Duisburg. Das 5. Philharmonische Konzert in Duisburg widmete sich Beethovens Neunter Sinfonie. Doch der Vortrag des Meisterwerks sorgte für Irritationen.
Eigentlich ist Beethovens Neunte Sinfonie ein Paradestück für Generalmusikdirektoren. Axel Kober entschied sich jedoch, die aktuelle Aufführung in Duisburg Eun Sun Kim, der Musikdirektorin der San Francisco Oper zu überlassen. Die sagte dann aber krankheitsbedingt ab, und der US-amerikanische Nachwuchsdirigent Robert Trevino sprang ein. Auch bei den Gesangssolisten gab es Umbesetzungen. Trotz dieser Hindernisse hätte es eine gute Aufführung werden können – doch Robert Trevino entschied sich meist für überhastete oder zerdehnte Tempi.
Schon im ersten Satz irritiert, dass Trevino die Balance der Orchesterstimmen verschiebt: Da liegt die Melodie in den Holzbläsern, von der man aber kaum etwas hört, weil Trevino die Begleitfiguren der Celli in den Vordergrund rückt. Umgekehrt geht es auch: Da haben die Violinen die führende Stimme, werden aber von einem Bläserakkord, der eigentlich nur Grundierung ist, übertönt. Das sind interpretatorische Extravaganzen, welche keinen erhellenden Blick auf Beethovens Musik bieten.
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Duisburger Philharmoniker: Dirigent mit Tempoverstößen
Den Höhepunkt des ersten Satzes verschenkt Trevino, der souverän dirigiert und den Eindruck erweckt, dass er weiß, was er da macht, total: Die triumphale Wiederholung des Hauptthemas wird so schnell durchgespielt, dass die Musik vorbeirauscht und verpufft.
Im zweiten Satz fordert Beethoven zwar ein Molto vivace, aber Trevino feuert die Duisburger Philharmoniker zu solch einem rasanten Tempo an, dass der punktierte Rhythmus, der den ganzen Satz prägt, gar nicht mehr deutlich zu artikulieren ist und bloß überspielt wird. Die Geschwindigkeitsverstöße des Dirigenten führen auch dazu, dass sich die Melodien in den eigentlich ruhigeren Abschnitten gar nicht entfalten können und einige Instrumente nicht vernünftig mitkommen. Beethovens Musik jagt vorbei, ohne dass sie irgendeine Bedeutung entfalten kann.
Der idyllische dritte Satz mit seinem Adagio molto e cantabile wird von Trevino total zerdehnt. Zwar spielen die Holzbläser der Philharmoniker schöne Soli, aufgrund der langsamen Tempi zerfasern die Melodien jedoch. In solchen Stellen fragt man sich, warum für die Aufführung eines solch wichtigen Werkes ein Gastdirigent engagiert wird, wenn jeder Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein eine spannendere und schlüssigere Aufführung geboten hätte?
„Ode an die Freude“: Nicht alle Gesangssolisten überzeugen
Im Finalsatz mit der „Ode an die Freude“ muss sich Dirigent Trevino an den Gesangssolisten und Choristen orientieren und lässt zum ersten Mal an diesem Abend sinnvolle Tempi spielen. Bassist David Leigh fällt durch schlechte Aussprache und eine bullige Stimme auf, die im deutlichen Gegensatz zu den anderen drei Solostimmen steht. Nikolai Schukoff verfügt über einen schönen, leichten und beweglichen Tenor, kommt aber schlecht durch, weil der Dirigent das Orchester zu laut spielen lässt. Sopranistin Mandy Fredrich lässt ihre Stimme in den Ensembles schön leuchten, und Mezzo Tara Erraught ergänzt das Quartett zuverlässig und wohlklingend.
Sehr gut macht der Philharmonische Chor seine Sache. Chorleiter Marcus Strümpe hat bei der Einstudierung sehr genau an der Artikulation und Textverständlichkeit gearbeitet. Der Dialog des Chores mit dem Bass gerät sehr intelligent und dazu ist der Gesamtklang homogen und gut abgerundet.
Das Publikum in der Mercatorhalle spendet allen Beteiligten starken Beifall. An den Jubel, mit dem die letzte Duisburger Aufführung der Neunten Sinfonie 2014 unter Giordano Bellincampi gefeiert wurde, reicht der Applaus aber nicht heran.
>>GASTDIRIGENT ROBERT TREVINO IN DUISBURG
Robert Trevino ist Chefdirigent des Basque National Orchestra, erster Gastdirigent des Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai und künstlerischer Berater des Malmö Symfoni-Orkesters.
Mit diesem Orchester hat er einen kompletten Zyklus aller Beethoven-Sinfonien auf CD eingespielt.