Duisburg. Mit Chören, Solisten und moderner Videotechnik haben die Duisburger Philharmoniker „Szenen aus ‘Faust’“ inszeniert. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Solch einen Aufwand hat es bisher bei noch keinem Konzert der Duisburger Philharmoniker in der Mercatorhalle gegeben. Für Robert Schumanns „Szenen aus Goethes ,Faust´“, die hier zum ersten Mal erklangen, wurden neben dem Orchester noch sechs Gesangssolisten, zwei Chöre und ein Inszenierungs- und Video-Team um Regisseur Michael Sturminger aufgeboten.

Zu Beginn ist man gespannt, wie der Versuch einer Inszenierung in der Mercatorhalle ausfallen würde, das Podium ist nämlich durch die groß besetzten Philharmoniker und die Audi-Jugendchorakademie randvoll besetzt. Lediglich an der Rampe gibt es einem schmalen Streifen, auf dem sich die Akteure bewegen können. Die Regie findet so auch nicht auf der Bühne, sondern in den Videos statt.

Duisburger Philharmoniker: Sänger werden in Videos hineinprojiziert

Die Sänger positionieren sich seitlich des Dirigentenpultes und werden dort abgefilmt. Ihre Gesichter werden dann auf die Rückwand über dem Chor in die vorproduzierten Videos hineinprojiziert. Die grau-weiß gehaltenen Filme und Bilder geraten sehr unterschiedlich: Der Garten, in dem sich Faust und Gretchen treffen, bleibt diffus, während der Dom, in dem Gretchen betet und dann vom bösen Geist bedrängt wird, ein klar erkennbares Mittelschiff einer Kirche ist. Abstrakt, aber abwechslungsreich sind die Bilder zur Fausts Verklärung.

Nach getaner Arbeit gab es für Axel Kober (Mitte), Solisten, Orchester und Chöre viel Applaus vom Publikum.
Nach getaner Arbeit gab es für Axel Kober (Mitte), Solisten, Orchester und Chöre viel Applaus vom Publikum. © Philharmonie Duisburg | Alex Schroer

Sopranistin Kerstin Avemo interpretiert das Gretchen sehr emotional und flehentlich, obwohl ihr die dramatischen Töne der Partie nicht liegen. Sie singt aber auswendig und hat eine ausdrucksstarke Mimik, so dass die Videotechnik ihre Nöte eindrucksvoll vergrößert. Markus Eiche, der den Faust mit stattlichem Bariton singt, trägt durchweg den gleichen nachdenklichen Blick zur Schau. Zudem blickt er dauernd in seine Noten und hält sich diese oft vor das Gesicht. Die Videos bringen Kerstin Avemo als Gretchen in existenziellen Ängsten auf die Leinwand, bei Markus Eiche sehen wir einem Opernsänger bei der Arbeit zu.

Franz-Josef Selig beeindruckt mit seinem warmen und großen Bass. Ihm gelingt das Kunststück, dass in seiner schönen Stimme immer eine unterschwellige Bedrohung mitschwingt. Sehr gut sind auch die kleineren Partien besetzt: Wie Anke Krabbe mit ihrem jugendlich-glockigem Sopran sich als Sorge bei Faust einschleicht und ihn erblinden lässt, verrät die erfahrene Opernsängerin. Tenor David Fischer kann seine Stimme in den Arien fast unendlich strömen lassen, und Altistin Natalya Boeva präsentiert sich mit einer durchsetzungsfähigen Stimme.

GMD Axel Kober am Pult, Audi-Jugendchorakademie zu Gast

Generalmusikdirektor Axel Kober hat am Pult der Duisburger Philharmoniker immer den großen Bogen der Musik im Blick und lässt den lyrischen Momenten genügend Zeit. Gleichzeitig balanciert er aber auch das Wechselspiel zwischen Ruhepolen und dramatischen Momenten gut aus. Einige Szenen dieses Oratoriums sind ruhige Stimmungsbilder, andere werden zu packenden Opernszenen.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Erstklassig präsentiert sich die von Sonja Lachenmayr einstudierte Audi-Jugendchorakademie. Der Chor artikuliert sehr klar und genau, besitzt einen homogenen Gesamtklang und auch die solistischen Beiträge aus dem Chor lassen aufhorchen. Sehr kultiviert singt der Kinder- und Jugendchor am Nationaltheater Mannheim, der von der Anke-Christine Kober, der Ehefrau des Duisburger Generalmusikdirektors geleitet wird. Obwohl dieses Werk nur selten zu hören ist, gibt es viel Beifall vom Duisburger Publikum.

Skurriles Ereignis am Rande: Bei Konzerten sind Bildaufnahmen für das Publikum verboten, nicht nur aus urheberrechtlichen Gründen, sondern auch weil die aufleuchtenden Bildschirme den Konzertbesuch stören. Regisseur Michael Sturminger, der neben Intendant Nils Szcepanski im Saal sitzt, fotografiert und filmt seine eigene Inszenierung jedoch eifrig ab. Seine privaten Dreharbeiten stellt er erst ein, als er von einem genervten Konzertbesucher zur Ordnung gerufen wird.

Szepanski teilt hinterher mit: „Michael Sturminger hat natürlich nicht privat fotografiert. Wir reisen mit dieser Inszenierung im Juli nach Ingolstadt zu den Audi Sommerkonzerten. Ohne diese Kooperation hätten wir diesen Aufwand in Duisburg so nicht stemmen können. Wir brauchen Fotos aus der Totalen, also aus dem mittleren Zuschauerbereich, um die Videoinstallation für die Bühneneinrichtung in Ingolstadt einrichten zu können – und dafür greifen wir auf unsere Erfahrungen hier in Duisburg zurück.“

>>PHILHARMONISCHES KONZERT: SOLISTEN IN DER REGION BEKANNT

Alle drei Solisten der Hauptrollen waren bereits in der Region zu erleben: Sopranistin Kerstin Avemo stand in der Spielzeit 2007/08 an der Deutschen Oper am Rhein in „Hoffmans Erzählungen“ und „Ein Maskenball“ auf der Bühne.

Bariton Markus Eiche sang 2013 im Düsseldorfer Opernhaus den Wolfram in Wagners „Tannhäuser“, einer Inszenierung, die direkt nach der Premiere abgesetzt wurde.

Bassist Franz-Josef Selig begann seine Weltkarriere in den 1990er Jahren am Essener Aalto-Theater.