Duisburg. In Duisburg soll es nun doch ein Konzept geben, um historisch belastete Straßennamen zu überprüfen. Was es bietet und wo die Grenzen liegen.
Nach langer Diskussion soll es in Duisburg nun doch ein Konzept geben, anhand dessen historisch belastete Straßennamen überprüft werden können. Das hat der Leiter des Stadtarchivs Andreas Pilger dem Kulturausschuss zugesagt, mit Zustimmung von Interims-Kulturdezernentin Astrid Neese (SPD). Pilger soll nun einen Kriterienkatalog erarbeiten, durch den Verflechtungen namensgebender Personen in die Bereiche Antisemitismus, Nationalismus, Kolonialismus und Militarismus leichter zu bewerten sind.
Wie berichtet, gibt es in ganz Duisburg Straßen, Wege oder Plätze, deren Namen heute diskutiert werden. Die Afrika-Siedlung in Buchholz, die Nettelbeckstraße in Neudorf oder die Dr.-Wilhelm-Roelen Straße in Walsum sind nur drei Beispiele für Namen, die nicht mehr zeitgemäß – einige Duisburgerinnen und Duisburger sagen: nicht mehr haltbar – erscheinen.
Straßennamen in Duisburg: Früher galten andere Maßstäbe
„Es ist ein populäres Thema, wir werden oft nach bestimmten Straßennamen gefragt“, sagt Andreas Pilger. Schon lange berate das Stadtarchiv die Bezirksvertretungen, wenn dort über einzelne Benennungen diskutiert wird.
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Pilger erklärt, dass bei etwaigen Umbenennungen andere Kriterien gelten müssten als bei Neubenennungen. „Wir vertreten heute andere Werte als damals, deshalb müssen wir bei bestehenden Namen weniger streng vorgehen.“ Mit anderen Worten: Dass man eine Straße heute nicht mehr nach einer bestimmten Person benennen würde, heißt nicht automatisch, dass man eine bestehende, nach dieser Person benannte Straße umbenennen muss.
In einigen Fällen scheint es aber doch alternativlos. Das wurde in Düsseldorf deutlich, als eine Historiker-Kommission im Rahmen einer umfassenden Studie empfahl, zwölf Straßen umzubenennen.
Beschäftigen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs mit einer bestimmten Straße, erforschen sie mehr als nur die Biografie der namensgebenden Person. Wichtig sei es auch, so Pilger, nach der Intention zu fragen, aus der heraus die Benennung damals erfolgte.
Historisch belastete Straßennamen: Streit in Duisburg beendet?
Alle Kriterien, die das Stadtarchiv bei der Bewertung von Straßennamen anwendet, sowie damit verbundene Handlungsoptionen, soll der Historiker nun in eine konzeptionelle Fassung gießen. Andreas Pilger stellt aber auch klar: „Wir werden nicht aktiv auf die Umbenennung von Straßen hinwirken.“ Eine aufwendige Studie wie in Düsseldorf wird es in Duisburg also nicht geben, zumindest vorerst.
Trotzdem ist jetzt vor allem die Ratsfraktion der Grünen erst einmal zufrieden. Die hatte das Konzept 2020 gemeinsam mit der SPD beantragt; der Antrag wurde gegen die Stimmen von CDU und der mittlerweile aufgelösten HSV-Fraktion angenommen.
Trotzdem passierte lange nichts, und Anfang 2023 erklärte die Verwaltung, der Beschluss würde die Kompetenzen des Ratsgremiums überschreiten – die Umbenennung von Straßen sei schließlich Sache der Bezirksvertretungen. Diese Diskussion war bereits 2020 geführt worden; die Grünen zogen nun sogar eine Klage in Erwägung. Jetzt scheinen die Differenzen ausgeräumt und es herrscht Einigkeit: Das Konzept soll den Bezirksvertretungen eine einheitliche Entscheidungshilfe liefern, statt ihnen Entscheidungen abzunehmen.
>>THEMA STRAßENNAMEN: „DÜSSELDORF IST AM WEITESTEN“
Das Thema Straßennamen bewege alle Stadtarchive, berichtet Historiker Andreas Pilger. „Ich kenne in Deutschland keines, das nicht mit diesen Fragen befasst ist.“
Düsseldorf, wo im Rahmen der Studie für 79 Persönlichkeiten ausführliche Gutachten erstellt wurden, sei am weitesten, so Pilger. Auf dieser Grundlage hat der Rat bereits die Umbenennung von zwölf Straßen beschlossen; die Suche nach neuen Namen läuft unter Beteiligung der Bürgerschaft.