Duisburg. Unterzuckert verlor ein Duisburger die Kontrolle über sein Auto. Zwei Personen wurden verletzt. In zweiter Instanz landete der Fall vor Gericht.
Weil er schwer unterzuckert war, verlor ein 34-jähriger Huckinger am 25. Januar 2019 gegen 16.30 Uhr die Kontrolle über sein Fahrzeug. Ohne Bewusstsein steuerte er auf der Mannesmannstraße in den Gegenverkehr. Bei einer Kollision mit einem entgegenkommenden Auto wurden dessen Insassen – ein Mann und eine Frau – schwer verletzt. In zweiter Instanz musste sich das Landgericht am König-Heinrich-Platz mit dem Fall befassen.
Bis zum erstinstanzlichen Verfahren hatte es, aufgrund von Corona und Dezernatswechseln, dreieinhalb Jahre gedauert. Das Amtsgericht hatte im Juni 2022 keinen Zweifel gehabt, dass der Angeklagte den Unfall fahrlässig verursachte, weil er seine Erkrankung – Diabetes Typ 1 – nicht ernst nahm. Morgens hatte er Insulin gespritzt, aber seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Ein Gerät, um seinen Blutzuckerspiegel zu testen, hatte er nicht dabei. Das Gericht verhängte eine Geldstrafe von 1000 Euro (100 Tagessätze zu je 10 Euro) und ordnete an, dass der Führerschein einzuziehen sei, frühestens drei Monate nach Rechtskraft ein neuer beantragt werden dürfe.
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Der Verteidiger wollte das Urteil nicht verstehen
Doch der Angeklagte legte Rechtsmittel ein. „Wir verstehen das Urteil nicht“, so sein Anwalt. Aus welcher rechtlichen Norm sich denn wohl ableiten lasse, dass sein Mandant seine Sorgfaltspflicht als Verkehrsteilnehmer verletzt habe? Der Verteidiger bestand zunächst auf der Durchführung der Beweisaufnahme.
Zeugen zeichneten das gleiche Bild wie vor dem Amtsgericht. Auf der Mannesmannstraße war der Angeklagte, der die richtige Straßeneinfahrt zu seiner Wohnanschrift bereits verpasst hatte, ohne erkennbaren Grund in den Gegenverkehr gedriftet. Ein Kombi konnte noch ausweichen. Der Fahrer eines Skoda konnte nicht mehr reagieren. Die Insassen des Autos trugen Knochenbrüche, Schädel- und Halswirbelsäulen-Traumata davon.
Medizinerin: „Wer so handelt, darf nicht Auto fahren“
Wie schon in erster Instanz gab das Gutachten einer Medizinerin den Ausschlag. Es gebe Symptome für eine Unterzuckerung, erklärte sie. „Doch bei häufiger Unterzuckerung gibt der Körper keine Warnsignale mehr.“ Die Ärztin hatte keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bereits vielfach schwer unterzuckert gewesen sei: 2017 landete er deshalb in einer Klinik. Sein Sehvermögen, die Sensibilität der Füße und die Funktion der Nieren seien bereits geschädigt.
„Er hätte wissen müssen, dass er als Verkehrsteilnehmer ein hohes Risiko für sich und andere eingeht, wenn er nicht ausreichend isst und nicht vor jedem Fahrtantritt seinen Blutzuckerspiegel überprüft“, so die Ärztin. Das werde in Diabetes-Schulungen vermittelt. Schulungen, an denen der Angeklagte nie teilnahm. Merkblätter seines Arztes ignorierte er. Nachdem der Vorsitzende noch einmal deutlich gemacht hatte, dass auch nicht ausdrücklich im Gesetz stehe, dass jemand mit gebrochenen Beinen nicht Auto fahren dürfe, nahm der Angeklagte die Berufung nach vierstündiger Verhandlung zurück.