Duisburg. Monatelang muss eine Duisburgerin um die Einreise ihres Ehemanns aus Gambia kämpfen. Werden Afrikaner bei Familienzusammenführung benachteiligt?

Gerade rechtzeitig hat es Modou Lamin Darboe noch nach Deutschland geschafft, um den zweiten Hochzeitstag mit seiner Frau zu feiern. Mit Susanne Breilmann ist er seit 2021 verheiratet. Aus seiner Heimat Gambia einreisen durfte der 31-Jährige erst jetzt. Hinter beiden liegt ein monatelanger Kampf mit den Behörden. Das Fazit der Duisburgerin: Menschen aus Afrika, aber auch Frauen würden bei der Familienzusammenführung benachteiligt.

Es ist Februar 2020, als sich Modou Lamin Darboe und Susanne Breilmann kennenlernen, in einem Hotel an der Küste Westafrikas. Er arbeitet dort als Koch, sie macht Urlaub. Zur ersten Begegnung kommt es am Büffet, es folgt ein gemeinsamer Ausflug.

Familienzusammenführung: keine Reaktion der deutschen Botschaft

Schnell habe es gefunkt, berichtet das Paar, aber genau so schnell ist Breilmanns Urlaub wieder vorbei. Schon für März bucht sie den nächsten Flug. Dann überschlagen sich in der Frühphase der Pandemie die Ereignisse. An Reisen ist nicht mehr zu denken. „Wir konnten uns monatelang nur per Video sehen“, sagt die Juristin, die in einer Behörde arbeitet.

Susanne Breilmann und Modou Lamin Darboe lernen sich Anfang 2020 in einem Hotel in Gambia kennen.
Susanne Breilmann und Modou Lamin Darboe lernen sich Anfang 2020 in einem Hotel in Gambia kennen. © Susanne Breilmann

Ende 2020 sind Flugreisen wieder möglich. Susanne Breilmann ergreift die Gelegenheit, nach zehn Monaten gibt es in Gambia ein Wiedersehen. Sie verloben sich. Und nur wenige Tage später, am 22. Januar 2021, heiraten sie. „Wir wollten eigentlich noch warten“, erinnert sich die heute 52-Jährige, „aber durch Corona gab es so viele Unwägbarkeiten“. Sie hoffen, als Eheleute in Zeiten strenger Einreisebeschränkungen Vorteile zu haben.

Für Modou Lamin Darboe steht fest, dass er in Deutschland leben will. Er absolviert einen dreimonatigen Deutschkurs – Voraussetzung für eine Familienzusammenführung, die er im August 2021 in der deutschen Botschaft beantragt. Die Vertretung der Bundesrepublik sitzt in Dakar, der Hauptstadt des Senegals, im kleinen Gambia gibt es keine. „Danach haben wir wochenlang nichts gehört, es gab nicht mal eine Eingangsbestätigung“, sagt Susanne Breilmann.

Duisburgerin verklagt die Bundesrepublik Deutschland

Die mit dem Antrag eingereichten Dokumente zu überprüfen, obliegt sogenannten Vertrauensanwälten. Sie handeln im Auftrag der Botschaft und liefern die Grundlage für die Entscheidung, die laut einer EU-Richtlinie innerhalb von neun Monaten erfolgen soll.

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Im Mai 2022 sind diese neun Monate um. Eine Nachricht habe das Paar zu dem Zeitpunkt noch immer nicht erhalten, Nachfragen seien stets unbeantwortet geblieben. Sie setzen der Botschaft eine Frist bis Juni – als die verstreicht, stellt Modou Lamin Darboe Untätigkeitsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Doch auch darauf habe es keine Reaktion gegeben, nicht mal die Akte sei übersandt worden.

Breilmann fliegt im September wieder nach Gambia. In der Küstenstadt Kololi gibt es ein Verbindungsbüro der Botschaft, an zwei Tagen in der Woche kann man dort vorsprechen. 13 Monate nach dem Antrag erhält das Paar zum ersten Mal eine Auskunft: „Eine Mitarbeiterin sagte uns, der Vertrauensanwalt habe die Unterlagen einfach noch nicht zurückgeschickt. Ihn daran zu erinnern, habe sie vergessen.“

Langes Warten auf ein Visum: „Wir wollten Weihnachten zusammen feiern“

Jetzt kontaktiert die Mitarbeiterin den Anwalt, und nur zwei Tage später kommt dessen Bericht in Kololi an. Breilmann: „Man hat nach über einem Jahr also tatsächlich herausgefunden, dass wir rechtmäßig verheiratet und alle Urkunden in Ordnung sind.“

Schon im Rahmen der Überprüfung wurden Freunde und Familien der beiden befragt. Doch Susanne Breilmann ahnt bereits, dass auch ihr Mann und sie selbst noch einmal Auskunft geben müssen, zum Beispiel auf Anordnung der Ausländerbehörde. Eine solche Befragung erfolgt voneinander getrennt, aber zeitgleich, damit keine Absprachen möglich sind. „Ich habe darum gebeten, das zu erledigen, solange ich noch in Gambia bin. Aber das wollten die nicht – es hieß, das sei nach so langer Bearbeitungsdauer nicht mehr nötig.“

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Nach weiteren Wochen, Susanne Breilmann ist schon wieder in Duisburg, wird genau so eine Befragung aber plötzlich doch verlangt. Auf Nachfrage erklärt die Botschaft, die Ausländerbehörde habe das gefordert, die Ausländerbehörde schildert es andersrum. „Wir wollten Weihnachten zusammen feiern“, sagt Breilmann – sie schlagen Termine Anfang Dezember vor, damit es noch klappen kann mit dem gemeinsamen Fest.

Die Befragung wird aber erst auf den 21. Dezember datiert. Susanne Breilmann ärgert sich noch immer: „Laut Bundesverfassungsgericht dürfen Behörden nur im Privatleben der Leute herumschnüffeln, wenn sie dafür eine gute Begründung haben.“ Ohne es auszusprechen, sei ihnen hier eine Scheinehe unterstellt worden.

Start in Duisburg 23 Monate nach der Hochzeit in Gambia

Breilmann zieht einen Vergleich: „Wenn ich Karl-Dieter aus Wanne-Eickel heirate, der 98 Jahre alt und schwer krank ist, fragt mich niemand, ob ich das vielleicht nur wegen seines Geldes tue.“ Es gebe auch weniger Probleme, wenn ein deutscher Mann eine Frau aus dem asiatischen Raum heiratet. Das wisse sie aus dem eigenen Familien- und Bekanntenkreis.

Nach der Befragung sind die Signale der Behörden positiv. Eine mühsame Reise Darboes nach Dakar, um seine Papiere abzuholen, ist zwar zunächst umsonst – letztlich muss sein im Senegal lebender Cousin ihm Reisepass und Visum nach Gambia bringen. Aber dann kann er endlich fliegen. Am 28. Dezember landet Modou Lamin Darboe in Deutschland – 23 Monate nach der Hochzeit mit Susanne Breilmann, 16 Monate nach dem Antrag auf Familienzusammenführung.

Modou Lamin Darboe lebt jetzt bei seiner Ehefrau in Duisburg. Im Januar hat das Paar seinen zweiten Hochzeitstag gefeiert.
Modou Lamin Darboe lebt jetzt bei seiner Ehefrau in Duisburg. Im Januar hat das Paar seinen zweiten Hochzeitstag gefeiert. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die ersten Tage in Duisburg sind für Darboe seltsam. Seine Frau muss arbeiten. Er selbst traut sich noch nicht so recht raus – mit dem Deutschlernen ist er erst am Anfang, dazu kommt die unbekannte Umgebung. „Ich dachte am Anfang nur, hoffentlich gehe ich hier nicht verloren.“

Amtsgänge sind noch immer Alltag – Krankenkasse, Ausländerbehörde, auch beim Start in Deutschland ist viel zu erledigen. Inzwischen war aber auch Zeit für ausgelassene Momente: Das erste Mal auf Schlittschuhen, oder jüngst der Hochzeitstag, den das Paar mit westafrikanischem Essen und Musik in einem Ruhrorter Bistro feierte. Inzwischen hat Modou Lamin Darboe in einem Restaurant Arbeit gefunden.

>> ÄRGER ÜBER DEUTSCHE BOTSCHAFT IN SENEGAL UND GAMBIA

Dass Familienzusammenführungen in der deutschen Botschaft in Dakar nur schleppend bearbeitet würden, berichten weit mehr Betroffene als Modou Lamin Darboe und Susanne Breilmann. Andreas Glatt, Ehemann einer Gambierin, hat deshalb einen Offenen Brief an den Botschafter Sönke Siemon geschrieben.

Glatt wartet nicht nur auf die Einreiseerlaubnis für seine Frau, sondern auch für den gemeinsamen einjährigen Sohn. In seinem Schreiben führt er Beispiele weiterer Betroffener an: „Den deutschen Behörden muss endlich klarwerden, dass sie Familien nicht weiter so behandeln können, egal woher sie kommen.“

Dem Schreiben hat er einen Katalog mit elf Fragen beigefügt und die Botschaft um Antwort gebeten.