Duisburg. Duisburgs Philharmoniker haben mit der Bruckner-Sinfonie ein Jubiläum gefeiert. Über die mitreißende Aufführung und einen Spielverderber.
Ein besonderes Jubiläum feierten die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Axel Kober im vorletzten Konzert der Saison in der Mercatorhalle: Das gewichtigste Werk des Abends war die 9. Sinfonie von Anton Bruckner, deren deutsche Erstaufführung in der alten Tonhalle auf den Tag genau 120 Jahre zurückliegt.
Zuletzt war die Sinfonie hier zur Eröffnung der neuen Mercatorhalle im Jahr 2007 gespielt worden. Vor dem großen orchestralen Klassiker ist aber die Duisburger Erstaufführung einer außergewöhnlichen Rarität zu erleben: den Variationen über ein Kinderlied für Klavier und Orchester von Ernst von Dohnányi. Grundlage ist die Melodie von „Ah, vous dirais-je, Mamam“, die schon Mozart zu Variationen inspirierte und in Deutschland mit dem Text „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ versehen wurde.
In der gewichtigen Einleitung entwirft der Komponist ein drohendes Szenario aus Tönen: Wenn Pianistin Isata Kanneh-Mason am Klavier einsetzt, ändert sich die Stimmung schlagartig in einen beschwingt-eleganten Tonfall. Sie spielt den anspruchsvollen Klavierpart mit rasanter Leichtigkeit, und die Philharmoniker musizieren dazu gut gelaunt, gestalten die vielen Soli mit großem Spielwitz. Diese Variationen kommen so plastisch, farbenfroh und abwechslungsreich daher, dass man sich wundert, dass Walt Disney sie nicht für seinen „Fantasia“-Film verwendet hat und sich bisher auch kein Choreograph von der tänzerischen Energie dieser Musik hat inspirieren lassen.
Besonders in Erinnerung bleibt die Variation, in der sich Harfe, Celesta und Röhrenglocken gemeinsam mit dem Klavier zu einem glamourösen Funkeln steigern. Isata Kanneh-Mason, deren Engagement durch die finanzielle Unterstützung von Beatrix Brinskelle und Dr. Doris König ermöglicht wurde, wird vom Duisburger Publikum mit großem Jubel gefeiert. Sie bedankt sich mit „Golliwog´s Cakewalk“ von Claude Debussy als Zugabe.
Duisburger Philharmoniker: Kurzweilige Aufführung einer gigantischen Bruckner-Sinfonie
Anton Bruckners Sinfonie Nr. 9 d-Moll wurde zwar als unvollendetes Werk in drei Sätzen beendet, mittlerweile gibt es aber mehrere auf Bruckners Skizzen beruhende Rekonstruktionen des vierten Satzes. Während es bei Mozarts „Requiem“ und Puccinis „Turandot“ Alltag ist, diese Werke mit den Ergänzungen von fremder Hand aufzuführen, spielen die Duisburger Philharmoniker die Bruckner-Sinfonie in ihrer unvollendeten Form, wodurch das furios-triumphale Finale fehlt, was typisch für die Werke dieses Komponisten ist.
Diese von Anton Bruckner hinterlassene Form besitzt schon eine Spieldauer von gut 75 Minuten. Trotz der gigantischen Ausmaße der Sinfonie spielen die Duisburger Philharmoniker unter Axel Kobers Dirigat eine ebenso kurzweilige, unterhaltsame wie mitreißende Aufführung. Das liegt natürlich an Bruckners Ohrwurmmelodien, zum anderen an der starken Leistung des Orchesters und an Kobers kluger Leitung.
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Im eröffnenden Misterioso lässt der Dirigent die Blechbläser groß aufspielen, die Streicher bestechen durch ihren warmen und voluminösen Klang. In ruhigen Tempi kostet Kober die großen Spannungskurven dieses Werkes aus. Das blechgesättigte Scherzo rollt mit der Wucht einer Dampfwalze durch den Saal und erreicht selbst die letzte Reihe des Rangs mit voller Energie. Den friedlich verklingenden Schlussakkord des abschließenden Adagios kann man dann aber gar nicht genießen, denn ein profilierungssüchtiger Enthusiast zerstört die weihevolle Atmosphäre durch ein überdrehtes Applaus-Solo.
>>Die Familie Dohnányi
- Komponist Ernst von Dohnányi war der Vater des Juristen und Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, der noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs von den Nazis ermordet wurde.
- Dessen Söhne sind der SPD-Politiker Klaus von Dohnányi, der in den 1980er Jahren 1. Bürgermeister von Hamburg war, und der Dirigent Christoph von Dohnányi. Zudem ist der Komponist Urgroßvater des Schauspielers Justus von Dohnányi und des Journalisten Johannes von Dohnanyi.