Duisburg/Krefeld. Ein GTI-Fahrer raste 2021 in einen Radfahrer. Vor Gericht hat er nun zum gelähmten Opfer gesprochen. Warum das alte Urteil nun aufgehoben wurde.

Ein Familienvater aus Krefeld hatte in der Nacht zum 18. Februar 2021 wie gewohnt von seinem Arbeitsplatz im Logport nach Hause radeln wollen. In Friemersheim wollte er von der Bliersheimer Straße in einen Feldweg einbiegen. In diesem Moment wurde er von einem 90 Stundenkilometer schnellen Auto erfasst. Seitdem sitzt der heute 48-Jährige im Rollstuhl. In zweiter Instanz musste sich das Landgericht am Montag mit dem tragischen Geschehen befassen.

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Der Geschädigte landete auf dem PS-starken Golf GTI. Als der damals 23 Jahre alte Fahrer bremste, wurde der Radfahrer nach vorn geschleudert, rutschte fast 40 Meter wie ein Geschoss über die Fahrbahn. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit starken Einblutungen. Bis heute leidet der Mann unter Konzentrations- und Sprachfindungsstörungen. Sein Rückenmark wurde verletzt. Als Folge ist der 48-Jährige querschnittgelähmt, kann seine Beine nicht mehr bewegen.

Amtsgericht Duisburg ging von verbotenem Alleinrennen aus

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten vor einem Jahr zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten vor einem Jahr zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. © Foto: Bodo Malsch

Das Amtsgericht hatte vor einem Jahr keinen Zweifel gehabt, dass es sich um ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen gehandelt hatte. Das kann auch dann vorliegen, wenn ein Fahrer sozusagen gegen sich selbst antritt und versucht, die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeugs an die Grenze zu treiben. Das Schöffengericht verurteilte den 24-Jährigen im Mai 2022 zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis (wir berichteten).

In der Berufung räumte der Angeklagte die Tat nun ein: Er sei zu schnell gefahren. Und offenbar hat ihn inzwischen die Erkenntnis ereilt, dass es auf Dauer zu gefährlich ist, seine Probleme – zum Beispiel den frühen Tod seiner Mutter – durch Temporausch am Steuer bekämpfen zu wollen. Schon vorher hatte er wegen einer Fahrt mit 97 km/h durch eine 30-er Zone zwei Monate lang nicht Autofahren dürfen. Nur drei Monate nach dem folgenschweren Unfall in Friemersheim wickelte er eine Mercedes E-Klasse um einen Baum.

Angeklagter arbeitete seine Verkehrsverstöße psychologisch auf

„Mein Mandant hat das alles in einer verkehrspsychologischen Maßnahme in 12 Sitzungen aufgearbeitet“, erklärte der Verteidiger. So konnte der Angeklagte auch Reue gegenüber dem Geschädigten zeigen. „Ich weiß, dass es nicht zu entschuldigen ist“, sagte der 24-Jährige. „Sie könnten mein Vater sein. Aber vielleicht können sie mir irgendwann vergeben.“

Der 48-Jährige, Vater von drei Kindern im Alter zwischen elf und 20 Jahren, hatte zuvor mit leiser, stockender Stimme von seinem langen Aufenthalt im Krankenhaus berichtet. Davon, dass er nicht mehr arbeiten kann. Von finanziellen Problemen, weil seine Frau den Job aufgab, um ihn zu pflegen. Und davon, dass die Familie umziehen muss, weil ihr Haus nicht behindertengerecht umgebaut werden kann. Er sah den Angeklagten an: „Ich danke für diese Worte. Ich hege keinen Groll.“ Dem 24-Jährigen kamen die Tränen.

Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung

Der Rest war hohe Juristerei. Ein Kfz-Sachverständiger hatte die Kollisionsgeschwindigkeit mit mindestens 90 Stundenkilometern errechnet. Er kam aber auch zu dem Schluss, dass der Angeklagte deutlich schneller hätte fahren können. Wäre es ihm darauf angekommen, sein Auto bis an die Grenzen auszutesten, wären 130 bis 150 Stundenkilometer möglich gewesen. Damit sah der Verteidiger seine Argumentation bestätigt, dass es sich nicht um ein verbotenes Allein-Rennen im Sinne des Bundesgerichtshofes handelte.

Die Berufungskammer verurteilte den Angeklagten nur wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer 20-monatigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Einen neuen Führerschein – seiner wurde schon Ende 2021 beschlagnahmt – kann der Mann frühestens in sechs Monaten beantragen.

>> Verbotene Kraftfahrzeugrennen: Die gesetzlichen Vorschriften

  • Das verbotene Kraftfahrzeugrennen fällt unter den Paragrafen 315 b des Strafgesetzbuches. Es ist ein Verbrechen, das im Falle „schwerer Gesundheitsschädigung“ mit einer Strafe von mindestens einem bis zu zehn Jahren Haft bestraft wird.
  • Die fahrlässige Körperverletzung findet sich in Paragraf 229. Sie ist nur ein Vergehen, das mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet wird.