Duisburg. Die ersten von zwölf Gebag-Kindergärten könnten in Duisburg bezogen werden. Warum Träger Sicherheitsbedenken haben und Nachbesserung fordern.

Die Gebag will in Duisburg zwölf Kindertageseinrichtungen bauen. Zwei von ihnen sind im Prinzip fertig und könnten nun mit Leben gefüllt werden. Die beiden Träger als künftige Mieter der Häuser haben aber Bedenken.

In der Kita des VKM in Duisburg-Wanheim fehlen noch die Möbel und die Küchenzeile, dann könnte es in dem farbenfroh gestalteten Haus losgehen. Eigentlich hätte es schon im März losgehen sollen. Aus Sicherheitsgründen werden sich viele Eltern aber weiter in Geduld üben müssen. Das gleiche gilt für die Kita In den Peschen in Rheinhausen, die die ZOK GmbH betreiben will.

Neue Gebag-Kitas: „Einen Unfall möchten wir nicht verantworten“

Die Gebäude sind an beiden Standorten fertig, es hakt aber an relevanten Details. In Wanheim sorgt sich der künftige Leiter der Kita, Samu Thiedge, um das Kindeswohl, „einen Unfall möchten wir nicht verantworten“. Hier soll eine aus Brandschutzgründen nicht abschließbare Tür und ein kaum hüfthohes Zäunchen die künftigen Kindergarten-Kinder von der vierspurigen Oberen Kaiserswerther Straße nebst Straßenbahnschienen fernhalten. Aus dem Alltag weiß Thiedge: „Die Kinder klettern ja auch auf Bäume, sie haben ausreichend Energie, um über solche Zäune zu kommen.“

Die Vorgaben von Unfallschutz und Brandschutz scheinen hier widersprüchlich. Der Unfallschutz besagt, dass Kinder nur mit Personal gemeinsam eine Kita verlassen sollen, daher würde es reichen, wenn die Türen von innen zwar zu öffnen sind, aber nur von Erwachsenen per Klinke auf 1,60 Meter Höhe. So wird es in vielen Kindergärten gehandhabt. Der Brandschutz gibt jedoch vor, dass Türen von allen zu öffnen sein müssen, um im Brandfall hinaus zu kommen.

Der VKM als Träger der neuen Kita Obere Kaiserswerther Straße will auf Nummer Sicher gehen: Der Zaun vor dem Haus ist aus seiner Sicht zu niedrig, um Kinder davon abzuhalten, auf die Straße zu laufen. Die Gebag als Bauherr sieht das anders.
Der VKM als Träger der neuen Kita Obere Kaiserswerther Straße will auf Nummer Sicher gehen: Der Zaun vor dem Haus ist aus seiner Sicht zu niedrig, um Kinder davon abzuhalten, auf die Straße zu laufen. Die Gebag als Bauherr sieht das anders. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Selbstrettung steht im Vordergrund

Gerhild Gössing, Sprecherin der Gebag, sagt, dass „die Selbstrettung von Menschen immer im Vordergrund steht“, das schreibe die Bauordnung NRW auch so vor. Es gebe in dieser Bauordnung keine Rechtsnorm, woraus sich die Verpflichtung ergebe, dass die Türen zur Sicherheit der Kinder verschließbar sein müssen. Unfallverhütungsvorschriften bei Kindertageseinrichtung würden lediglich vorsehen, dass Aus- und Zugänge nur dann durch Schließvorrichtungen abzusichern sind, wenn Türen und Tore in einen ungesicherten Bereich führen.

„Bei der Kita Obere Kaiserswerther Straße führen die Fluchttüren aber auf ein durch Einfriedung abgesichertes Außengelände.“ Alle gesetzlichen Vorschriften der Bauordnung NRW und der Unfallverhütung seien beachtet und umgesetzt worden, sowohl die Unfallverhütung als auch der Arbeitsschutz habe keine Bedenken geäußert und einer Inbetriebnahme zugestimmt.

Kinder können aus allen Erdgeschossräumen ungehindert hinaus

Anette Käbe, Geschäftsführerin des Trägers VKM, sieht das anders: Um dieser Vorgabe zu genügen, müsste der Zaun zur Hauptstraße 1,60 Meter statt 80 Zentimeter hoch sein. Angeblich gehe das aber nicht, weil die Feuerwehr im Notfall Probleme beim Anleitern habe, sagt sie kopfschüttelnd.

Hinten raus sei es nicht so gefährlich, weil die Kinder zwar aus allen (!) Erdgeschossräumen ungehindert rauskönnen, dann aber in einem hoch umzäunten Garten landen. Für die Erzieher – 25 Mitarbeiter betreuen 105 Kinder – würde das allerdings Stress bedeuten, weil sie ständig die Tür im Auge behalten müssten.

Dass der Eingangsbereich nicht barrierefrei ist und der VKM die Türen auf eigene Kosten mit einer Sensortechnik nachrüsten muss, ist eine weitere Anekdote in dieser Baugeschichte. „Wir gehen davon aus, dass bei uns Menschen mit Einschränkungen arbeiten“, sagt Käbe, die auch an eine Beschäftigung von Menschen denkt, die bislang in den Werkstätten tätig waren. Aber auch für Eltern mit Kinderwagen sei eine sich selbst öffnende Tür eine Erleichterung. „Was für uns selbstverständlich ist, wird von der Landesbauordnung leider nicht vorgeschrieben“, bedauert sie.

Bei einem Rundgang durch die Kita fällt außerdem auf, dass die Ecken und Kanten in den Fluren keinen Schutz haben, die Wände nur verputzt sind und vermutlich direkt dem ersten Bobbycar-Rennen zum Opfer fallen werden.

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Gerhild Gössing von der Gebag erklärt indes, dass die Inbetriebnahme aus Sicht des Bauherren seit der Bauabnahme im Februar bereits möglich gewesen wäre. „Die Mietflächen erfüllen entsprechend der vertraglichen Verpflichtung die baulichen Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt gemäß KiBiz und verfügen über alle vertraglich vereinbarten Ausstattungsstandards.“

Kita In den Peschen: Fenster ohne Kindersicherung

Wilhelm Steitz von der ZOK GmbH wollte die Kita In den Peschen seit Januar in Betrieb sehen, jetzt geht er von einem Start frühestens am 1. August aus, „voll sind wir vielleicht Weihnachten“. Dabei ist das Gebäude bereits im letzten Jahr abgenommen worden, das Außengelände ist aber längst nicht fertig. Die Probleme mit den Paniktüren konnte er im Vorfeld verhindern. Nachbesserungen sind aber auch hier nötig: Im ersten Stock seien 15 Fenster ohne Kindersicherung installiert worden, „da muss man erst mal drauf kommen“, schimpft Steitz. Er fordert den Bauherren auf, da technisch nachzurüsten.

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Träger und Bauherr sind weiter im Gespräch. Es bleibt abzuwarten, wie sie sich einigen werden. Auch mit Blick auf die nächsten zehn Baustellen.

>>FÖRDERUNG FÜR INNENEINRICHTUNG KOMMT SPÄT – RETTUNGSRUTSCHE FEHLT

Im Außenbereich sind die Parkplätze bereit, Fahrradständer und Müllcontainer warten auf ihren Einsatz. Der Garten ist noch kahl, doch die Bewilligung für die Gelder fehlt, ebenso für die Möbel drinnen. Anette Käbe, Geschäftsführerin des VKM, kann die zäh-komplizierten Vorgänge zur Bewilligung auf Landesebene kaum fassen. „Wir müssen doch eh den Verwendungsnachweis führen, warum kann uns nicht sofort das Geld zur Verfügung gestellt werden, damit wir endlich anfangen können?“, fragt sie.https://www.waz.de/staedte/duisburg/fehlende-kitaplaetze-so-rechnet-die-stadt-duisburg-id237882169.html

Da der Verein viele Möbel geschenkt bekommen hat, soll es zur Not mit einem Provisorium losgehen. Denn selbst wenn die Landesmittel bewilligt sind, dauere es wegen der langen Bestellzeiten. „Manchmal denkt man, dass das Land gar nicht will, dass eine Kita eröffnet wird“, sagt Käbe.

Sie freut sich über weitere Möbelspenden, will das Budget lieber in den Außenbereich stecken. Und in eine Entfluchtungsrutsche, denn daran sei vom Brandschutz nicht gedacht worden: Wie rettet man körper- oder mehrfachbehinderte Kinder im Notfall aus der ersten Etage? „Ich war überrascht, dass nur eine Außentreppe eingeplant ist“, bekennt Käbe und fragt, wie viele Kinder eine Erzieherin darüber wohl herunter tragen könnte. Ihr eigener Sohn ist körperbehindert. Bei einer Panik könne er sich gar nicht bewegen, gibt sie zu bedenken. Jetzt sammelt der VKM selbst Spenden für die Rutsche.