Duisburg. Tierarztkosten verdoppeln sich für Hund und Katze. Das Duisburger Tierheim und Tierhalter machen sich große Sorgen. Das rät ein Tierarzt jetzt.
Ein Schreckgespenst geht um. Und das hat nichts mehr mit Halloween zu tun. Private Tierbesitzer, Tierschutzverbände und Tierheime haben „einfach nur noch Angst“. Denn am 22. November tritt eine neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) in Kraft. Die Preise für Behandlungen werden kräftig angehoben. Nach 23 Jahren zum ersten Mal.
Lutz Kaczmarsch, Leiter des Duisburger Tierheims, weiß nicht, wo die Einrichtung dann das Geld für die Behandlung der Vier- und Zweibeiner hernehmen soll. „Es wird eine Erhöhung von 35 bis 40 Prozent kommen, keine Ahnung, wie wir das stemmen sollen“, sagt er.
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„Für uns gibt es nichts teureres als Katzen“
Zwölf Pflegerinnen und Pfleger arbeiten an der Lehmstraße. Hinzu kommen viele Ehrenamtliche, ohne die die Arbeit gar nicht zu schaffen wäre. Sie kümmern sich zurzeit um circa 150 Katzen und 60 bis 70 Hunde. Ganz zu schweigen von der immensen Anzahl der Kleintiere, die – vor allem nach der Coronazeit – dort abgegeben wurden. „Für uns gibt es nichts teureres als Katzen“, sagt Lutz Kaczmarsch. „Denn es gibt im Grunde kein Tier, das nicht krank ist, wenn es zu uns gebracht wird.“
Das heißt zunächst einmal: Quarantäne und Behandlung. Es müssen Impfungen erfolgen, in der Regel ist eine Ultraschalluntersuchung nötig, um zu prüfen, wie es dem Tier geht. Sie kommen oft in einem erbärmlichen Zustand im Tierheim an. „Ein Fundtier musste vor kurzem drei Stunden geschoren werden, so schrecklich verfilzt war das Fell.“
Für das Tierheim dreht sich die Preisspirale weiter
Bei den Fundtieren sind die medizinischen Kosten schon jetzt extrem hoch. „Wenn die Preise Ende November explodieren, wissen wir nicht mehr, was wir machen sollen. Ich bin ratlos“, erklärt der Heimleiter. Und die Preisspirale dreht sich weiter. „Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb, haben acht gelernte Pflegekräfte, weil wir Fachkompetenz brauchen. Aber auch die Personalkosten steigen ja deutlich. Zu dem Punkt, dass viele Tiere abgegeben werden, kommt jetzt noch, dass sie länger im Tierheim bleiben. Denn wegen der Inflation und der extremen Preiserhöhungen, die mittlerweile jeden in der Gesellschaft treffen, überlegen sich die Menschen dreimal, ob sie sich ausgerechnet in diesen Zeiten ein Tier anschaffen“, zählt Kaczmarsch die prekäre Situation auf.
Er schlägt schon länger eine Lösung vor, die aber bisher nicht auf Gegenliebe stößt: „Wir übernehmen ja eine kommunale Aufgabe für die Stadt. Wenn man uns die Hälfte der Hundesteuer zur Verfügung stellen würde, wären wir schon sehr entlastet. Aber die Hundesteuer ist nicht zweckgebunden. Mit dem Geld kann die Stadt also auch Dienstwagen anschaffen. Das könnte man doch umverteilen.“
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Corona-Folgen: Tiere werden wieder abgegeben
Schon nach den zwei harten Corona-Jahren ist genau das eingetreten, was viele befürchtet haben. Erst wurden gegen die Einsamkeit Tiere angeschafft. Und als die Lockerungen kamen, die Menschen wieder rausgehen und sich mit Freunden treffen konnten, als Homeoffice in den Hintergrund trat, füllte sich das Tierheim. „Wir fürchten, dass es in den kommenden Monaten wieder zu einer Welle kommt und die Tiere abgegeben werden, weil viele Menschen die Tierarztkosten nicht mehr stemmen können. Viele der Tiere, die ausgesetzt werden, landen dann ja auch als Fundtiere bei uns.“
Ein weitere Punkt, der große Sorgen macht, sind die gestiegenen Kosten für Streu und Futter, denn Katzenstreu werde mit Gas getrocknet. Zudem ist die Spendenbereitschaft durch die Kostenexplosion rückläufig. „Es ist ein finanzieller Kraftakt und zurzeit wirklich schwer durchzuhalten.“
Die 1. Vorsitzende des Tierschutzzentrums, Norma Puchstein, die auch im Landestierschutz von NRW aktiv ist, hat große Sorgen. „Wenn in Kürze die Tierarztkosten enorm ansteigen, werden einige Tierheime Insolvenz anmelden müssen. Das ist finanziell nicht mehr zu leisten. Wir geben jetzt schon tausende für Standardbehandlungen aus.“
Weil der Verein Betreiber des Tierheims ist, kennt sie die Situation bestens. Wenn verletzte oder kranke Tiere operiert werden müssen, schießen die Kosten in die Höhe. Oft seien solche Eingriffe nur mit Hilfe von Spenden zu ermöglichen.
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Tierarzt froh über die Gebührenerhöhung
Für den Duisburger Tierarzt Paul Kornat kommt die Gebührenerhöhung für Tierärzte „zwar ziemlich spät, aber endlich. Dass es überall Preissteigerungen gibt, spüren alle Berufsgruppen und Privathaushalte. Niemand ist darüber froh, dass es ausgerechnet jetzt passiert“, sagt der Tierarzt. Auch die neue Gebührenordnung für Tierärzte bedeutet höhere Preise für die Tierbesitzer und für mich eine Preisanpassung an steigende Kosten.“
Strom, Medikamente und medizinische Geräte – alles habe sich deutlich erhöht in den vielen Jahren. „Aber wie wir mit den Preissteigerungen klarkommen, hat niemanden interessiert.“ Jetzt seien die Ängste bei den Tierbesitzern groß, weil die Kosten steigen. „Aber sehr viel liegt auch an den Besitzern selbst“, sagt Kornat. Denn – nicht immer, aber häufig – wird zu lange gewartet, bis man mit dem Tier zum Arzt geht. Und dann könnten Behandlungen deutlich teurer werden.
Den Tieren zu häufig Leckerli zu geben, sei gut gemeint, aber absolut falsch. „Denn das kann die Tiere krank machen. Auch Medikamente auf eigene Faust zu verabreichen, weil man sich im Internet erkundigt hat, kann fatale Folgen haben.“ So etwas komme tatsächlich immer wieder vor. Wenn beispielsweise eine Katze Durchfall hat und man wartet eine ganze Woche, bis man sie zur Behandlung bringt, kann es teuer werden, weil der Gesundheitszustand dann bereits sehr schlecht sein kann. „Man sollte mit seinen Tieren früh zur Untersuchung kommen. Dann hielten sich die Kosten meistens im Rahmen“, erklärt der Tierarzt.
>>DAS KOSTET KÜNFTIG EINE BEHANDLUNG BEIM TIERARZT
- Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) wurde zuletzt 1999 geändert, aber Anpassungen und Erhöhungen hat es immer mal wieder gegeben. Die letzte im Jahr 2020.
- Bisher betrug der einfache Satz, der nicht unterschritten werden darf, für die erste Allgemeinuntersuchung und Beratung bei einem Hund 13,47 Euro, bei einer Katze 8,98, bei einem Heimtier 9,62 und bei einem Pferd 19,24 Euro.
- Das ändert sich am 22. November 2022. Dann werden für die gleiche Leistung für eine Katze oder einen Hund 23,62 Euro fällig. Die Kosten für ein Heimtier steigen auf 15,39 Euro und die Kosten für die Untersuchung eines Pferdes schlagen mit 30,78 Euro zu Buche. Je nachdem wie kompliziert so eine Untersuchung ist, können die Preise deutlich steigen.
- Die Verbraucherberatung NRW regt an, über eine Krankenversicherung für Tiere nachzudenken. Allerdings gebe es viele Ausschlüsse und Leistungseinschränkungen, meistens werden nur junge Tiere versichert. Man muss sich also vor Abschluss intensiv informieren.