Duisburg. Ein 54-Jähriger stand in Duisburg im Zentrum eines ungewöhnlichen Berufungsprozesses. Um die Angriffe auf Autofahrer ging es eigentlich nicht.

Normalerweise geht es in der Berufung um die Höhe einer Strafe. Manchmal geht es in der zweiten Instanz sogar um so existenzielle Entscheidungen wie Berufungschance oder mehrjährige Haft. Bei einer Berufungsverhandlung vor dem Duisburger Landgericht am König-Heinrich-Platz ging es diesmal aber nur um eine einzige Frage: Muss das Amtsgericht einen Fall noch einmal auf die Rolle setzen oder nicht?

Ein 54 Jahre alter Neudorfer soll 2021 im Duisburger Süden die Contenance im Straßenverkehr verloren haben. Zweimal soll er in Großenbaum und Buchholz den Fahrer eines Skoda ausgebremst und ihn zum Schluss durch das Seitenfenster bespuckt haben.

Duisburger erschien im Mai 2022 nicht zur Verhandlung

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht gegen den bislang unbestraften und in wohl geordneten Verhältnissen lebenden 54-Jährigen einen Strafbefehl. Wegen zweifacher Nötigung und tätlicher Beleidigung sollte der Neudorfer eine Geldstrafe von 1200 Euro (40 Tagessätze zu je 30 Euro) zahlen und zwei Monate auf seinen Führerschein verzichten.

Dagegen legte der Mann Einspruch ein. Das Amtsgericht setzte für den 4. Mai 2022 eine Hauptverhandlung an. Doch zu der erschienen weder der Angeklagte noch sein Rechtsanwalt. Die Strafrichterin wartete die vorgeschriebenen 15 Minuten, dann verwarf sie den Einspruch wegen unentschuldigten Fehlens des Angeklagten.

Landgericht gab dem Angeklagten Recht

Der legte dagegen Berufung ein. Er sei am Verhandlungstag aufgrund einer Erkrankung nicht einmal in der Lage gewesen, seine Beine aus dem Bett zu heben. Grund: Ein gutartiger Tumor sorgt in Verbindung mit Bandscheibenbeschwerden mehrmals im Jahr für eine Art schwersten Hexenschusses. „Immerhin habe ich es noch geschafft, beim Gericht anzurufen und Bescheid zu sagen“, so der 54-Jährige. Doch davon erfuhr die Amtsrichterin möglicherweise erst ein paar Stunden später.

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Der langjährige Hausarzt des Angeklagten bestätigte das Krankheitsbild. Und die Berufungskammer sah am Ende keinen Anlass, den Angaben des Angeklagten zu misstrauen. Zudem hielt der Vorsitzende es, außer in einem Fall, in dem der Beschuldigte klar erkennbar lügt, für unangebracht, einem Angeklagten jede Form der Verteidigung gegen einen strafrechtlichen Vorwurf zu nehmen. Die Kammer hob das Urteil auf und verwies die Sache zur Verhandlung zurück an das Amtsgericht.