Duisburg. In Duisburg sollen historisch belastete Straßennamen geprüft werden. Die Stadt verweigert ein Konzept. Der Streit könnte vor Gericht gehen.
Die Nachbarstadt hat sich schon entschieden: Namen wie Lüderitz, Peters oder Pfitzner soll in Düsseldorf keine Straße und kein Platz mehr tragen. Das hat dort der Rat auf Grundlage einer Expertenstudie beschlossen. Auch in Duisburg sind Orte nach historisch belasteten Personen benannt; ein umfassendes Konzept zur Überprüfung dieser Namen steht schon lange im Raum. Doch dem hat die Stadt nun eine Absage erteilt.
Enttäuscht ist davon vor allem die Ratsfraktion der Grünen. „Wir haben einen politischen Beschluss“, sagt Ratsherr Christian Saris, und meint einen Antrag vom Sommer 2020. Der sah vor, die Stadt mit der Erarbeitung dieses Konzepts zu beauftragen, und wurde im Kulturausschuss mehrheitlich angenommen. Nur die CDU und die mittlerweile aufgelöste HSV-Fraktion stimmten dagegen.
Historisch belastete Straßennamen in Duisburg: Streit um Zuständigkeit
Passiert ist bislang allerdings nichts, weshalb die Grünen das Thema Anfang Februar im Kulturausschuss wieder auf die Tagesordnung brachten. Dezernent Matthias Börger teilte daraufhin mit, es handele sich aus Sicht der Stadt um eine bezirkliche Angelegenheit, die Umbenennung von Straßennamen liege also in der Zuständigkeit der Bezirksvertretungen.
Das ärgert Christian Saris, denn diese Argumentation hätten er und die übrigen Antragsteller bereits 2020 entkräftet: „Die Entscheidung soll weiter bei den Bezirksvertretungen liegen. Was wir wollen, ist ein einheitlicher Kriterienkatalog, der ihnen dabei helfen soll.“
Das bekannteste Beispiel für historisch belastete Straßennamen in Duisburg ist die Afrika-Siedlung. Dort sind Straßen nach Adolf Lüderitz oder dem Waterberg benannt. Lüderitz gründete 1884 im heutigen Namibia die Kolonie Deutsch-Südwestafrika und sorgte für die Enteignung tausender Herero und Nama. In der Nähe des Waterbergs ereignete sich später der deutsche Völkermord an diesen Volksgruppen, die nach einem Aufstand in der Wüste eingekesselt wurden, bis sie verdursteten.
Belastete Straßennamen: Kolonialismus, Antisemitismus und Völkermord
Nach jahrelanger Diskussion einigte man sich im Duisburger Süden darauf, die Straßenschilder mit Hinweistafeln zu versehen. An der Waterbergstraße etwa ist seit Dezember zu lesen: „Berg im heutigen Namibia. Die sogenannte ‘Schlacht am Waterberg’ (1904) steht symbolisch für den Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Truppen.“
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„Ich halte das für einen Riesenfortschritt“, sagt Christian Saris. Gleichzeitig betont er anhand dieses Beispiels, das geforderte Konzept müsse nicht zwingend Umbenennungen zur Folge haben. „Es geht um den Prozess der Vergangenheitsbewältigung. Am Ende muss es immer eine Lösung sein, mit der die Bürgerinnen und Bürger gut leben können.“
Auch anderswo in Duisburg tragen Straßen diskutable Namen. In Neudorf gibt es die Nettelbeckstraße nach einem Kapitän von Sklavenschiffen, oder die Hans-Pfitzner-Straße, nach dem antisemitischen Komponisten und Autor, der eine wichtige Rolle in der Kulturpolitik der Nationalsozialisten spielte. Pfitzners Namen trägt auch in Düsseldorf eine Straße – als „schwer belastet/nicht haltbar“ stufte das dort der wissenschaftliche Beirat ein, die Umbenennung ist bereits beschlossene Sache.
Historiker prüfen Straßennamen: Düsseldorfer Weg als Vorbild für Duisburg?
Die Grünen sehen den Düsseldorfer Weg als Vorbild, auch wenn dieser viel weiter geht als das in Duisburg umstrittene Konzept. Auch in der Landeshauptstadt war die Initiative 2018 vom Kulturausschuss ausgegangen. Eine Historiker-Kommission hat unter gemeinsam festgelegten Kriterien Straßennamen überprüft und im nächsten Schritt für 79 Persönlichkeiten ausführliche Gutachten erstellt. Zwölf Namen empfahl die Kommission letztlich zu ändern, weil Verflechtungen in die Bereiche Antisemitismus, Nationalismus, Kolonialismus und Militarismus bestünden.
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Auf dieser Grundlage beschloss der Stadtrat 2021 die Umbenennung dieser Straßen. Abgeschlossen ist der Prozess noch nicht: Noch immer werden aus der Bevölkerung Namensvorschläge gesammelt. Der Beschluss soll aber in diesem Jahr umgesetzt werden. Die Bezirksvertretungen sollen zumindest ein Mitspracherecht haben.
Im Duisburger Kulturausschuss verwies Dezernent Börger darauf, dass der Leiter des Stadtarchivs Andreas Pilger die Bezirke bereits jetzt bei Straßenbenennungen berate: „Die Frage ist: Brauchen wir überhaupt ein gesamtstädtisches Konzept?“ Matthias Börger, der Duisburg im März verlassen wird, stellte einen Besuch Pilgers in der nächsten Ausschusssitzung in Aussicht, damit der Historiker aus seiner Sicht zu dem Thema Stellung nehmen kann.
Die Grünen fordern von der Verwaltung eine rechtliche Begründung in schriftlicher Form, warum sie dem Auftrag des Ratsgremiums nicht nachkommen will. Denn politische Beschlüsse sind für die Stadt grundsätzlich bindend. Christian Saris kündigt an: „Wir werden die Begründung prüfen lassen.“ Auch für den Fall, dass die Stadt diese Stellungnahme nicht liefert, behalte sich die Fraktion rechtliche Schritte vor.