Duisburg. Auch in Syrien ist die Not der Erdbeben-Opfer groß. Hilfen kommen nicht bei den Menschen an. Eine Duisburgerin mit syrischen Wurzeln berichtet.

Wenn Maya Ibu dieser Tage nachts ihre Tochter im Arm hält und selbst nicht schlafen kann, ist sie in Gedanken bei den Menschen in ihrer zweiten Heimat Syrien. Am Montag bebte dort die Erde, tagelang hörte man die Verschütteten schreien, jetzt ist es vielerorts still geworden.

Es sind Erzählungen von Verwandten und Freunden, die Maya und die syrische Community in Duisburg erreichen. Viel können sie von hier aus nicht für ihre Landsleute tun, aber die 33-Jährige möchte zumindest erzählen, was in Syrien passiert.

Duisburgerin: Syrische Regierung lässt Menschen im Stich

Maya heißt eigentlich anders. Sie möchte ihre Familie schützen, behält ihren Namen deshalb lieber für sich. Als sie am Montagmorgen in den Nachrichten von der Katastrophe erfährt, versucht sie sofort, ihre Schwägerin in Syrien zu erreichen. „Sie hatte Todesangst“, erzählt Maya, „hat ihre Kinder gepackt und ist rausgerannt, ohne Socken oder Schuhe, sie konnten nichts mitnehmen“. Bei Minusgraden musste die Familie auf der Straße ausharren, im Auto schlafen, eine Bleibe finden. Aber sie haben überlebt, wie der Rest der Familie. „Gott sei Dank.“

Die syrische Kleinstadt Dschindires liegt nahe des Epizentrums. Hunderte Menschen warten dort noch immer auf Hilfe. Viele sind in den Trümmern umgekommen, berichtet die Duisburgerin Maya Ibu.
Die syrische Kleinstadt Dschindires liegt nahe des Epizentrums. Hunderte Menschen warten dort noch immer auf Hilfe. Viele sind in den Trümmern umgekommen, berichtet die Duisburgerin Maya Ibu. © Maya Ibu | Unbekannt

In dem Dorf an der türkisch-syrischen Grenze, aus dem Mayas Familie stammt, sind die Verluste groß. Die kleine Stadt Dschindires westlich von Aleppo, wo einige ihrer Freunde leben, ist komplett zerstört. Am Telefon berichteten sie ihr, dass sie Bagger angefordert hätten, aber niemand fühle sich verantwortlich. „Mit Händen und Füßen kann man keine Betonwände wegtragen – da liegen immer noch hunderte Menschen unter den Trümmern.“ Gerade erst habe sie mit einem Anwohner gesprochen. „Er sagte, bis jetzt ist immer noch keine Hilfe gekommen – wo sie können, bergen sie jetzt die Leichen.“

Syrer berichten: Spenden kommen nicht durch

Maya ist sich sicher: „Man hätte viele retten können, wenn man anständig geplant und Hilfsgüter zugelassen hätte.“ Stattdessen habe die Regierung das Land und die Menschen sich selbst überlassen. Von den Syrerinnen und Syrern in ihrem Umfeld wollten viele spenden, hätten aber die Info bekommen, dass vor Ort wenig bis gar nichts ankommt. „Die Regierung lässt nichts durch.“ Die einzige Ausnahme seien Geldspenden an den Syrischen Halbmond, der Essen für die Erdbebenopfer bereitstellt. Und natürlich das Geld, das Familie und Freunde direkt nach Syrien schicken. „Jeder, wirklich jeder, hat etwas gegeben.“

Diese Handyaufnahmen zeigen das Ausmaß der Verwüstung im syrischen Aleppo.
Diese Handyaufnahmen zeigen das Ausmaß der Verwüstung im syrischen Aleppo. © Unbekannt | Maya Ibi

Mayas Familie ist vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet, als sie gerade sechs Monate alt war. Sechsmal hat die heute 33-Jährige seitdem Syrien besucht. „Es ist traurig, mitzuerleben, wie ein wunderschönes Land mit so lebensfrohen Menschen, so viel Kultur und Tradition, zugrunde gerichtet wird.“ Bürgerkrieg, Wirtschaftskrise, jetzt das Erdbeben. Ihrem Cousin, der in Aleppo lebt, hätten sie den Gasboiler aus dem verwüsteten Haus geklaut. „So arm sind die Leute dran.“ Und die Regierung unternehme nichts, sei nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. „Dabei geht es hier nicht um Politik oder Macht, sondern um Menschlichkeit.“

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Die Situation geht der zweifachen Mutter nah. „Da sind Kinder auf der Straße erfroren.“ Was sie sich wünschen würde? „Die Leute stehen unter Schock – es sollte möglich gemacht werden, dass man seine Angehörigen für ein paar Wochen hierher bringt, damit sie sich erholen können.“ Eine Art erleichtertes Touristenvisum wünscht sie sich. Und lobt: „Auch in Deutschland herrscht Inflation und trotzdem sind die Menschen so hilfsbereit – das ist schön zu sehen.“ Auch wenn die Spenden nicht überall ankommen.