Duisburg. In Nordrhein-Westfalen steigt die Zahl der Reichsbürger. Auch in Duisburg ist die Szene präsent. Haben Querdenker-Proteste ihr Zulauf beschert?

In Nordrhein-Westfalen steigt die Zahl der sogenannten Reichsbürger. Auch in Duisburg ist die Szene schon lange angekommen. Sie wird durch den Verfassungsschutz beobachtet, und hat in den vergangenen Jahren auch für Polizeieinsätze in der Stadt gesorgt.

Reichsbürger lehnen den deutschen Staat, seine Verfassung und seine Instanzen ab, beanspruchen für sich das Recht auf Selbstverwaltung. Unten ihnen gibt es verhältnismäßig viele Waffenbesitzer, sowohl mit als auch ohne Lizenz. Wie gefährlich die Szene wirklich ist, darüber wird seit Dezember verstärkt diskutiert: Eine terroristische Gruppierung aus dem Milieu soll einen gewaltsamen Umsturz geplant haben. Nach der bundesweiten Razzia in rund 150 Gebäuden und mehreren Festnahmen sucht die Politik nach Wegen, der Radikalisierung Herr zu werden und den Zugang zu Waffen zu erschweren.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Polizeieinsätze im Duisburger Reichsbürger-Milieu

Über Erkenntnisse zu Reichsbürgern in Duisburg berichtete zuerst die Rheinische Post. Ein Polizei-Sprecher bestätigt auf Nachfrage dieser Redaktion Einsätze, die sich im Jahr 2017 ereigneten. In Huckingen wurde damals ein Mann von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen. Zuvor hatte er einen Gerichtsvollzieher ohne Erlaubnis gefilmt und die Aufnahmen im Internet veröffentlicht. Bei dem Einsatz stellten die Beamten mehrere Messer sicher; auch der Waffenschein des mutmaßlichen Reichsbürgers wurde eingezogen.

An Protesten gegen die Corona-Maßnahmen sollen auch Reichsbürger und andere Rechtsextreme teilgenommen haben. Ob es zwischen diesen Szenen auch in Duisburg Schnittmengen gibt, verrät die Polizei nicht.
An Protesten gegen die Corona-Maßnahmen sollen auch Reichsbürger und andere Rechtsextreme teilgenommen haben. Ob es zwischen diesen Szenen auch in Duisburg Schnittmengen gibt, verrät die Polizei nicht. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Weitere Einsätze spielten sich 2017 zwar in Wesel und Voerde ab. Mit dem „Verein für bioenergetisches Leben“ stand jedoch eine beim Amtsgericht Duisburg eingetragene Institution im Fokus der Ermittelnden. Bei Durchsuchungen wurden Schusswaffen gefunden. Laut Polizei NRW war der Verein zuvor auch durch Überweisungsbetrug aufgefallen.

Genaue Zahlen zur Szene in Duisburg kann die Polizei nach eigenen Angaben nicht nennen. Diese würden nur landesweit erhoben. Ein aktueller Verfassungsschutzbericht geht von rund 3400 Reichsbürgern in Nordrhein-Westfalen aus. Demnach ist die Szene im ländlichen Raum deutlich stärker vertreten als in den Großstädten. Als Hochburgen gelten der Raum Ostwestfalen/Lippe und Soest, der Hochsauerlandkreis sowie der Großraum Köln.

Zahl der Reichsbürger wächst – auch wegen Querdenkern?

Vor vier Jahren soll die Zahl der Reichsbürger landesweit noch bei rund 2750 gelegen haben. Hat der Zuwachs auch mit der Corona-Pandemie zu tun? In ganz Deutschland beteiligten sich Rechtsextreme an Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Laut Verfassungsschutz waren bei den sogenannten „Querdenken“-Protesten auch Reichsbürger immer wieder stark präsent.

„Teile der Querdenker wollen den Staat bekämpfen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul 2021. Aus manchen Corona-Skeptikern seien Demokratiefeinde geworden, „die unsere Freiheit und Sicherheit bedrohen“. Es müsse damit gerechnet werden, „dass die Bewegung sich jederzeit auch ein anderes Vehikel suchen wird, um die demokratiefeindliche und sicherheitsgefährdende Haltung gegenüber Staat und demokratisch legitimierten Einrichtungen und Institutionen zu zeigen“.

Auch interessant

Die Polizei macht auf Nachfrage keine Angabe, ob auch in Duisburg Schnittmengen zwischen Corona-Protestlern und Reichsbürgern beobachtet wurden. Nicht alle Erkenntnisse und Informationen könne man öffentlich machen. Zumindest an der Organisation der Demos in Duisburg seien aber keine der Reichsbürger-Szene zugeordneten Personen beteiligt gewesen.

Proteste von Initiativen wie „Querdenken Duisburg“ oder „Duisburg steht auf“ finden nicht mehr statt, seit auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie stark gelockert wurden und eine Impfpflicht ohnehin schon lange vom Tisch ist. Auch beim Messenger-Dienst Telegram herrscht im Kanal von „Duisburg steht auf“ so gut wie kein Betrieb mehr. Lediglich die Mitgliederzahl ist mit rund 450 relativ konstant geblieben.

>>FAST 25.000 REICHSBÜRGER IN DEUTSCHLAND

  • In der Ideologie der Reichsbürger-Bewegung besteht das Deutsche Reich in seinen Grenzen der 1930er Jahre fort. Die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern wird häufig als GmbH bezeichnet.
  • Somit erkennen die Reichsbürger weder das geltende Recht noch das staatliche Gewaltmonopol an. Das führt dazu, dass sie fiktive Regierungen bilden und immer wieder Widerstand gegen Beamtinnen und Beamte leisten.
  • Der Verfassungsschutz zählt bundesweit 23.000 sogenannte Reichsbürger, 2000 mehr als vor einem Jahr. 239 Gewalttaten registrierten die Behörden.