Duisburg. Ein Prozess vor dem Amtsgericht bot Überraschungen. Eine Duisburger Anwältin sah in der Wegnahme eines Fahrrades keine Straftat.
Manchmal ist nicht nur das Unrechtsbewusstsein von Angeklagten verkümmert. Auch Verteidiger äußern zuweilen seltsame Rechtsauffassungen. Dafür bot jetzt das Verfahren gegen einen 27 Jahre alten Meidericher ein originelles Beispiel. Dem Mann wurde vorgeworfen, am 8. Februar 2022 das Schloss eines an der Saarstraße in der Innenstadt abgestellten Jugendfahrrades geknackt und davon geradelt zu sein.
„Ein Vorwurf, den wir energisch bestreiten“, argumentierte die Verteidigerin, die eine Einstellung des Verfahrens verlangte. „Mein Mandant hatte getrunken und wusste nicht, wie er nach Hause kommen sollte. Das Fahrrad stand da einfach irgendwo herum. Er hat es genommen und benutzt.“
Duisburger verfolgte Fahrrad-Dieb
Die Vorsitzende konnte sich nur wundern: „Auch das wäre strafbar. Nur weil irgendwas herum steht, darf man es nicht mitnehmen. Das wäre ungünstig für meine Gartenmöbel.“ Auch der Besitzer des Fahrrades (40) wunderte sich: „Ich hatte das Rad erst zwei Stunden zuvor für meinen Sohn gekauft und am Fahrradständer vor dem Haus angeschlossen.“ Dann habe ihm das Kind gesagt, dass es weg sei. Der Vater schwang sich ins Auto und suchte die Umgebung ab. „Ich dachte, vielleicht erwische ich den Dieb noch.“
Tatsächlich sah er einen Mann auf einem ihm bekannt vorkommenden kleinen Fahrrad mit weit nach außen gestellten Knien durch die Gegend strampeln. „Ich habe die Polizei gerufen.“ Die habe ihm gesagt, er solle den Dieb bis zum Eintreffen eines Streifenwagens festhalten, erinnerte sich der Zeuge. Da der Angeklagte aggressiv geworden sei, habe er das nur mit Pfefferspray geschafft. „Er hat behauptet, das sei sein Rad. Aber zum Glück hatte ich beim Kauf Fotos gemacht.“
Drei Verurteilungen wegen Verkehrsvergehen waren für Juristin keine Vorstrafen
Ihr Mandant könne das Schloss nicht geknackt haben, sagte die Verteidigerin. „Die Polizei hat bei ihm kein Werkzeug gefunden.“
Die Staatsanwältin hielt es für lebensfremd, dass der Angeklagte zufällig auf ein Fahrrad gestoßen sein soll, dass unmittelbar zuvor von einem anderen Täter gestohlen und dann stehen gelassen worden war. Mit Blick auf drei Vorstrafen forderte sie eine Bewährungsstrafe.
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Die Verteidigerin war gar nicht einverstanden. „Drei Vorstrafen? Das waren doch nur Verkehrsdelikte!“ Da allenfalls eine Fundunterschlagung in Betracht komme, sei eine Geldstrafe ausreichend. Die Strafrichterin seufzte. Sie verurteilte den 27-Jährigen wegen Unterschlagung zu 1200 Euro (60 Tagessätze zu je 20 Euro). Auch der Angeklagte seufzte. Sein Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass ihm die Bewährungsstrafe lieber gewesen wäre.