeiter zum Teil seit 18 Jahren dabei

„Wir sind hier wie eine große Familie“, erzählt Zeljka Orec. Manche Mitarbeiter seien seit 18 Jahren dabei. Doch was nützt das, wenn die Gäste ausbleiben? „Wir hätten schon 2016 anfangen müssen, unser Konzept zu überarbeiten“, gibt Orec zu. Aber ihr Mann, der jeden Stuhl, jeden Tisch und jede Skulptur im „Pulp“ selbst entworfen und hergestellt hat, habe das anders gesehen. „Läuft doch, hat er immer gesagt.“

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Und irgendwie lief es ja auch – bis dann Corona einschlug und von heute auf morgen nichts mehr ging. „Unser Glück war, dass die Immobilie hier Eigentum ist“, sagt Zeljka Orec. Trotzdem seien während der Pandemie „viele Reserven draufgegangen“. „Ich habe mein Haus verkauft und privat reduziert, so gut es ging.“

Corona hat das Partyleben nachhaltig verändert

Aufwendig ausgestaltet sind die Innenräume des „Pulp“. Was nur wenige wissen: Jedes verbaute Teil ist ein Unikat.
Aufwendig ausgestaltet sind die Innenräume des „Pulp“. Was nur wenige wissen: Jedes verbaute Teil ist ein Unikat. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Inzwischen darf in Hochfeld wieder gefeiert werden. Aber die zweijährige Zwangspause hat das Party- und Nachtleben dauerhaft verändert. „Die Jungen wissen ja teilweise gar nicht mehr, wie das geht, das Feiern. Sie haben monatelang nur zu Hause gesessen und viel verpasst“, erklärt Zeljka Orec. Zudem hat inzwischen, mehr oder weniger schleichend, ein allgemeiner (Generationen-)Wandel stattgefunden. Großraumdiskotheken sind nicht mehr so gefragt wie früher. „Und unser altes Publikum bleibt weg. Mit Beruf und Familie geht man auch nicht mehr zwei- oder dreimal pro Woche aus“, beschreibt Kristina Orec. Sie ist 32 und sagt: „Ich schaffe das auch nicht mehr, jeden Tag Party zu machen.“

Nicht zuletzt haben sich die Ansprüche geändert. Der jungen Generation reiche es nicht mehr, am Wochenende einfach nur in eine Disco zu gehen, etwas zu trinken und die halbe Nacht zu tanzen. Da sind spezielle Lichteffekte und besondere Events gewünscht. Oder, wie Kristina Orec es umschreibt: „Luftballons und Gummibärchen.“

Altes „Pulp“ in Wanheim: „Es waren überall Flammen“

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„Alles ist anders heute“, findet auch ihre Mutter. Aber die lebhafte Frau mit den dicken, schwarzen Haaren wäre nicht die Chefin des „Pulp“, wenn ihr das Angst machen würde: Im Sommer 1999 stand sie schon mal vor dem Nichts. Damals, als das alte „Pulp“ an der Forststraße 4 in Wanheim komplett abbrannte. „Ich war schwanger, und wir wurden nachts angerufen, fuhren sofort hin. Es waren überall Flammen.“

In dem Feuer, das über Stunden wütete, verbrannte alles, was die heute 59-Jährige und ihr Mann sich gerade aufgebaut hatten. Eine ganze Existenz. Doch Familie Orec hatte Glück im Unglück. „Die Brauereien standen hinter uns.“ Am alten Bahnhof in Hochfeld fing man ganz von vorne an. Es wurde eine Erfolgsgeschichte.

Erfolgsgeschichte soll weitergehen

Im 1500 Quadratmeter großen Innenbereich verwirklichte sich der ehemalige Thyssen-Mitarbeiter Drago Orec: Jedes Teil – egal ob Bank, Tisch, Fensterrahmen, Türe oder Skulptur – ist handgemacht.
Im 1500 Quadratmeter großen Innenbereich verwirklichte sich der ehemalige Thyssen-Mitarbeiter Drago Orec: Jedes Teil – egal ob Bank, Tisch, Fensterrahmen, Türe oder Skulptur – ist handgemacht. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Und die soll weitergehen. Zeljka und Kristina Orec planen für die Zukunft, stellen das „Pulp“ neu auf. Dafür nehmen sie neue Events ins Programm auf. So zum Beispiel die Flirtparty „Temptation Partyland“, zu der – ausnahmsweise – auch 16-Jährige Zutritt haben.

Aber auch die Älteren sollen wiederkommen. Deswegen stehen wieder Partys wie die legendäre „Morecore“ auf der Eventliste. „Das Feiervolk ist noch da“, daran glaubt Zejlka Orec fest. Die Tatsache, dass die „Morecore“-Tickets innerhalb von zwei Tagen nahezu ausverkauft waren, bestätigt die Duisburgerin.

„Old-Daddy-Revival-Party“ soll älteres Publikum reaktivieren

Auf eine volle Hütte hoffen die Orecs auch am Samstag, 30. September. Dann steigt im „Pulp“ die „Old-Daddy-Revival-Party“, die ebenfalls Gäste von früher reaktivieren soll und für die extra der Grill angeschmissen wird. Wie in alten Zeiten wird es auch Schinkenbraten geben, für den das „Pulp“ immer berühmt war.

Und vielleicht finden bald sogar wieder Konzerte in dem alten Hochfelder Bahnhofsgebäude statt. „Wir haben zwar gerade das DJ-Pult im Saal auf die Bühne runtergebaut, damit die Jungs etwas näher am Publikum sind. Aber wir sind Meister des Umbauens“, lacht Kristina Orec.

>> Das ist die Geschichte der Duisburger Disco „Pulp“

  • Am 15. Juni 1996 wurde das „Pulp“ an der Forststraße 4 in Wanheim eröffnet. Namensgeber war der Kultfilm zu dieser Zeit, „Pulp Fiction“ von Quentin Tarantino.
  • Im Juli 1999 zerstörte ein Feuer die Location. Die Brandursache ist bis heute nicht definitiv geklärt, obwohl Familie Orec sogar einen Zeugenaufruf startete und eine Belohnung aussetzte.
  • Am 25. Januar 2002 öffnete das „Pulp“ auf einem 3000 Quadratmeter großen Areal in Hochfeld seine Pforten. 4000 Besucher kamen alleine am Eröffnungstag in den früheren Bahnhof Hochfeld-Süd.
  • Um das eigentliche Bahnhofsgebäude herum zogen die Betreiber zwei weitere Hallen hoch, setzten davor einen Turm.
  • Im 1500 Quadratmeter großen Innenbereich verwirklichte sich der ehemalige Thyssen-Mitarbeiter Drago Orec: Jedes Teil – egal ob Bank, Tisch, Fensterrahmen, Türe oder Skulptur – ist ein handgemachtes Unikat.