Duisburg-Hochfeld. Die Taskforce Problemimmobilien hat Häuser in Hochfeld geräumt. Was ein Betroffener berichtet, was Kritiker bemängeln – und die Stadt entgegnet.
Diesmal waren es keine weinenden Kinder, keine aufgelösten Familienmütter und -väter, die ihr Zuhause binnen kurzer Zeit verlassen müssen. Die Hausräumung, die die Taskforce Problemimmobilien auf der Gitschiner Straße in Duisburg-Hochfeld am Mittwoch durchgeführt hat, verlief verhältnismäßig ruhig (wir berichteten). In den mehrstöckigen Wohnhäusern mit den Nummern 31 und 33 wurden lediglich vier Personen angetroffen, drei deutsche Staatsbürger und ein Ghanaer.
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„Hier sind ja auch alle gestorben oder im Knast. In dem einen Haus, da waren nur noch ich und ein Afrikaner“, erklärt ein Mann. Er ist gerade dabei, Kisten mit CDs aus dem Gebäude zu schleppen und in den Kofferraum seines knallroten Nissans zu wuchten. „Der da ist vor kurzem verstorben. Alkohol“, sagt der Mann, zeigt auf eine Wohnung und macht dann eine wegwerfende Handbewegung.
Bewohner von „Problemimmobilie“ in Duisburg-Hochfeld: „Hatte bis zuletzt Strom, Wasser und Internet“
Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Aber reden möchte er. Dass er 20 Jahre lang in der Gutschiner Straße gelebt habe, bis zuletzt mit Strom, Wasser und Internet. „Ohne Internet geht ja heute gar nix mehr“, stellt der 68-Jährige fest. Dem alkoholkranken Nachbarn sei im Herbst der Strom abgestellt worden. „Ich habe noch versucht, da ein Kabel für ihn zu legen.“
Wo er jetzt unterkomme? „Ich habe eine Garage“
Für seine eigenen 30 Quadratmeter hatte er 180 Euro Miete bezahlt. „Das sind ja noch die ganz alten Preise.“ Man sieht es ihm an: Ein einfaches Leben hat er nicht gehabt. Aber eigentlich, so sagt der Duisburger, der mit leichtem, nicht sofort definierbarem Akzent spricht, habe es für ihn immer gepasst in Hochfeld.
„Doch vor sechs Jahren hat der Vermieter gewechselt, seitdem haben hier immer mehr Drogenabhängige gelebt“, erinnert sich der frühere Fahrer. Immer wieder sei er arbeitslos gewesen, habe sich von Job zu Job gerettet. Jetzt sei er „in Rente“. Eigentlich dachte er ja, die Stadt würde sich um eine neue feste Bleibe für ihn kümmern, jetzt, da er aus seiner Wohnung geflogen ist. „Ich dachte, das Amt würde das finanzieren.“
Wohin er jetzt geht? In eine der Obdachlosen-Unterkünfte? „Nein“, sagt der Mann und schlägt die Kofferraum-Klappe zu. „Ich habe eine Garage.“
Tatsächlich habe der Eigentümer der geräumten Häuser den Bewohnern Ersatzunterkünfte angeboten, erklärt die Stadt. Drei Bewohner hätten davon allerdings keinen Gebrauch machen wollen. „Sie werden in der Unterkunft Memelstraße untergebracht“, sagt Stadtsprecher Peter Hilbrands.
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Lena Wiese sieht sowohl die erneute Zwangsräumung als auch die Unterbringung kritisch. Gemeinsam mit ihrem Team hatte die Vorsitzende des „Vereins für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ während der Räumung einen Infostand vor den Häusern aufgebaut, um die Aktion zu begleiten und die Bewohner aufzufangen.
Verein: Keine Nachsorge für Menschen aus geräumten Häusern
Im aktuellen Fall betreffe die Räumung zwar nicht wie sonst bulgarische und rumänische Zuwanderer, sondern „arme Deutsche“. Das Problem sei aber immer dasselbe: Es gebe in Duisburg keine Nachsorge für die Menschen aus den geräumten Häusern. Häufig seien sie sogar mehrfach von Räumungen betroffen, denn oft würden sie wieder an ähnliche Vermieter geraten. Ein Teufelskreis. „Es gibt ja einen enormen Leerstand, aber es wird halt auch nicht alles an jeden vermietet“, erklärt Wiese.
Sie bemängelt, dass man es den Menschen in Duisburg „so unangenehm wie möglich“ machen wolle. „In Dortmund zum Beispiel gibt es ein vierstufiges Modell, da sucht man von Anfang an gemeinsam mit mehreren Parteien nach verträglichen Lösungen für alle.“
„Bewohner werden traumatisiert“
In Duisburg hingegen traumatisiere man die Betroffenen, indem man einfach vor der Türe stehe und sie kurzfristig aus den Wohnungen hole. Und so komme es, dass in Hochfeld in den vergangenen zwei Jahren 600 bis 700 Personen ihre Wohnung verloren hätten.
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Die Stadt Duisburg, die vor sieben Jahren die Taskforce „Problemimmobilien“ etabliert hat, hält dagegen. Die beiden Häuser in der Gitschiner Straße seien wegen „erheblicher Mängel (Brandschutz) nach der Bauordnung des Landes NRW und dem Wohnraumstärkungsgesetz“ geräumt worden, erklärt Peter Hilbrands. Zu beiden Objekten seien Hinweise „von verschiedenen Stellen“ gekommen. „Zum einen haben sich die Bewohner selbst gemeldet. Weitere Meldungen kamen vom Bürger- und Ordnungsamt sowie von Anwohnern aus der Nachbarschaft.“
>> Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen: Gegründet, um aufzuklären
- Der „Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen“ hat sich 2021 in Hochfeld gegründet.
- „Wir haben uns überlegt, etwas zu unternehmen und dass es so einen Verein braucht. Uns hat unsere Wut und der Frust über die lebensfeindlichen Zustände und die strukturelle Entrechtung von marginalisierten Menschen in Duisburg angetrieben. Wir wollen langfristig Aufklärungsarbeit leisten“, erklärt die Vorsitzende Lena Wiese.
- Für die Zwangsräumung auf der Gutschiner Straße hatte der Verein eine „Spontankundgebung“ angemeldet, um vor Ort dabei sein zu können und Handzettel zu verteilen.