Duisburg. Auf Rollschuhen ging es zum Club. Einige Duisburger fanden die Liebe fürs Leben. Erinnerungen an Nächte im „Scotch Club“, „Backstage“ und „Ex“.
Früher war alles besser – zumindest bekommt man den Eindruck, wenn man die Geschichten aus der guten alten Zeit, von wilden Nächten in den 1970er, 80er, 90er Jahren hört. Sogar in den Nuller-Jahren war noch mehr los in Duisburg als heutzutage. Unser Artikel über Eschhaus, „Scotch Club“, „Old Daddy“ und Co. hat viele Leserinnen und Leser in Erinnerungen schwelgen und die Disco- oder Kneipenabende noch einmal Revue passieren lassen.
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„Meine Stamm-Discothek war eindeutig das ,Ex’ auf dem Salvatorweg. Mit exakt 4,40 DM in der Tasche, dem Preis für ein Glas Whisky-Cola, war ich auch am 30. Mai 1966 dort. Als die Musik begann, forderte ich ein Mädchen auf, das am Nebentisch saß. Gott sei Dank stand sie auf und tanzte mit mir. Und nicht nur ein Mal. Immer wieder. Sie feierte mit ihrer Freundin ihren 18. Geburtstag. Inzwischen lieben wir uns seit 56 Jahren und sind seit 53 Jahren glücklich verheiratet“, berichtet Leser Ralf Ludorf.
Von „Scotch Club“ bis „New York City Club“: Erinnerungen ans Duisburger Nachtleben
Gabi Schlüter düste damals immer auf Rollschuhen von Ruhrort in die Stadtmitte. „Begonnen habe ich meine Ära in Ruhrort im ,New York City Club’, vorgeglüht wurde in der Kneipe ,Quelle’ nebenan. ,Tante Olga’ und die ‘Goldene Diele’ waren auch Dauerbesuche wert.“ In der Innenstadt wurde als erstes der „Scotch Club“ unsicher gemacht. „Wie es so meine Art war und ist, begann die Zankerei beim Herrengedeck, denn ich möchte keinen Schnaps“, beschreibt sie lächelnd. „Das ,Ex’ war auch super, ,Espresso’ erste Sahne.“ Nur zurück nach Hause ging’s dann nicht mehr auf Rollen, sondern mit dem Taxi. Auf dem Weg wurde aber noch einmal bei „Pommes Walter“ gehalten, „wegen der Pusztabällchen.“
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Während alle anderen feiern gingen, musste Holger Wanner arbeiten. Der heute 63-Jährige stand in den 1970er und 1980er Jahren in verschiedenen Locations hinter den Plattentellern – etwa im „Club 39“ in Oberhausen, im „Scotch Club“ oder im „Coupé“ im Duisburger Süden. Seine Karriere begann er allerdings als Nachwuchs-Discjockey im Jugendzentrum Adlerstraße. Später machte er eine Banklehre bei der Sparkasse. „Die Sparkasse hat früher Partys für Schüler veranstaltet. Da habe ich als Rowdy mitgeholfen. Einmal war es richtig groß, da ist Boney M. aufgetreten“, blickt Holger Wanner zurück.
DJ im „Scotch Club“: Die Platten aus dem Import-Shop besorgt
Sein Interesse für Musik war geweckt. Im Import-Shop in Düsseldorf besorgte er sich die aktuellsten Songs. Einmal, da ist er sich sicher, ist es ihm sogar gelungen, ein Lied in Deutschland bekannt zu machen, das es später in die Charts geschafft hat. Die Scheibe „Born to be alive“ von Patrick Hernandez hat er schon gespielt, als das Lied noch kein Hit war.
„Die Läden hatten alle einen eigenen Bestand an Platten, aber ich habe immer noch ein paar eigene mitgebracht. Damals wurden die Titel auch noch angesagt.“ Und wenn er mal eine Pause brauchte, legte er einfach drei Klassiker hintereinander auf, darunter „I was made for loving you“ von Kiss.
Liedauswahl und der Stil der Leute unterschieden sich von Disco zu Disco. „Im ,Club 39´war es ganz anders als im ,Scotch´. Dort hat die Chefin jede Woche einen neuen frischen Blumenstrauß auf die Theke gestellt. Der ,Scotch Club´ war damals schon gediegener.“ Es gab Tischchen, an denen die Gäste Platz nehmen konnten. Cocktails wie die viel gelobte Piña Colada waren mit 13 D-Mark für damalige Verhältnisse teuer.
„Getrunken wurde damals nicht, wenn man arbeiten musste, maximal einen Drink.“ Und auch so waren die Nächte manchmal – „heijeijei“, sagt Holger Wanner bedeutungsvoll. Er hatte schließlich noch einen Job in der Bank zu erledigen. „Das war ja damals noch nicht so wie heute, dass DJs so bekannt waren, und eigene Lieder hatten.“
Zehn Jahre zog es ihn beruflich durch die Clubs. „Viele alte Lieder sind ja gerade wieder angesagt, aber man muss auch nicht alles aufwärmen.“ Heute hört der Duisburger, der ein Geschäft für Modell-Autos und -Bahnen in Moers betreibt, vor allem WDR 2.
Andreas Bechert und Michael Will stellten selbst etwas auf die Beine
Das käme für Andreas Bechert (55) und Michael Will (57) nicht in Frage. Will erlebte gegen Ende der Eschhaus-Zeit einige prägende Abende in dem freien soziokulturellen Zentrum. Als das Haus 1987 schließen musste, orientierten sich einige Besucher Richtung „Old Daddy“, andere gingen lieber in die „Fabrik“ in Neudorf. „,Scotch-Club´war Disco, ,Daddy´ und ,Fabrik´ waren Punk und Underground“, erinnert sich Andreas Bechert, der beide Läden kennt. „,Daddy´ war damals rauer, räudiger. Es gab unterschiedliche Szenen, New Waver, Psychos, Punks, und manchmal gab es auch Stress.“
Den Eintrittsstempel ließ er jedenfalls stolz auf dem Handrücken, wenn er am nächsten Morgen wieder in die Schule musste – das machte Eindruck.
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Aber auch die Unterstraße war in den 1990er Jahren einen Besuch wert. Es waren die Zeiten vom „Goldenen Anker“, dem laut Eigenwerbung „führenden Nacht-Cabaret in der Duisburger Altstadt“. Der Lieblingsladen von Andreas Bechert war aber das „Backstage“, schließlich hat er selbst dafür gesorgt, dass die Musik spielte – unter anderem auch live. „Ich hab’ viele Freunde, die Musiker sind.“ Er selbst hat immer lieber organisiert und verschaffte Musikern unkommerziell Auftrittsmöglichkeiten. „Wir wollten selbst etwas auf die Beine stellen, nicht nur Konsumenten sein“, betont Bechert.
Jeden Donnerstag lautete das Motto „Punk’n’Roll Nite“. „Zwischen zehn und elf Uhr war immer Happy Hour, da kostete das Bier ne Mark. Das führte dazu, dass sich jeder um fünf vor elf noch zehn Bier bestellt hat“, erzählt Michael Will lachend. Nicht alle davon wurden auch getrunken.
Als das „Backstage“ in den 1990er Jahren schließlich dichtmachte und in „Globe“ umfirmierte, und auch die „Fabrik“ 2003 schloss, zogen die beiden weiter zum „T5“, dem ehemaligen „Fifty-Fifty“. Das selbst gegründete „T5“ wollte einen Platz für Szene bieten, „kein Hochglanz, sondern einen Ort, den sich jeder leisten kann. Jeder soll mitmachen können.“, sagt Andreas Bechert. Mit dem frisch gegründeten Verein „Mustermensch“ wollten sie selbst ein neues Zentrum für Subkultur gründen. „Erst sah es so aus, als wollte die Stadt uns helfen, aber uns wurden nur Räume und Gebäude angeboten, die überhaupt nicht unseren Vorstellungen entsprachen“, beschreiben die beiden.
Einen passenden Ort fanden sie dann am Marientor 4-6. Andreas Bechert hatte mitbekommen, dass die Betreiberin des „Fifty Fifty“ aufhören wollte, schlug dem Verein die Location vor und der Vorstand unterschrieb den Mietvertrag. Von 2008 bis 2009 hatte Duisburg einen neuen unabhängigen Kultur-Treffpunkt. Dann war wieder Schluss – denn das Bauamt hatte Mängel festgestellt. „Die eigentliche Öffnung war vielleicht sieben Monate, aber wir saßen vorher oft zusammen und auch danach, um zu überlegen, ob wir doch noch etwas retten können“, sagt Andreas Bechert. Schließlich sahen sie ein, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war.
„Heute fallen mir nicht mehr viele Ausgehmöglichkeiten ein“
Einige Veranstaltungen verlagerten sie ins „Djäzz“. „Aber in Duisburg gibt es ja immer irgendwo einen Nachbarn, der sich beschwert und wo man dann Probleme bekommt“, weiß Michael Will. Ob die Leute früher toleranter waren? „Wir wollen gar nicht so ein Duisburg-Bashing betreiben, aber seit der Loveparade ist es noch schwieriger geworden, in Duisburg etwas zu starten, weil es so viele Auflagen gibt“, betont er.
Gabi Schlüter, die Party-Queen von früher, beschreibt es so: „Heute fallen mir nicht mehr viele Ausgehmöglichkeiten ein. Insofern ist das der einzige Vorteil, dass ich aus dem Alter raus bin.“